Planetare Grenzen überschritten – Diese Maßnahmen können die Umwelt noch retten
Sechs von neun planetaren Grenzen sind laut Studie bereits überschritten. Ein neues Szenario zeigt: Weniger Fleisch, weniger Abfall und kluge Klimapolitik könnten die Umwelt bis 2050 deutlich entlasten.

Naturschutzgebiet Westruper Heide: Gezielte Maßnahmen könnten helfen, den Zustand der Erde bis 2050 auf das vergleichsweise stabile Niveau von 2015 zurückzuführen. © Wikimedia
Die Erde steht unter Druck – und zwar stärker als bisher angenommen. Viele planetare Grenzen sind laut einer aktuellen Analyse bereits überschritten: Ohne schnelle Maßnahmen droht uns eine düstere Zukunft. Ein internationales Forschungsteam hat jetzt berechnet, wie sich diese Belastung bis zum Jahr 2100 weiter aufbaut, wenn Politik und Gesellschaft nicht entschlossener handeln. Die Studie stammt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Universität Utrecht. Sie liefert eine klare Antwort auf eine drängende Frage: Reicht Klimapolitik, damit die Welt lebenswert bleibt, ohne ihre ökologischen Grundlagen zu verlieren?
„Die menschliche Zivilisation steht an einem kritischen Punkt“, sagt Johan Rockström, Direktor des PIK und Co-Autor der Studie. Mit neuen Szenarien hat sein Team gezeigt, „wie sie sich weiterentwickeln kann, ohne ihre natürlichen Lebensgrundlagen zu ruinieren“. Es gehe dabei nicht um Panik, sondern um Orientierung, um einen Weg raus aus der Dauerkrise, so Rockström.
Sechs von neun Grenzen schon jetzt überschritten
Die Studie stützt sich auf das Konzept der sogenannten planetaren Grenzen. Es beschreibt die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten, etwa beim Klima, der Artenvielfalt oder der Nutzung von Süßwasser. Wird eine dieser Grenzen überschritten, steigt das Risiko für unumkehrbare Schäden. Laut den Forschern sind sechs dieser neun Grenzen bereits heute nicht mehr im sicheren Bereich.
Für die Zukunft rechnen die Modelle mit einer weiteren Verschärfung. Schon 2050 könnten Klima und Stickstoffbelastung tief im Hochrisikobereich liegen. Und selbst eine konsequente Klimapolitik, die das 1,5-Grad-Ziel verfolgt, würde diese Entwicklung allein nicht aufhalten können.
Diese Maßnahmen helfen wirklich
Der Grund: Klimaschutz hat zwar viele positive Nebenwirkungen – weniger Autos bedeuten bessere Luft, Aufforstung stärkt die Böden – doch manche Maßnahmen erzeugen neue Probleme. Wird etwa zu viel Fläche für Bioenergiepflanzen genutzt, geraten andere Ökosysteme unter Druck. Die Frage ist also: Welche Kombination von Maßnahmen bringt die besten Effekte?
Die Forscher haben dafür ein zweites Szenario entwickelt und dort zusätzliche Stellschrauben integriert: weniger Lebensmittelabfall, mehr Effizienz bei Wasser und Düngemitteln. Auch weniger Fleischkonsum ist eine entscheidende Stellschraube. All diese Umstellungen sind technisch machbar und sozial verkraftbar, schreiben die Autoren.
In der Studie werden drei zentrale Maßnahmen benannt, die über die klassische Klimapolitik hinausgehen und im Zusammenspiel eine deutliche Entlastung der Umwelt ermöglichen sollen:
- Weniger Fleischkonsum: besonders die Umstellung auf die EAT-Lancet-Planetary-Health-Diät, also eine weitgehend pflanzenbasierte Ernährung.
- Halbierung der Lebensmittelabfälle – um Ressourcenverschwendung massiv zu senken.
- Effizienterer Umgang mit Wasser und Nährstoffen durch gezieltere Nutzung von Düngemitteln und optimierte landwirtschaftliche Praktiken.
Das 2015-Umwelt-Niveau ist erreichbar
Das Ergebnis dieses erweiterten Szenarios: Die ökologische Gesamtlage verbessert sich deutlich. Schon 2050 könnte der Zustand der Erde wieder auf dem Niveau von 2015 liegen – einem Jahr, das noch innerhalb des sicheren Handlungsrahmens lag. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts würde sich der Zustand weiter erholen.
Doch ganz aus dem Risiko wäre die Welt selbst dann nicht. „Auch in diesem Szenario bleiben 2100 noch mehrere planetare Belastungsgrenzen überschritten“, sagt Detlef van Vuuren von der Universität Utrecht, Leitender Autor der Studie. Besonders betroffen sind das Klima, die Kreisläufe von Stickstoff und Phosphor sowie die biologische Vielfalt.
Politik neu denken – Warum Einzelmaßnahmen nicht mehr ausreichen
Für van Vuuren ist klar: Es braucht weitere Maßnahmen über die klassische Umweltpolitik hinaus. Die Studie soll dafür als Werkzeug dienen. Denn sie macht messbar, was bisher schwer vergleichbar war: „Unsere Szenarien zeigen, was welche Maßnahme konkret bewirken kann und wo neue Hebel nötig sind.“
Das eingesetzte Modell „IMAGE“ erlaubt es, ganz unterschiedliche politische Pfade durchzuspielen, vom reinen Klimaschutz bis zur grundlegenden Transformation von Konsum und Landwirtschaft. Es zeigt auch, wie sich einzelne Entscheidungen auf andere Bereiche auswirken. Damit wird klar: Ein einzelnes Instrument reicht nicht. Entscheidend ist ein neues Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen und klare politische Vorgaben.
Weiter wie bisher? – Das hält die Umwelt nicht mehr lange aus
Bleibt es beim aktuellen Kurs, verschlechtern sich laut Modell fast alle Umweltfaktoren. Einzig die Ozonschicht und die Luftverschmutzung könnten sich geringfügig verbessern. Alles andere, von der Erderwärmung über die Artenvielfalt bis zur Süßwassernutzung, steuert in einen Zustand mit hohem Risiko für Gesundheit, Ernährungssicherheit und politische Stabilität.
Die Forscher fordern deshalb einen Politikwechsel, der über den Tellerrand schaut. „Unsere Studie liefert dafür eine wissenschaftlich belastbare Grundlage“, sagt van Vuuren. Denn wer heute klug steuert, kann dafür sorgen, dass auch morgen noch genug saubere Luft, Wasser und Nahrungsmittel für alle da sind.
Kurz zusammengefasst:
- Sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen sind laut Studie bereits überschritten – Klima, Artenvielfalt und Stickstoffkreisläufe stehen besonders unter Druck.
- Selbst ehrgeiziger Klimaschutz allein reicht nicht aus, um die Entwicklung umzukehren – nötig sind zusätzliche Maßnahmen wie weniger Fleischkonsum und effizienter Umgang mit Ressourcen.
- Ein erweitertes Szenario zeigt: Mit nachhaltiger Politik und verändertem Konsumverhalten könnte sich der Zustand der Erde bis 2050 deutlich verbessern.
Übrigens: Immer mehr Klimaklagen richten sich gezielt gegen Großkonzerne. Eine neue Studie zeigt nun, wie sich deren Emissionen erstmals direkt mit Hitzewellen und Dürren in Verbindung bringen lassen. Welche Rolle einzelne Unternehmen beim Klimawandel spielen und was das für künftige Klagen bedeutet – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Dietmar Rabich via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0