Studie belegt Kita-Notstand: 14 Prozent der Familien warten vergeblich auf einen Krippen-Platz

In Deutschland warten viele Familien trotz Rechtsanspruch monatelang auf einen Kita-Platz. Besonders im Westen fehlen tausende Betreuungsangebote.

Kita-Notstand: 14 Prozent warten vergeblich auf Krippen-Platz

Für viele Eltern ist der Kita-Platz eine unersetzbare Komponente zu, doch die Suche wird oft zum Kraftakt. Wartezeiten von 6-12 Monaten sind nicht unüblich. Gar keinen Platz zu finden ist keine Ausnahme. © DALL-E

Morgens die Kinder fertig machen, pünktlich zur Arbeit kommen und dabei verlässlich auf eine Betreuung zählen – für viele Eltern bleibt das Wunschdenken. Wer einen Platz in der Kita sucht, muss nicht nur Geduld, sondern oft auch Glück haben. Dabei haben Kinder ab dem ersten Geburtstag seit 2013 einen gesetzlichen Anspruch. Doch der Realität hält dieses Versprechen nicht stand. Der neue Kinderbetreuungsreport 2025 des Deutschen Jugendinstituts (DJI) zeigt, wie groß der Kita-Notstand in Deutschland noch immer ist.

Trotz sinkender Geburtenzahlen wächst die Nachfrage nach frühkindlicher Bildung. Eltern wollen ihre Kinder früher und länger betreuen lassen, doch das System stößt an seine Grenzen. Zu wenig Personal, regionale Unterschiede und soziale Ungleichheiten verschärfen die Lage zusätzlich.

Fachkräftemangel belastet das System massiv

Die Daten stammen aus der DJI-Kinderbetreuungsstudie (KiBS). Sie läuft seit 2016 und ist die größte Erhebung dieser Art. Jährlich werden rund 33.000 Eltern befragt – mit Blick auf Kinder unter drei Jahren, Kinder bis zum Schuleintritt und Grundschulkinder. Die Ergebnisse geben einen klaren Überblick: Wer einen Betreuungsplatz braucht, hat oft Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass die Situation je nach Bundesland stark variiert.

In vielen Einrichtungen fehlen Erzieher und Sozialpädagogen. Laut Bundesagentur für Arbeit zählen sie inzwischen zu den Engpassberufen. Schon jetzt berichten viele Fachkräfte von täglicher Überlastung. Dazu kommt: In den kommenden Jahren scheiden viele Beschäftigte altersbedingt aus. Prognosen gehen davon aus, dass in Ostdeutschland der Personalbedarf bis 2030 gedeckt werden könnte. Im Westen dagegen drohen noch lange Lücken.

Elterlicher Bedarf vs. Bedarfsdeckung. © Kinderbetreuungsreport 2025
Elterlicher Bedarf vs. Bedarfsdeckung. © Kinderbetreuungsreport 2025

Sinkende Geburten – steigender Bedarf

Die Kinderzahlen gehen zurück, besonders im Osten. In Westdeutschland ist dieser Trend erst seit zwei Jahren deutlich sichtbar. Trotzdem steigt der Bedarf an Betreuung weiter. 2024 konnte erstmals seit 2006 kein weiterer Ausbau der Plätze erfolgen. Trotzdem meldeten Eltern häufiger einen Betreuungswunsch. Das liegt nicht an mehr Kindern, sondern an veränderten Vorstellungen: Viele wollen ihre Kinder früher in die Kita geben.

Unter Dreijährige: Nachfrage wächst deutlich

Der Bedarf hängt stark vom Alter ab. Einjährige: 65 Prozent. Zweijährige: 82 Prozent. Bei Dreijährigen steigt er auf 97 Prozent, bei Vier- und Fünfjährigen auf 98 Prozent. Doch Eltern von Einjährigen nutzen deutlich seltener einen Platz als Eltern von Zweijährigen – trotz Rechtsanspruch. Die Differenz beträgt 18 Prozentpunkte.

Bei Kindern unter drei Jahren zeigt sich die größte Dynamik:

  • 52 Prozent der Eltern äußerten 2024 einen Bedarf (2013: 42 Prozent).
  • Tatsächlich erhielten aber nur 38 Prozent einen Platz.
  • Rund 14 Prozent blieben trotz Bedarf ohne Betreuung.

Die Unterschiede zwischen Ost und West sind markant. In Ostdeutschland liegt die Bedarfslücke bei sieben Prozentpunkten. Im Westen beträgt sie 16 Prozentpunkte.

