Der Taillenumfang sagt mehr über das Krebsrisiko bei Männern aus als der BMI
Bei Männern weist der Taillenumfang präziser auf das Krebs-Risiko hin als der BMI – besonders bei Darm-, Leber- und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Trotz athletischer Silhouette: Viszerales Bauchfett bleibt bei Männern oft unsichtbar – und erhöht dennoch das Krebsrisiko. © Unsplash
Wie viel Bauch ist zu viel? Wer nur auf den Body-Mass-Index schaut, verpasst entscheidende Hinweise. Denn bei Männern sagt der Taillenumfang deutlich mehr über das persönliche Krebsrisiko aus als der BMI, besonders bei Krebsarten, die mit Übergewicht in Verbindung stehen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung von Daten, die Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck und der Universität Lund in Schweden ausgewertet haben.
Untersucht wurden die Körpermaße von über 339.000 Erwachsenen, im Durchschnitt 51 Jahre alt. Über knapp 14 Jahre wurden ihre Gesundheitsdaten erfasst und mit Einträgen im nationalen Krebsregister abgeglichen. Das Ergebnis ist alarmierend und hochrelevant für jeden Mann mit Bauchansatz.
Unterschätztes Warnsignal für Krebs
Während sich der BMI einfach berechnen lässt – Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch Körpergröße in Metern zum Quadrat – ist die Messung des Taillenumfangs anfälliger für Ungenauigkeiten. Deshalb korrigierten die Forscher die Werte statistisch. So blieben die Ergebnisse aussagekräftig. Zusätzlich flossen weitere Einflussfaktoren in die Auswertung ein: Alter, Rauchverhalten, Bildung, Einkommen und Familienstand. Die Daten stammten aus schwedischen Bevölkerungsstudien, die zwischen 1981 und 2019 erhoben wurden.
Ein Anstieg des Taillenumfangs um elf Zentimeter, etwa von 90 auf 101 Zentimeter, ließ das Risiko für bestimmte Krebsarten um 25 Prozent steigen. Bei gleichem Zuwachs im BMI lag das Risiko dagegen nur um 19 Prozent höher. Der Unterschied mag klein wirken, kann aber über eine frühe Diagnose entscheiden. Genau dieses sogenannte viszerale Fett rund um die Organe steht in Verbindung mit Entzündungen, Insulinresistenz und gefährlich veränderten Blutfettwerten. Studienleiter Josef Fritz erklärt:
Der BMI sagt nichts über die Verteilung des Körperfetts aus, während der Taillenumfang ein Hinweis für abdominales Fett ist.
Bauchfett wirkt aggressiver als hohes Gewicht allein
Viszerales Fett ist kein harmloses Polster. Es beeinflusst Stoffwechselprozesse negativ und kann Tumorwachstum fördern. Wer etwa einen normalen BMI hat, aber viel Fett am Bauch, könnte dennoch ein erhöhtes Risiko tragen. Das bleibt bei reiner BMI-Betrachtung oft unbemerkt.
Die Forscher berechneten zusätzlich, welchen Informationsgewinn der Taillenumfang bringt, wenn der BMI bereits bekannt ist. Auch hier war der Effekt bei Männern deutlich ausgeprägt. Der Bauchumfang ergänzt den BMI also nicht nur – er liefert oft die entscheidende Information.
Frauen speichern Fett anders
Bei Frauen zeigte sich ein anderes Bild. Sowohl der BMI als auch der Taillenumfang ließen das Risiko für Adipositas-bedingten Krebs um jeweils rund 13 Prozent steigen. Ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Werten bestand nicht. Fritz vermutet den Grund in der unterschiedlichen Fettverteilung: Männer speichern Fett bevorzugt im Bauchraum, Frauen eher unter der Haut und an Hüften oder Oberschenkeln. „Folglich ist der Taillenumfang bei Männern ein genaueres Maß für viszerales Fett als bei Frauen“, sagt Fritz.
Was Männer jetzt wissen müssen
Gerade für Männer könnte es deshalb sinnvoll sein, den Umfang des Bauches regelmäßig zu messen. Der klassische BMI reicht in vielen Fällen nicht aus, um ein realistisches Gesundheitsbild zu liefern, vor allem nicht für Krebsarten, bei denen Übergewicht eine Rolle spielt. Dazu zählen unter anderem Krebsarten der Leber, des Darms, der Bauchspeicheldrüse, der Speiseröhre oder der Niere. Aber auch Brust- und Schilddrüsenkrebs können durch starkes Übergewicht begünstigt werden, unabhängig vom Geschlecht.
Wer den eigenen Taillenumfang nicht kennt, sollte das Maßband zur Hand nehmen. Werte über 94 Zentimeter gelten bei Männern als kritisch, bei über 102 Zentimetern steigt das Risiko deutlich. Die neue Studie legt nahe: Wer seinen Bauch im Blick behält, kann wichtige Vorsorge leisten. Nicht das Gewicht allein entscheidet, sondern wo das Fett sitzt.
Kurz zusammengefasst:
- Schon elf Zentimeter mehr Bauchumfang reichen bei Männern aus, um das Krebsrisiko um ein Viertel zu erhöhen – weit mehr als ein Anstieg des BMI.
- Fett im Bauchraum wirkt besonders gefährlich: Es bringt den Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht, begünstigt Entzündungen und kann das Wachstum von Tumoren anregen.
- Gerade Männer sollten ihren Taillenumfang kennen. Er kann frühzeitig warnen, lange bevor Laborwerte oder Beschwerden erste Hinweise geben.
Übrigens: Nicht nur Erwachsene sollten auf ihr Bauchfett achten – bei Jugendlichen beeinflusst es sogar die Entwicklung von Hirnregionen für Gedächtnis und Gefühle. Welche Folgen das für die Psyche und kognitive Fähigkeiten haben kann, mehr dazu in unserem Artikel.
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