Milliarden versenkt – Welche Investitionen in die Energiewende häufig aus dem Ruder laufen
Atomkraftwerke verursachen im Schnitt doppelt so hohe Baukosten wie geplant. Solar und Wind schneiden bei Investitionen besser ab.

Atomkraftwerke verursachen im Schnitt über 100 Prozent Mehrkosten – oft mehr als 1,4 Milliarden Euro pro Projekt. Windenergie dagegen überzeugt mit stabilen Bauzeiten und geringem Investitionsrisiko. © Unsplash
Die Energiewende soll vorankommen – mit Investitionen in neue Anlagen: sauber, modern, klimafreundlich. Politiker jubeln, Bagger rollen an, Fördergelder fließen. Doch plötzlich steigen die Kosten. Erst ein paar Millionen mehr, dann hunderte. Die Bauzeit verlängert sich. Ein halbes Jahrzehnt später ist das Projekt noch immer nicht fertig und niemand weiß, wer am Ende dafür zahlt.
Genau solche Szenarien passieren weltweit – und sie sind keine Ausnahme. Eine umfassende Analyse des Boston University Institute for Global Sustainability (IGS) zeigt, welche Energieprojekte regelmäßig entgleisen und welche überraschend stabil bleiben. Besonders die Investition in Atomkraft entpuppt sich dabei als riskantes Spiel mit Milliarden.
Investition verdoppelt sich: Atomkraft bleibt der teuerste Energieträger
Die Forscher haben 662 Energieprojekte aus 83 Ländern untersucht, vom Jahr 1936 bis heute. Mit dabei: Atomreaktoren, Windparks, Solaranlagen, Wasserstoff-Produktionsstätten und mehr. Das Gesamtvolumen der Investitionen lag bei umgerechnet rund 1,25 Billionen Euro. Die Bilanz ist ernüchternd: Vor allem Atomkraftprojekte bringen nicht nur die höchsten Zusatzkosten, sondern auch die längsten Verzögerungen mit sich.
Für Bauherren und Investoren bedeuten solche Abweichungen oft Stress, politische Konflikte – und Nachfinanzierungen in Milliardenhöhe. In Zeiten angespannter Haushalte und steigender Energiekosten stellt sich deshalb die Frage, wie zukunftstauglich solche Projekte überhaupt noch sind.
Neue Hoffnungsträger? – Wasserstoff und CCS schwächeln
Große Erwartungen ruhen derzeit auf Wasserstoff und sogenannten CCS-Technologien (Carbon Capture and Storage). Doch ausgerechnet diese neuen Hoffnungsträger bereiten bei Bau und Finanzierung erhebliche Schwierigkeiten. Auch sie sprengen Zeit- und Kostenpläne häufig.
„Diese Ergebnisse sind ein echtes Warnsignal für die Wasserstoffstrategie“, sagt Studienleiter Benjamin Sovacool. Der Direktor des IGS hält es für zweifelhaft, ob diese Technologien im geplanten Tempo aufgebaut werden können. Gerade im Rennen um die Klimaziele sei das ein ernst zu nehmendes Risiko.
Wer verlässlich liefern will, setzt auf Solar und Wind
Während Atom-, Wasserstoff- und Gas-Kraftwerke regelmäßig überziehen, überzeugen andere mit Bestwerten. Besonders gut schneiden Solarparks und neue Stromtrassen ab, viele sogar mit weniger Kosten als geplant. Auch Windkraftanlagen sind vergleichsweise planungssicher.
Erneuerbare Energien wie Wind und Solar bringen nicht nur Vorteile für Klima und Energieversorgung. Sie sind auch wirtschaftlich klüger – weniger Bauprobleme, weniger Verzögerungen.
Benjamin Sovacool, Direktor des IGS
Diese Aussage dürfte besonders Kommunen, Stadtwerke oder private Investoren interessieren, die auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen sind.
Je größer das Kraftwerk, desto größer das Risiko
Ein weiteres Ergebnis betrifft die Dimension der Anlagen. Bei einer Leistung ab etwa 1.560 Megawatt steigen die Risiken deutlich an, sowohl zeitlich als auch finanziell. „Das zwingt uns zum Umdenken bei Großprojekten“, sagt Mitautorin Hanee Ryu. Die Studie zeigt auch, ab wann es richtig teuer wird: Sobald sich ein Projekt um mehr als 87,5 Prozent der ursprünglichen Bauzeit verzögert, explodieren die Kosten. Dann wird es für Bauherren schwer, wieder auf Kurs zu kommen.
Wer in Megaprojekte investiert, braucht also nicht nur Kapital, sondern auch starke Nerven. Besonders in Ländern mit schwachen Verwaltungsstrukturen können Großprojekte Jahre ins Stocken geraten, mit drastischen Folgen für den Energiebedarf und die Volkswirtschaft.
Umdenken lohnt sich
Kleinere, modular aufgebaute Projekte könnten eine echte Alternative sein: kalkulierbarer und günstiger. Die Datenbank der Forscher ist die bisher umfassendste ihrer Art. Sie umfasst deutlich mehr Projekte als alle bisherigen Untersuchungen. Wer heute Energie-Infrastruktur plant, bekommt damit ein wichtiges Werkzeug an die Hand, um klüger zu investieren, Risiken besser abzuschätzen und finanzielle Katastrophen zu vermeiden.
Kurz zusammengefasst:
- Atomkraftwerke verursachen die höchsten Kostenüberschreitungen bei Energieprojekten – im Schnitt verdoppeln sich die Baukosten.
- Neue Technologien wie Wasserstoff und CO2-Speicherung bergen ebenfalls hohe Risiken bei Budget und Zeitplan.
- Solar- und Windenergieanlagen bringen die Energiewende voran und die Investitionen bleiben deutlich häufiger im Kostenrahmen.
Übrigens: Während klassische Solarparks oft viel Platz brauchen, will Ankara Solar die Energiewende direkt in Einkaufsstraßen und Parks bringen – mit begehbaren Solarplatten. Was dahinter steckt, erklärt unser Artikel.
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