Schnell wachsen, jung sterben: Wie Brasiliens Wälder ihre wichtigste Funktion verlieren
Schnell wachsende Bäume verdrängen robuste Arten in Brasiliens Wäldern. Das bedroht Kohlenstoffspeicherung und wichtige Ökosystemprozesse.
Brasiliens Wälder sind einem bedenklichen Wandel ausgesetzt: Schnell wachsende Baumarten mit kleinen Samen verdrängen zunehmend ihre langsam wachsenden, robusteren Konkurrenten. Dies geschieht vor allem in Regionen, die stark von Entwaldung und anderen menschlichen Eingriffen betroffen sind. Diese Verschiebung hat weitreichende Folgen für die Ökosysteme, wie eine Studie unter Leitung der Lancaster University zeigt.
Diese sogenannten „Gewinner“-Arten wachsen schnell, sterben aber jung. Ihre Stämme und Äste sind weniger dicht als die der verdrängten Arten. Dadurch speichern sie weniger Kohlenstoff – eine entscheidende Funktion der tropischen Wälder. Gleichzeitig fehlen in diesen veränderten Landschaften großflächig die großen Samen tragenden Bäume, deren Verbreitung von Tieren wie Tukans und Brüllaffen abhängt.
Forscher decken neue dominierende Arten in Brasiliens Wäldern auf
Für die Studie analysierten die Lancaster-Forscher Daten von mehr als 1.200 Baumarten aus über 270 Waldparzellen in sechs Regionen Brasiliens. Neben der Entwaldung untersuchten sie auch die Folgen von Holzeinschlag, Jagd und Bränden. Dabei stellten sie fest, dass in stark gestörten Gebieten Baumarten mit weichem Holz und kleinen Samen dominieren. Diese werden häufig von kleinen, mobilen Vögeln und Fledermäusen verbreitet, die an gestörte Lebensräume angepasst sind.
„In Landschaften mit hohem Waldanteil dominieren Baumarten mit dichterem Holz und großen Samen, die von größeren Tieren verbreitet werden“, erklärt Bruno X. Pinho, Hauptautor der Studie. „In stark entwaldeten Regionen setzen sich hingegen opportunistische Arten durch, die schneller wachsen und eine höhere Verbreitungskapazität besitzen.“
Brasiliens Wälder verlieren zentrale Funktionen
Dieser Wandel wirkt sich nicht nur auf die Kohlenstoffspeicherung aus, sondern beeinflusst auch die Wechselwirkungen zwischen Flora und Fauna sowie die Regeneration der Wälder. Felipe Melo, Mitautor der Studie, warnt: „Die funktionellen Ersatzmechanismen könnten die essenziellen Ökosystemprozesse dieser Wälder nachhaltig verschlechtern.“ Besonders besorgniserregend ist, dass diese Veränderungen in verschiedenen Regionen übergreifend auftreten, unabhängig von geografischen, klimatischen oder landwirtschaftlichen Bedingungen.
Laut den Forschern muss der Schutz der Tropenwälder über die Bekämpfung von Entwaldung hinausgehen. Zusätzlich sollten Störungen wie selektiver Holzeinschlag und Waldbrände gezielt eingedämmt werden. „Die starke Beeinflussung durch Waldschäden in einigen Amazonasregionen zeigt, wie wichtig es ist, nicht nur die Fläche, sondern auch die Qualität der Wälder zu erhalten“, sagt Studienleiter Professor Jos Barlow.
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Tropenwälder verlieren rasant Fläche
Tropenwälder sind die wichtigsten Biodiversitätsreservoire der Erde. Sie nehmen Treibhausgase auf und liefern unverzichtbare Ökosystemdienstleistungen. Doch in den letzten zwei Jahrzehnten gingen weltweit jährlich drei bis sechs Millionen Hektar tropischer Wälder verloren. Dies betrifft auch Brasiliens Wälder, die unter ständigem Druck durch menschliche Eingriffe stehen. David Bauman, Mitautor der Studie, erklärt: „Zwar gibt es einen breiten Konsens über die negativen Folgen von Lebensraumverlusten, doch die unabhängigen Effekte von Fragmentierung und lokalen Störungen sind bisher weniger verstanden.“
Was du dir merken solltest:
- Schnell wachsende Baumarten mit kleinen Samen verdrängen in gestörten brasilianischen Wäldern robuste Arten, was die Kohlenstoffspeicherung und wichtige Ökosystemfunktionen beeinträchtigt.
- Diese „Gewinner“-Arten wachsen zwar schnell, sterben jedoch jung und können die zentrale Rolle der Tropenwälder bei der Biodiversität und Kohlenstoffbindung nicht ersetzen.
- Der Schutz der Tropenwälder erfordert nicht nur den Erhalt von Flächen, sondern auch die Reduzierung von Störungen wie Holzeinschlag und Waldbränden.
Übrigens: Seit 2012 wurden weltweit über 2.100 Umweltaktivisten ermordet, allein 196 im Jahr 2023. Warum Kolumbien und Lateinamerika besonders gefährlich sind, erfährst du in unserem Artikel.
Bild: © Lancaster University