Forscher zwingen menschliche Zellen zur Turbo-Evolution und entwickeln neue Wirkstoffe in Wochen

Forschern ist es gelungen, die Evolution menschlicher Zellen gezielt zu beschleunigen. Dadurch entstehen neue Moleküle in wenigen Tagen – mit großem Potenzial für Therapie und Forschung.

Forscher ermöglichen Turbo-Evolution menschlicher Zellen

Mit PROTEUS könnten in Zukunft Medikamente möglich werden, für die heutige Methoden gar nicht ausreichen würden. © Vecteezy

Ein Team der University of Sydney hat ein Verfahren entwickelt, das die Evolution in den Zellen von Säugetieren deutlich beschleunigt. Möglich macht dies eine Plattform namens PROTEUS – und sie eröffnet neue Möglichkeiten für künftige Anwendungen in Medizin und Biotechnologie.

Neues System PROTEUS verändert Moleküle gezielt

PROTEUS steht für „PROTein Evolution Using Selection“. Das System basiert auf dem Prinzip der gerichteten Evolution: Forscher steuern gezielt genetische Veränderungen, um Moleküle mit neuen oder verbesserten Funktionen zu entwickeln. Der natürliche Selektionsprozess wird dabei im Labor nachgeahmt und stark beschleunigt.

Die Forschung fand am Charles Perkins Centre statt, gemeinsam mit dem Centenary Institute. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Was bedeutet „gerichtete Evolution“?

  • Es handelt sich hierbei um ein biotechnologisches Verfahren, das natürliche Mutationen gezielt im Labor nachahmt.
  • Ziel ist es, Moleküle mit neuen oder optimierten Eigenschaften erschaffen.
  • Der Vorteil dieser Methode: Sie erspart langwierige Zufallsprozesse der Natur – Lösungen entstehen in Tagen oder Wochen statt in Jahren.
  • Im Jahr 2018 wurde die Entwicklung gerichteter Evolution bei Bakterien mit dem Nobelpreis für Chemie gewürdigt.

Gezielte Lösungen für bisher unlösbare genetische Probleme

PROTEUS eröffnet neue Möglichkeiten in der Medizin. Die Forscher wollen damit Werkzeuge für die Genbearbeitung verbessern – etwa Varianten der CRISPR-Technologie. Auch bei genetischen Problemen, für die bisher keine Lösung bekannt war, soll das System helfen.

„Wir können eine Säugetierzelle mit einem genetischen Problem programmieren, bei dem wir nicht wissen, wie wir es lösen sollen“, erklärte Dr. Christopher Denes, der die Studie leitete. PROTEUS testet dann automatisch Millionen Varianten durch, bis eine funktionierende Lösung gefunden wird.

Ein entscheidender Vorteil: Anders als frühere Systeme arbeitet PROTEUS nicht in Bakterien, sondern direkt in Säugetierzellen. Moleküle lassen sich so präziser an die Bedingungen im menschlichen Körper anpassen.

Nanobodies erkennen DNA-Schäden

Das Forschungsteam nutzte PROTEUS bereits, um Proteine zu erzeugen, die sich einfacher über Medikamente steuern lassen. Zusätzlich entwickelten sie sogenannte Nanobodies – kleine Antikörper, die gezielt DNA-Schäden aufspüren können. Solche Schäden gelten als wichtige Ursache für viele Krebsarten.

„Mit PROTEUS können wir neue Moleküle erzeugen, die optimal auf unseren Körper abgestimmt sind“, sagte Professor Greg Neely, der das Projekt am Dr. John and Anne Chong Lab betreut. Damit könnten in Zukunft Medikamente möglich werden, die mit herkömmlichen Methoden nur schwer oder sogar unmöglich herzustellen sind.

Viren-Hybride sichern die Zuverlässigkeit

Eine Herausforderung bestand darin, das System vor falschen Lösungen zu schützen. Man befürchtete, dass Zellen einfache Auswege finden könnten, ohne das eigentliche Problem zu lösen. Die Forscher verhinderten das mit virusähnlichen Partikeln: Sie kombinierten die Hülle eines Virus mit dem Erbgut eines anderen.

Diese Hybrid-Konstruktion nutzte Merkmale zweier Virusfamilien und sorgte dafür, dass sich nur echte Lösungen durchsetzten, während ungeeignete Varianten automatisch verschwanden. „PROTEUS ist stabil, robust und wurde bereits von unabhängigen Laboren bestätigt“, so Dr. Denes. Die University of Sydney stellt das System zudem offen für andere Forschungsteams zur Verfügung.

Wir hoffen, mit PROTEUS die Entwicklung neuer Enzyme, molekularer Werkzeuge und Therapeutika zu ermöglichen.

Greg Neely

Kurz zusammengefasst:

  • Ein Forschungsteam der University of Sydney hat mit PROTEUS ein System entwickelt, das gerichtete Evolution erstmals direkt in menschlichen Zellen ermöglicht.
  • Dadurch lassen sich neue, auf den menschlichen Körper abgestimmte Moleküle in wenigen Wochen erzeugen – etwa für Medikamente oder Gen-Editing.
  • Eine Virus-Hybrid-Technik verhindert dabei fehlerhafte Lösungen und macht PROTEUS zu einem robusten, offenen Werkzeug für die biomedizinische Forschung.

Übrigens: Ein Forschungsteam hat erstmals im Detail gezeigt, wie sich die DNA in einem frühen Embryo selbst organisiert und Fehler korrigiert. Mehr dazu gibt es in diesem Artikel zu lesen.

Bild: © Vecteezy

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