Tabu Stöhnen: Warum viele Männer im Bett stumm bleiben
Männer stöhnen oft weniger beim Sex, was auf kulturelle Normen und frühe Masturbationsgewohnheiten zurückgeführt wird. Das Phänomen wird auch als „Moaning Gap“ bezeichnet.
Trotz des offenen Umgangs in unserer Gesellschaft mit dem Thema Sexualität bleibt eine Frage oft im Verborgenen: Warum stöhnen Männer beim Sex weniger als Frauen? Nicht nur in privaten Schlafzimmern kann man dieses Phänomen beobachten. Auch in der Pornografie sind es überwiegend Frauen, die ihre Lust lautstark ausdrücken. Was steckt hinter dieser Geschlechterlücke beim Stöhnen (Moaning Gap) und wie können Frauen dazu beitragen, dass Männer ihre Lust offener zeigen.
Im Gespräch mit der WELT erklärt Mariah Freya, eine erfahrene Sex-Coachin und Gründerin von „Beducated“, einer Plattform für sexuelle Bildung, dass etwa 40 Prozent der Männer beim Masturbieren gar nicht stöhnen. Freya führt dies darauf zurück, dass Männer, die häufiger masturbieren als Frauen, in ihrer Jugend oft leise sein mussten, um nicht entdeckt zu werden. Diese Gewohnheit könnte sich zu einer „antrainierten stillen Lust“ entwickelt haben, die Männer auch im späteren sexuellen Leben beibehalten. „Diese ‚Geschlechterlücke beim Stöhnen‘ könnte durch bewusstes Reflektieren oder ein gezieltes Sex-Coaching überwunden werden“, erklärt Freya. Sie betont, dass durch das Stöhnen das Lustempfinden nicht nur intensiviert, sondern auch die Verbindung zum eigenen Körper und zum Partner gestärkt werden könne.
Geschlechterrollen und Stöhnen
Die gesellschaftliche Wahrnehmung spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle dabei, wie Männer ihre sexuellen Empfindungen ausdrücken. Viele der mainstream-Pornos, die primär auf den heterosexuellen Mann als Zielgruppe abzielen, zeigen Männer oft in einer passiveren, leiseren Rolle. Katharina Kraus, eine renommierte Sexologin, weist darauf hin, dass eine Studie der meistgeklickten Pornos auf Pornhub zeigte, dass Männer meist nur im Moment des Orgasmus stöhnen. „Dies lässt den falschen Schluss zu, dass Männer nur dann Geräusche machen, wenn sie kurz vor dem Höhepunkt stehen“, so Kraus. Die Erwartungshaltung, besonders ausdauernd sein zu müssen, verstärke den Druck auf Männer, ihre Lust nicht akustisch auszudrücken, aus Angst, zu früh zum Höhepunkt zu kommen.
Ein weiterer Faktor ist die kulturelle Vorstellung von Männlichkeit. „Toxische Maskulinität und kulturelle Ansichten entmutigen Männer oft, über ihr Vergnügen zu sprechen oder ihre Gefühle auszudrücken“, erläutert Freya. Diese gesellschaftlichen Normen könnten Männer davon abhalten, sich im Bett frei zu äußern, da sie befürchten, als zu feminin wahrgenommen zu werden.
Neue Trends in der Audio-Erotik
Interessanterweise zeigt sich in der wachsenden Beliebtheit von Audio-Erotik ein gegenläufiger Trend. Elisabeth Ranft, Brand Managerin bei „femtasy“, einer Plattform, die sich auf Audio-Erotik für Frauen spezialisiert hat, berichtet, dass ihre „Orgasm Compilation“, ein Zusammenschnitt von Audio-Clips männlicher Höhepunkte, zu einem der meistgehörten Clips wurde. Dies deutet darauf hin, dass es durchaus ein großes Interesse von Frauen gibt, Männer stöhnend zu erleben.
Frauen genießen es, die Lust des Mannes nicht nur zu spüren, sondern auch zu hören,
fügt Ranft hinzu.
Kommunikation und Veränderung
Wie können Frauen also dazu beitragen, dass Männer im Bett lauter werden? Freya rät zu offener Kommunikation: „Es ist hilfreich, mit dem Partner zu sprechen und zu äußern, dass man gerne sein Stöhnen und seine Lust hören möchte.“ Diese Art der Kommunikation kann nicht nur die sexuelle Erfahrung bereichern, sondern auch dazu beitragen, Hemmungen abzubauen und eine tiefere emotionale Verbindung zwischen den Partnern zu fördern.
Jedoch ist es wichtig, die individuellen Grenzen zu respektieren. „Nicht jeder fühlt sich wohl dabei, beim Sex Laute von sich zu geben, und das sollte akzeptiert werden“, warnt Freya. Jedes Paar ist einzigartig, und was für den einen funktioniert, mag für den anderen nicht passend sein.
Physische Vorteile des Stöhnens
Neben der emotionalen und kommunikativen Funktion hat das Stöhnen auch physische Vorteile. Kraus erklärt, dass durch das tiefe Atmen und die tiefe Stimmaktivierung beim Stöhnen der Vagusnerv aktiviert wird. Das senkt den Blutdruck senkt und fördert Entspannung.
Was du dir merken solltest:
- Männer stöhnen beim Sex oft weniger als Frauen. Teilweise ist das auf die Notwendigkeit zurückzuführen, in der Jugend beim Masturbieren leise sein zu müssen, um nicht entdeckt zu werden. Diese Gewohnheit kann sich als „antrainierte stille Lust“ manifestieren, die das offene Ausdrücken sexueller Empfindungen im Erwachsenenalter behindert.
- Die Darstellung männlicher Lust in der Pornografie, die häufig leise Männer zeigt, trägt zu unrealistischen Vorstellungen über männliches Stöhnen bei. Dies verstärkt die kulturellen Erwartungen an Männer, ihre sexuelle Ausdauer zu beweisen, ohne ihre Lust laut zu äußern.
- Offene Kommunikation über sexuelle Wünsche und Präferenzen kann helfen, Hemmungen abzubauen. Es fördert auch eine tiefere emotionale Verbindung zwischen Partnern. Dabei ist es wichtig, individuelle Grenzen zu respektieren und das Stöhnen als Teil einer gesunden sexuellen Ausdrucksweise zu verstehen.
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