Medizin der Zukunft – Bekämpfen wir bald Krebs mit Mikrorobotern?

Winzige Mikroroboter könnten die Medizin verändern – Grundlage ist das neue Forschungsfeld „aktive Materie“. Sie sollen Tumore ansteuern.

Medizin der Zukunft – Mikroroboter im Kampf gegen Krebs?

Noch sind sie Theorie, doch bald könnten Mikroroboter Tumore gezielt ansteuern – allein durch chemische Signale, ganz ohne Motor. © DALL-E

Sie sind kleiner als ein Staubkorn – und könnten die Medizin grundlegend verändern: Mikroroboter sollen künftig Medikamente direkt zu Tumoren bringen, Mikroplastik abbauen oder gefährliche Bakterien bekämpfen. Grundlage dafür ist ein neues Forschungsfeld namens „aktive Materie“, das an der Penn State University intensiv erforscht wird. Es beschäftigt sich mit Teilchen, die sich selbst fortbewegen – ganz ohne Motor oder Batterie. Ihre Steuerung erfolgt allein durch chemische Unterschiede in ihrer Umgebung.

„Vor etwa 20 Jahren hat ein Team an unserer Universität winzige Nanopartikel entwickelt, die sich eigenständig durch Flüssigkeiten bewegen – wir nennen sie Phoretische Janus-Partikel.“, sagt der Chemieprofessor Stewart Mallory. Seither wird weltweit an ihnen geforscht – auch in seiner Arbeitsgruppe.

Mikroroboter erobern Medizin Verstopfte Wege verstehen und gezielt berechnen

Eines der größten Probleme in der Mikrotechnik: Wie verhalten sich solche Teilchen in engen Gängen, wie etwa im menschlichen Blutgefäß? Die Forscher sprechen von „Einspur-Dynamik“. Partikel bewegen sich hintereinander, können nicht überholen. Wie lange braucht ein Mikroroboter, um durch ein enges Kapillarnetz zu seinem Ziel zu gelangen?

„Stell dir vor, du fährst auf einer Landstraße ohne Überholmöglichkeit. Genau das passiert auch auf mikroskopischer Ebene“, erklärt Mallory. Seine Gruppe hat nun eine Formel entwickelt, mit der sich diese Bewegungen exakt berechnen lassen – entscheidend, bevor Mikroroboter in der Medizin eingesetzt werden.

Teilchen im Stau: Mallorys Team fand eine Lösung, wie sich Mikroroboter in engen Kanälen bewegen lassen. © Stewart Mallory / Penn State. Creative Commons
Teilchen im Stau: Mallorys Team fand eine Lösung, wie sich Mikroroboter in engen Kanälen bewegen lassen. © Stewart Mallory / Penn State. Creative Commons

Chemie lenkt die Richtung – gezielt, schnell und sicher

Besonders spannend: Die Janus-Partikel können gesteuert werden. Ihre Oberfläche besteht aus zwei verschiedenen chemischen Seiten – eine Art Vorne und Hinten. Genau diese Struktur erlaubt es ihnen, auf chemische Signale zu reagieren und sich gezielt zu bewegen.

„Indem wir ihre chemische Zusammensetzung anpassen, können wir genau steuern, wie und wohin sie sich bewegen“, sagt Mallory. Das bedeutet: Die Teilchen könnten sich gezielt in Richtung einer Entzündung oder eines Tumors bewegen – gelenkt durch minimale chemische Unterschiede im Gewebe.

Tumore orten und treffen – mit Präzision auf Zellniveau

Ein Beispiel zeigt, wie nah die Forschung bereits an der Anwendung ist: Partikel aus Kalziumkarbonat reagieren auf den pH-Wert, den Tumorzellen in ihrer Umgebung erzeugen. Sie „schwimmen“ dann dorthin – und könnten ein Medikament mitführen. „Diese Partikel könnten in naher Zukunft Medikamente gezielt zu Krebszellen bringen und so gesunde Zellen schonen“, sagt Mallory.

Solche Anwendungen würden die Krebstherapie nicht nur wirksamer, sondern auch verträglicher machen – eine Hoffnung für Millionen Betroffene.

Stewart Mallory erforscht an der Penn State, wie sich mikroskopisch kleine Teilchen in der Medizin selbstständig bewegen und gemeinsam handeln.© Michelle Bixby / Penn State. Creative Commons
Stewart Mallory erforscht an der Penn State, wie sich mikroskopisch kleine Teilchen in der Medizin selbstständig bewegen und gemeinsam handeln.© Michelle Bixby / Penn State. Creative Commons

Selbstorganisation: Die Natur als Vorbild für neue Materialien

Doch die Forschung geht noch weiter. Die Teilchen können sich nicht nur bewegen – sie können sich auch selbst zu größeren Strukturen zusammensetzen. „Wir zeigen, dass sich solche Partikel wie Bausteine selbst organisieren können“, sagt Mallory. Diese „Selbstorganisation“ ist ein Prinzip, das auch die Natur nutzt – etwa beim Aufbau von Muscheln oder Knochen.

In Zukunft könnten so neue Materialien entstehen – gebaut von selbststeuernden Partikeln, ohne Werkzeuge, ohne menschliches Eingreifen. Die Vision: winzige Bausteine, die sich wie von selbst zu ganzen Geräten zusammensetzen.

Wie sich Teilchen gegenseitig beeinflussen – und was das verändert

Einzelne Partikel zu verstehen, reicht jedoch nicht. Die Forscher analysieren auch, was passiert, wenn viele Mikroroboter gleichzeitig unterwegs sind. „Wenn sich viele Teilchen begegnen, entstehen manchmal Staus oder sie klumpen zusammen – ähnlich wie im Straßenverkehr“, sagt Mallory. Diese Wechselwirkungen könnten gezielt genutzt werden, um Bewegungen zu bremsen oder zu beschleunigen – je nach Anwendung.

Das Ziel: realistische Simulationen, die zeigen, wie sich Hunderte oder Tausende Partikel in komplexen Umgebungen verhalten – in einem Blutgefäß, in einem Tumor oder in einer verschmutzten Wasserprobe.

Simulationen als Schlüssel zur Therapie von morgen

Aktuell entwickelt das Team theoretische Modelle und Computersimulationen, um solche Szenarien exakt vorherzusagen. Das ist entscheidend, um neue Therapieformen zu entwickeln. „Unser Ziel ist es, Werkzeuge zu schaffen, mit denen wir mikroskopische Roboter genau kontrollieren können – ob im Körper, in der Umwelt oder bei der Entwicklung neuer Materialien“, so Mallory.

Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen – doch sie könnte in den nächsten Jahren in Kliniken, Labore und vielleicht sogar in unsere Alltagswelt Einzug halten.

Kurz zusammengefasst:

  • Mikroroboter auf Basis sogenannter Janus-Partikel könnten die Medizin verändern: Sie bewegen sich selbstständig im Körper und steuern gezielt Tumorzellen an.
  • Sie nutzen chemische Signale zur Orientierung und könnten Medikamente punktgenau im Gewebe freisetzen – mit weniger Nebenwirkungen als herkömmliche Therapien.
  • Die Forschung untersucht zudem, wie sich viele dieser Partikel gemeinsam verhalten, um ihre Wirkung gezielt zu steuern und neue Materialien zu entwickeln.

Übrigens: Auch in Südkorea wird an winzigen Mikrorobotern geforscht, die sich wie Ameisen koordinieren und schwere Aufgaben im Körper übernehmen könnten. Wie diese Mini-Maschinen funktionieren – und was sie in der Medizin leisten sollen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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