Schutzschild im Erbgut: Warum Fledermäuse immun gegen Coronaviren sind – und Menschen nicht

Fledermäuse tragen Coronaviren in sich, ohne zu erkranken. Forscher entdeckten genetische Anpassungen, die ihr Immunsystem widerstandsfähig machen.

Fledermäuse trotzen Viren: Ihr Immunsystem hält Coronaviren dank genetischer Anpassungen in Schach.

Fledermäuse trotzen Viren: Ihr Immunsystem hält Coronaviren dank genetischer Anpassungen in Schach. © Wikimedia

Fledermäuse tragen unzählige Viren in sich, darunter auch Coronaviren. Doch während diese Erreger bei Menschen lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen können, bleiben Fledermäuse selbst symptomfrei. Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der University of St Andrews und des Senckenberg Forschungsinstituts und Naturmuseums Frankfurt hat nun entschlüsselt, warum das so ist – und welche Lehren die Medizin daraus ziehen könnte.

Fledermäuse besitzen genetischen Schutzschild gegen Coronaviren

Der Schlüssel liegt in den Immun-Genen der Fledermäuse. Laut einer umfassenden Genomanalyse besitzen sie deutlich mehr genetische Anpassungen als andere Säugetiere. Besonders entscheidend ist das Gen ISG15. Während es beim Menschen mit schweren Covid-19-Verläufen in Verbindung steht, hat es bei Fledermäusen eine verblüffende Schutzfunktion: In Laborversuchen konnte es die Produktion von SARS-CoV-2-Viren um bis zu 90 Prozent reduzieren.

Für Virologen und Mediziner ist das eine wegweisende Erkenntnis. Falls es gelingt, diese Mechanismen zu entschlüsseln und nachzubilden, könnten daraus neue Therapieansätze gegen Virusinfektionen entstehen.

Evolution und Immunität: Ein einzigartiges Zusammenspiel

Im Rahmen des Bat1K-Projekts sequenzierten Wissenschaftler hochauflösende Genome von zehn Fledermausarten. Ein Vergleich mit 115 anderen Säugetieren ergab: Das Immunsystem der Fledermäuse ist über Millionen von Jahren optimiert worden. Spuren im Erbgut zeigen eine auffällig hohe Anzahl an Selektionssignaturen, die auf gezielte Anpassungen hinweisen.

Ein besonders erstaunlicher Befund: Bereits der gemeinsame Vorfahr aller heute lebenden Fledermäuse besaß auffällig viele Immun-Genvarianten. Forscher vermuten, dass diese Anpassungen mit der Entwicklung der Flugfähigkeit zusammenhängen. Der Energieaufwand beim Fliegen könnte ein robusteres Immunsystem erfordert haben.

Fledermäuse als Virus-Reservoir

Die Studie zeigt auch, dass Fledermäuse wahre Virenschleudern sind. Sie beherbergen Erreger aus 31 verschiedenen Familien, darunter zahlreiche Coronaviren. Bei bestimmten Fledermausfamilien wie den Hufeisennasen sind sogar mehr als 40 Prozent der nachgewiesenen Viren Coronaviren. Zum Vergleich: Bei Nagetieren liegt dieser Anteil nur bei 1,4 Prozent.

Das erklärt, warum Fledermäuse immer wieder mit der Übertragung neuer Viren in Verbindung gebracht werden. Ihr hochaktives Immunsystem lässt Viren in ihrem Körper existieren, ohne dass sie erkranken – eine tickende Zeitbombe, wenn Krankheitserreger auf andere Arten übergehen.

Eine zentrale Rolle in der Untersuchung spielte die University of St Andrews. Professorin Sonja Vernes, Mitbegründerin des Bat1K-Projekts, hebt die Tragweite der Erkenntnisse hervor: „Diese Forschung zeigt, wie wertvoll das Studium von Fledermausgenomen für Medizin und Evolutionsbiologie ist. Es könnte uns neue Wege aufzeigen, um Virusinfektionen beim Menschen zu verhindern.“

Kurz zusammengefasst:

  • Fledermäuse tragen zahlreiche Viren, darunter Coronaviren, in sich, ohne zu erkranken, weil ihr Immunsystem durch genetische Anpassungen Viren effizient bekämpft.
  • Das Gen ISG15 spielt eine Schlüsselrolle: Während es beim Menschen mit schweren Covid-19-Verläufen in Verbindung steht, kann es bei Fledermäusen die Virusvermehrung um bis zu 90 Prozent reduzieren.
  • Diese Erkenntnisse könnten helfen, neue Strategien zur Bekämpfung von Virusinfektionen und Pandemien zu entwickeln.

Bild: © Andrew Mercer (www.baldwhiteguy.co.nz) via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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