Alkoholabhängigkeit programmiert das Gehirn um: Forscher entdecken Störungen in Hirnverbindungen
Alkoholabhängigkeit hinterlässt deutliche Spuren im Gehirn. Forscher analysieren, welche Verbindungen besonders betroffen sind.
Menschen mit Alkoholabhängigkeit weisen laut einer neuen Studie eine auffällige Verbindung zwischen bestimmten Hirnregionen auf. Diese veränderte Aktivität im Gehirn betrifft vor allem Bereiche, die für Selbstkontrolle und Entscheidungsfindung zuständig sind – zwei Fähigkeiten, die im Umgang mit Alkohol eine zentrale Rolle spielen. Die Erkenntnisse könnten in Zukunft helfen, Alkoholabhängigkeit besser zu diagnostizieren und gezielt zu behandeln.
Was passiert im Gehirn bei Alkoholabhängigkeit?
Wissenschaftler untersuchten 30 Männer mit Alkoholabhängigkeit und 32 gesunde Männer. Mithilfe einer speziellen Hirnscan-Technik, der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI), wurden die Verbindungen zwischen verschiedenen Hirnregionen analysiert. Dabei ging es vor allem darum, wie stark und in welche Richtung diese Regionen miteinander kommunizieren.
Die Forscher konzentrierten sich auf Hirnareale, die für impulsives Verhalten und Belohnungsprozesse entscheidend sind, darunter der anteriore cinguläre Cortex, die prä-supplementäre motorische Region und der Nucleus accumbens. Diese Regionen spielen eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Verhalten und Entscheidungen, wie das Vermeiden von Alkohol oder der Umgang mit Verlockungen.
Veränderte Hirnverbindungen bei schwerer Abhängigkeit
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Je schwerer die Alkoholabhängigkeit, desto auffälliger die Verbindung zwischen bestimmten Hirnregionen. Besonders die Verbindung zwischen dem anterioren cingulären Cortex und dem Putamen sowie zwischen dem Nucleus accumbens und der prä-supplementären motorischen Region war gestört. Diese Störungen könnten erklären, warum Betroffene impulsiver handeln und Schwierigkeiten haben, ihren Konsum zu kontrollieren.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese atypischen Gehirnverbindungen direkt mit der Schwere der Abhängigkeit zusammenhängen“, erklärte Xiaochu Zhang, einer der Studienautoren, laut PsyPost. Er fügte hinzu, dass Impulsivität eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Alkoholabhängigkeit spiele.
Neue Hoffnung für Diagnose und Therapie
Die Studie liefert nicht nur neue Erkenntnisse, sondern auch Ansätze für die Behandlung. Zhang und sein Team empfehlen den Einsatz moderner Ansätze wie der neurofeedbackbasierten Therapie, die es Patienten ermöglicht, ihre Gehirnaktivität gezielt zu steuern, oder der transkraniellen elektrischen Stimulation, mit der sich bestimmte Nervenzellen und Gehirnregionen gezielt anregen oder dämpfen lassen. Diese Techniken könnten dazu beitragen, die gestörten Verbindungen zwischen Hirnregionen zu regulieren und die Selbstkontrolle von Betroffenen zu stärken.
Ein weiterer Aspekt: Mithilfe von maschinellem Lernen konnten die Wissenschaftler anhand der gemessenen Hirnaktivität genau zwischen Betroffenen und gesunden Teilnehmern unterscheiden. Das deutet darauf hin, dass diese Gehirnverbindungen als Marker für die Diagnose genutzt werden könnten.
Das könnte dich auch interessieren:
- Studie: Koffein hemmt Glücksgefühle durch Alkohol und reduziert Suchtgefahr
- Null Promille, null Gefahr: Warum Alkohol schädlicher ist als gedacht
- „Ab dem ersten Tropfen“: Sogar leichter Alkoholkonsum ist für ältere Erwachsene schädlich
Was die Ergebnisse einschränkt
Die Studie hat jedoch auch Grenzen. So wurden ausschließlich männliche Teilnehmer untersucht, da diese in Behandlungseinrichtungen leichter verfügbar waren. Ob die Ergebnisse auf Frauen übertragbar sind, bleibt unklar. Außerdem konsumierten viele Betroffene gleichzeitig Nikotin, was die Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Künftige Studien sollten daher mit einer größeren und vielfältigeren Teilnehmergruppe durchgeführt werden.
Was du dir merken solltest:
- Menschen mit Alkoholabhängigkeit zeigen auffällige Veränderungen in der Kommunikation bestimmter Hirnregionen, die für Selbstkontrolle und Entscheidungsfindung verantwortlich sind.
- Je schwerer die Abhängigkeit, desto stärker sind die Verbindungen zwischen zentralen Hirnbereichen wie dem anterioren cingulären Cortex, dem Putamen und dem Nucleus accumbens gestört, was impulsives Verhalten fördert.
- Die Ergebnisse bieten neue Ansätze für die Diagnose und Therapie von Alkoholabhängigkeit, etwa durch den Einsatz innovativer Techniken wie neurofeedbackbasierter Therapie oder transkranieller elektrischer Stimulation.
Bild: © Pexels