Seit 30 Jahren werden Amazonas-Bäume immer größer – Klimawandel macht sie zu Riesen
Im Amazonas wachsen die Bäume seit 30 Jahren ungewohnt stark. Mehr CO2 wirkt wie Dünger und lässt die größten Exemplare noch mächtiger werden.

Im Amazonas wachsen die Bäume immer weiter – mehr CO2 lässt sie größer werden. © Wikimedia
Die Wälder des Amazonas gelten als grüne Lunge der Erde. Sie speichern gewaltige Mengen Kohlendioxid, stabilisieren das Weltklima und sind Heimat unzähliger Arten. Jetzt zeigt eine internationale Studie: Seit drei Jahrzehnten nehmen die Bäume dort im Schnitt deutlich an Größe zu. Vor allem die größten Exemplare wachsen kräftiger als je zuvor – auch eine Folge des Klimawandels mit seinen veränderten Bedingungen.
Die Entwicklung hat viel mit den Veränderungen in der Atmosphäre zu tun. Steigende CO2-Werte wirken wie Dünger. Sie kurbeln das Wachstum an, lassen Bäume schneller in die Höhe schießen und auch im Durchmesser zulegen. Das betrifft nicht nur einzelne Arten, sondern das ganze Ökosystem.
Forscher messen drei Jahrzehnte lang das Wachstum
Fast 100 Wissenschaftler unter Leitung von Adriane Esquivel-Muelbert werteten Daten aus 188 Dauerflächen im Amazonas aus. Über 30 Jahre hinweg erfassten sie regelmäßig Stämme und Baumkronen – auf insgesamt mehreren Hundert Hektar Regenwald.
Die Ergebnisse sind eindeutig. Die durchschnittliche Baumgröße nahm pro Jahrzehnt um 3,3 Prozent zu. Besonders stark legten die mächtigsten Stämme zu: Bei ihnen lag das Plus bei knapp sechs Prozent. Auch die Gesamtbiomasse des Waldes stieg – ein Hinweis darauf, dass mehr Kohlenstoff gebunden wird.
Große Bäume profitieren am stärksten
Die Analyse zeigt, dass sich die Struktur des Waldes verändert. Große Stämme mit mehr als 40 Zentimetern Durchmesser nahmen um 6,6 Prozent pro Jahrzehnt zu. Kleine Bäume unter 20 Zentimetern Durchmesser gingen dagegen um 1,2 Prozent zurück. Besonders das Unterholz dünnte aus – minus 3,6 Prozent. Mittelgroße Bäume zwischen 20 und 30 Zentimetern blieben stabil.
Die größten Stämme sind dabei die eigentlichen Gewinner. Ihre Biomasse wuchs um 8,4 Prozent pro Jahrzehnt. Auch die Bäume im Kronendach legten mit 2,8 Prozent zu. Die Holzdichte blieb unverändert – ein Hinweis darauf, dass das Wachstum nicht auf Kosten der Stabilität geht.
CO2 wirkt wie eine Wachstums-Spritze
Warum wächst der Wald so stark? Nach Ansicht der Forscher ist vor allem der steigende Kohlendioxidgehalt der Luft entscheidend. Pflanzen nutzen CO2 für die Photosynthese – je mehr vorhanden ist, desto mehr können sie wachsen.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass vor allem steigende CO2-Werte das Wachstum ankurbeln und dabei nicht nur große, sondern auch kleine Bäume entlasten, indem ihre Lichtunterversorgung weniger kritisch wird“, erklärt Dr. Esquivel-Muelbert.
Auch Professorin Beatriz Marimon von der Universidade do Mato Grosso sieht den Trend positiv: „Dies ist eine gute Nachricht. Wir hören regelmäßig, wie Klimawandel und Fragmentierung den Amazonas bedrohen. Aber währenddessen sind die Bäume in ungestörten Wäldern größer geworden; selbst die größten Exemplare haben trotz dieser Bedrohungen weiter profitiert.“
Der Amazonas wird ungleicher
Mit dem Wachstum steigt auch die Ungleichheit im Wald. Der sogenannte Gini-Koeffizient, ein Maß für die Verteilung, legte pro Jahrzehnt um ein Prozent zu. Große Bäume werden also dominanter.
„Die Zunahme ist in absoluten Zahlen bei den größten Stämmen am stärksten. Das führt zu wachsender Dominanz großer Bäume im Ökosystem“, sagt Professor Tim Baker von der University of Leeds. Für den Regenwald bedeutet das: Einige wenige Riesenbäume bestimmen zunehmend, wie viel Kohlenstoff gebunden wird und wie widerstandsfähig das Ökosystem bleibt.
Klimawandel macht Amazonas-Bäume zu Riesen: Ein Risiko bleibt
Viele Experten hatten befürchtet, dass vor allem große Bäume durch Dürre, Windbruch oder Hitze besonders stark leiden könnten. Doch bisher deutet nichts darauf hin. „Wir finden keine Hinweise, dass große Bäume im Amazonas seltener oder kleiner werden. Die erwarteten negativen Klimaeffekte werden bislang durch den positiven Effekt von CO2 übertroffen“, so Esquivel-Muelbert.
Damit bleibt der Regenwald vorerst ein stabiler Kohlenstoffspeicher. Doch die Forscher warnen, dass sich das ändern könnte, wenn Klimaextreme zunehmen oder die Vorteile des zusätzlichen CO2 schwächer werden.
Abholzung als größter Feind
Neben dem Klima ist es vor allem die Abholzung, die den Amazonas bedroht. „Große tropische Bäume sind mehrere Hundert Jahre alt. Wir können nicht einfach neue Bäume pflanzen und erwarten, dass sie ähnliche Kohlenstoff- oder Biodiversitätsleistungen erbringen“, warnt Dr. Rebecca Banbury Morgan von der University of Bristol.
Damit wird klar: Der Schutz der bestehenden Wälder ist unverzichtbar. Selbst groß angelegte Aufforstungsprogramme könnten die Rolle der alten Bäume nicht ersetzen.
Wie sich der Amazonas künftig verändert
Für die Wissenschaftler ist klar, dass die Entwicklung eng mit der Klimapolitik verbunden ist. „Große Bäume sind enorm wertvoll für die Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre, und diese Studie bestätigt das. Trotz der Befürchtungen, dass der Klimawandel den Amazonas schwächen könnte, wirkt der Düngeeffekt des CO2 weiterhin. Das zeigt die bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit dieser Wälder – zumindest im Moment“, so Esquivel-Muelbert.
Professor Oliver Phillips von der University of Leeds ergänzt: „Auch wenn das Wachstum bisher anhält, könnte es in den kommenden Jahrzehnten abflachen oder kippen, wenn die Sterblichkeit steigt oder die CO2-Vorteile nicht mehr ausreichen, um die Stressfaktoren des Klimawandels auszugleichen.“
Kurz zusammengefasst:
- Im Amazonas-Regenwald sind die Bäume in den letzten 30 Jahren deutlich größer geworden – vor allem durch den Klimawandel legen die größten Exemplare stark an Masse zu.
- Ursache ist vor allem der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre, der wie ein Dünger wirkt und das Wachstum der Bäume beschleunigt.
- Dadurch speichert der Amazonas derzeit mehr Kohlenstoff, doch Abholzung und Klimaextreme könnten diesen Vorteil in Zukunft gefährden.
Übrigens: Im ostafrikanischen Udzungwa-Gebirge haben Forscher eine bislang unbekannte Baumart entdeckt – Tessmannia princeps, ein Riese, der über 3.000 Jahre alt werden kann. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © JopkeB via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0