Elterlicher Bedarf (blau) und Nutzung (grau) bei U3-Kindern nach Ländern (in Prozent). © Kinderbetreuungsreport 2025
Elterlicher Bedarf (blau) und Nutzung (grau) bei U3-Kindern nach Ländern (in Prozent). © Kinderbetreuungsreport 2025

Wünsche nach Betreuungsform unterscheiden sich nach Alter und in Ost und West

Eltern in Ostdeutschland bevorzugen Ganztagsplätze von 35 bis 45 Stunden pro Woche. Im Westen wünschen sie häufiger erweiterte Halbtagsplätze von 25 bis 35 Stunden. Auch bei der Form der Betreuung sind die Unterschiede groß: 82 Prozent aller Eltern mit U3-Kindern möchten eine Kita, nur elf Prozent wünschen Kindertagespflege (kleinere Gruppen mit Tagesmutter). In Berlin und Sachsen-Anhalt liegt die Kita-Präferenz bei 95 Prozent, in Schleswig-Holstein nur bei 70 Prozent.

Nahezu alle Eltern wollen für ihre Kinder zwischen drei Jahren und Schuleintritt einen Platz. Die Bedarfsquote liegt bei 98 Prozent, die Beteiligungsquote bei 92 Prozent. Sechs Prozentpunkte klaffen also weiterhin zwischen Wunsch und Realität. Auffällig ist, dass der Bedarf an Ganztagsplätzen zuletzt wieder zugenommen hat. Besonders in Ostdeutschland wächst der Wunsch nach längeren Betreuungszeiten.

Regionale Unterschiede sind gravierend

Die Situation unterscheidet sich stark zwischen den Bundesländern. Besonders angespannt ist die Lage in Bremen (29 Prozent ungedeckter Bedarf) und im Saarland (28 Prozent). In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fehlen je 27 Prozent der benötigten Plätze.

Deutlich besser ist die Lage in Sachsen-Anhalt mit nur vier Prozent ungedecktem Bedarf. In Mecklenburg-Vorpommern sind es sechs Prozent, in Brandenburg und Sachsen jeweils sieben Prozent. Am häufigsten ist der Bedarf in Sachsen-Anhalt gedeckt (83 Prozent der Eltern). In Baden-Württemberg dagegen sind 20 Prozent der Eltern trotz Bedarf ohne Platz. DJI-Forschungsdirektorin Prof. Dr. Susanne Kuger erklärt:

Die Angebotsplanung, vor allem vor Ort in den Kommunen, muss professioneller werden, damit alle Kinder gleiche Chancen auf einen bedarfsgerechten Platz haben.

Soziale Unterschiede verschärfen Ungleichheit

Nicht alle Familien haben die gleichen Chancen. Benachteiligte Gruppen stoßen häufiger auf Hürden. Dazu zählen:

  • Familien mit Migrationsgeschichte (–10 Prozentpunkte)
  • Familien im Transferleistungsbezug (–9 Prozentpunkte)
  • Eltern mit höchstens Hauptschulabschluss (–8 Prozentpunkte)

Diese Lücken bestehen seit 2016 ohne erkennbare Verbesserung. „Damit wurde eines der zentralen Ziele des Rechtsanspruchs, die Teilhabechancen aller Kinder zu verbessern und für mehr Chancengerechtigkeit beim Zugang zur Kindertagesbetreuung zu sorgen, bislang nicht erreicht.“, so Kuger.

Kurz zusammengefasst:

  • Frühkindliche Bildung bleibt trotz Rechtsanspruch unterversorgt: Viele Eltern finden keinen Platz, besonders im Westen verschärft sich der Kita-Notstand durch fehlende Betreuungsangebote und Fachkräfte.
  • Der Bedarf steigt weiter, auch wenn weniger Kinder geboren werden; Unterschiede nach Alter, Region und gewünschter Betreuungsform sind erheblich.
  • Benachteiligte Familien erhalten seltener einen Platz, wodurch soziale Ungleichheiten bestehen bleiben – das zeigt der Kinderbetreuungsreport 2025 des DJI.

Übrigens: Schon in den ersten Lebensjahren entscheidet die Vernetzung im Gehirn darüber, wie gut sich Kinder später konzentrieren und Ablenkungen vermeiden können. Eine neue Studie zeigt, warum diese Phase so entscheidend für das ADHS-Risiko ist – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert