WHO warnt: Veraltete Empfehlungen zur Gewichtszunahme können Schwangeren schaden
Viele Richtwerte zur Gewichtszunahme in der Schwangerschaft gelten nicht mehr. Frauen riskieren damit Frühgeburten oder Bluthochdruck.
Die WHO warnt: Frühere Empfehlungen zur Gewichtszunahme in der Schwangerschaft sind für viele Frauen nicht mehr sicher. © Pexels
Etwa zwei Drittel aller Frauen nehmen in der Schwangerschaft entweder zu wenig oder zu viel zu. Viele orientieren sich dabei noch an Empfehlungen aus den 1980er-Jahren. Heute hat sich vieles verändert: Ernährung, Umweltbedingungen und Lebensalter der Mütter unterscheiden sich stark von damals. Das macht alte Richtwerte zur Gewichtszunahme in der Schwangerschaft zunehmend fragwürdig.
Eine internationale Analyse der Monash University zeigt, welche Folgen das hat. Die Forscher werteten Daten von 1,6 Millionen Schwangeren aus 40 Studien aus – die bisher umfassendste Untersuchung zu diesem Thema. Nur ein Drittel der Frauen erreichte die empfohlene Gewichtsspanne. Fast jede zweite nahm zu viel zu, jede vierte zu wenig. Beide Gruppen hatten ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen bei Mutter und Kind.
Wenn zu wenig Gewicht gefährlich wird
Eine zu geringe Gewichtszunahme in der Schwangerschaft erhöht laut Studie das Risiko für Frühgeburten deutlich – um rund 60 Prozent. Auch untergewichtige Babys und Atemprobleme bei Neugeborenen treten häufiger auf. Diese Kinder sind oft kleiner als dem Schwangerschaftsalter entspricht, was das Risiko für Entwicklungsstörungen in den ersten Lebensmonaten erhöht.
Besonders betroffen sind Frauen mit niedrigem Ausgangsgewicht. Sie haben weniger Reserven, um die Belastungen einer Schwangerschaft auszugleichen. „Unterhalb der Empfehlung steigt das Risiko für ein Kind mit geringem Geburtsgewicht, Atemnot und Frühgeburt“, heißt es in der Studie.
Hohe Gewichtszunahme steigert Risiko für Bluthochdruck und Diabetes
Frauen, die deutlich mehr zunehmen als empfohlen, entwickeln häufiger Bluthochdruck oder Schwangerschaftsdiabetes. Auch Kaiserschnitte sind bei ihnen wahrscheinlicher – das Risiko ist laut Analyse um 37 Prozent erhöht.
Übermäßige Zunahmen führen zudem häufiger zu sogenannten Makrosomien, also Babys mit mehr als vier Kilogramm Geburtsgewicht. Diese Kinder müssen oft auf die Neugeborenen-Intensivstation. „Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit internationaler Standards für eine gesunde Gewichtszunahme in der Schwangerschaft“, erklärt Studienautorin Dr. Rebecca Goldstein vom Monash Centre for Health Research and Implementation. Sie fordert bessere Unterstützung für Schwangere – etwa durch Ernährungstipps, Bewegungsprogramme und engmaschige Kontrollen.
Alte Richtwerte passen heute nicht mehr
Die bisherigen Referenzwerte stammen von der US-amerikanischen National Academy of Medicine (ehemals Institute of Medicine) und wurden zuletzt 2009 angepasst. Doch sie basieren auf Daten einer homogenen Gruppe junger, überwiegend weißer Frauen aus wohlhabenden Regionen. Diese Daten spiegeln nicht die Vielfalt der heutigen Mütter wider – weder in Ländern mit niedrigem Einkommen noch in modernen Industriestaaten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) arbeitet deshalb an neuen globalen Standards. Sie sollen regionale Unterschiede bei Ernährung, Körperbau und Gesundheitsversorgung berücksichtigen. „Unsere Ergebnisse unterstützen die Entwicklung evidenzbasierter WHO-Standards, die für unterschiedliche Bevölkerungen weltweit gelten“, so Professor Helena Teede, die ebenfalls an der Studie mitgewirkt hat.
Unterschiedliche Risiken je nach Region und Ernährung
Besonders auffällig sind die Unterschiede zwischen den Weltregionen. In Asien war das Risiko für Bluthochdruck während der Schwangerschaft dreimal so hoch, wenn Frauen zu wenig zulegten. In westlichen Ländern dagegen waren Kaiserschnitte und hoher Blutdruck bei übermäßiger Gewichtszunahme häufiger.
Die Experten sehen darin den Einfluss kultureller und genetischer Faktoren. Auch Ernährung, Luftqualität und Stress wirken sich auf die optimale Gewichtszunahme aus.
Neue Standards sollen Mütter und Babys besser schützen
Das Team, zu dem neben der Monash University auch Fachleute der WHO, der Universidade Federal do Rio de Janeiro, des National Institute of Perinatology in Mexiko und der California Polytechnic State University gehören, fordert ein gemeinsames Vorgehen. Nur mit international abgestimmten Standards ließen sich die Risiken für Mütter und Kinder langfristig senken.
Eine ausgewogene Gewichtszunahme gehört zu den wichtigsten Gesundheitsfaktoren in der Schwangerschaft. Zu wenig Gewicht gefährdet die Entwicklung des Kindes, zu viel kann Kreislauf, Stoffwechsel und Geburtsverlauf belasten. Ärzte und Hebammen raten zu regelmäßiger Kontrolle des Gewichtsverlaufs. Entscheidend ist dabei nicht ein starres Ideal, sondern der individuelle Ausgangswert, die Ernährung und der allgemeine Gesundheitszustand.
Kurz zusammengefasst:
- Eine internationale Studie zeigt, dass zwei Drittel aller Frauen in der Schwangerschaft eine ungesunde Gewichtszunahme haben – zu wenig oder zu viel erhöht das Risiko für Frühgeburten, Bluthochdruck und Kaiserschnitt.
- Die bisherigen Richtwerte stammen aus den 1980er-Jahren und sind überholt; die WHO entwickelt neue globale Standards, die heutige Lebens- und Ernährungsbedingungen besser abbilden.
- Eine ausgewogene Gewichtszunahme in der Schwangerschaft schützt Mutter und Kind – wichtig sind regelmäßige Kontrollen, gesunde Ernährung und individuelle Beratung.
Übrigens: Nicht nur die Gewichtszunahme in der Schwangerschaft beeinflusst die Gesundheit des Babys – auch seelischer Stress kann Spuren hinterlassen. Mentale Belastungen der Mutter können das Gehirn und Immunsystem des Kindes dauerhaft prägen – mehr dazu in unserem Artikel.
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