Lange Flügel gegen Hitze – Wie Vögel sich an den Klimawandel anpassen

Neue Daten zeigen, wie Flügel helfen, Hitze zu regulieren und so den Klimawandel besser zu bewältigen.

Die Allensche Regel gilt auch für Vögel: Neue KI-Daten zeigen, wie Flügel helfen, Hitze zu regulieren und Klimawandel besser zu überstehen.

Die Flügellänge von Vögeln spielt eine Rolle im Umgang mit Hitze, der die Tiere durch den Klimawandel zunehmend ausgesetzt sind. © Pexels

Tiere passen sich über Generationen an ihre Umgebung an. Ein bekanntes Muster: Wer in heißen Gegenden lebt, bekommt längere Gliedmaßen – zum Beispiel Ohren, Beine oder Schwänze. Forscher sprechen dabei über die Allensche Regel: Dass sie auch für die Flügel der Vögel gilt, hat man lange vermutet, jetzt gibt es erstmals klare Belege. Die Flügel sind für die Vögel entscheidend im Umgang mit Hitze, die durch den Klimawandel immer mehr zunimmt.

Ein internationales Team hat für diese Untersuchung die Flügelknochen von mehr als 1.500 Vogelarten untersucht. Der Befund ist eindeutig: In wärmeren Regionen entwickeln Vögel deutlich längere Flügelknochen – und das nicht nur wegen des Fliegens. Die langen Flügel helfen ihnen offenbar, überschüssige Körperwärme wieder loszuwerden. Denn beim Fliegen wird es im Vogelkörper richtig heiß.

Lange Flügel helfen gegen Hitze

Vögel verbrauchen beim Fliegen viel Energie. Dabei entsteht Wärme, die schnell gefährlich werden kann. Um einer Überhitzung vorzubeugen, spreizen viele Arten im Flug die Flügel leicht ab – das kühlt. Im Ruhezustand hingegen legen sie die Flügel an den Körper, um keine Wärme zu verlieren.

Dass die Flügel also wie eine Klimaanlage funktionieren, war bislang kaum beachtet worden. Lange ging man davon aus, dass nur die Flugfähigkeit die Form beeinflusst. Doch nun steht fest: Auch der Umgang mit Hitze spielt eine entscheidende Rolle.

KI misst über 12.000 Vogelskelette automatisch

Die Analyse gelang mithilfe einer neuen Technik, die Forscher Skelevision nennen. Dabei handelt es sich um ein KI-System, das Knochen auf Fotos automatisch vermisst. Entwickelt wurde es in Zusammenarbeit mit der University of Michigan und der New York University.

Bisher dauerte eine Knochenvermessung pro Präparat rund 15 Minuten – jetzt sind es nur noch etwa 60 Sekunden. Für die Studie konnten dadurch über 12.000 Präparate aus Museumssammlungen erfasst werden, viele davon aus dem Field Museum in Chicago und dem Zoologischen Museum der University of Michigan.

„Durch die Erfassung von Skelettmessungen im großen Maßstab können wir wichtige Fragen zur Evolution und Interaktion von Arten mit ihrer Umwelt beantworten“, erklärt Brian Weeks, der Hauptautor der Studie.

Porträt von Brian Weeks, Assistenzprofessor an der University of Michigan.
Brian Weeks, Hauptautor der Studie und Assistenzprofessor an der University of Michigan, erklärt, dass Vogelflügel nicht nur für den Flug, sondern auch zur Kühlung des Körpers entscheidend sind. © University of Michigan

Der Klimawandel macht das Thema drängender

Die neue Erkenntnis ist nicht nur für die Forschung spannend, sondern auch für den Artenschutz relevant. Denn je wärmer es auf der Erde wird, desto mehr müssen sich Vögel an neue Temperaturen anpassen. Das betrifft auch heimische Arten in Deutschland.

Manche Vogelarten, die ursprünglich aus wärmeren Gebieten stammen, breiten sich Richtung Norden aus. Ihre Körperformen könnten ihnen dabei helfen, mit den neuen Bedingungen klarzukommen. Umgekehrt wird es für Arten mit kürzeren Flügeln schwieriger.

Evolution braucht Zeit – aber die Hitze kommt schnell

Die Anpassung an das Klima ist ein langsamer Prozess. Die Studie zeigt aber, wie eng Körperbau und Umwelt miteinander verknüpft sind. Wenn sich Vögel über Jahrhunderte durch längere Flügel an Hitze gewöhnt haben, kann ein schneller Temperaturanstieg zum Problem werden.

Für den Schutz der Artenvielfalt ist es deshalb wichtig, solche Mechanismen zu kennen. Nur so lassen sich geeignete Lebensräume schaffen oder erhalten. Auch für Zoos, Tierparks und Auffangstationen können die neuen Erkenntnisse wertvoll sein.

Artenvielfalt erhalten in Zeiten der Erderwärmung

In Zukunft will das Team sein System erweitern. Dann könnten auch das Volumen und die Oberfläche der Flügel erfasst werden. Das würde noch genauere Rückschlüsse auf die Funktion und Entwicklung der Flügel erlauben. Auch für andere Körperteile wie Schnäbel oder Beine könnte das relevant werden.

Skelevision-System beim Vermessen von Vogelskeletten in der Sammlung des Zoologischen Museums der University of Michigan.
Das Skelevision-System im Einsatz in der Sammlung des Zoologischen Museums der University of Michigan. © Bruce O’Brien

Für die Forschung zur Artenvielfalt ist das ein Gewinn – und für alle, die wissen wollen, wie Tiere mit der Erderwärmung umgehen, ebenfalls. Denn je mehr man über diese Anpassungen weiß, desto besser lassen sich bedrohte Arten schützen.

Kurz zusammengefasst:

  • Allensche Regel: Vögel in heißen Regionen haben längere Flügelknochen – das hilft nicht nur beim Fliegen, sondern auch beim Ableiten von Körperwärme.
  • Eine KI-basierte Technik namens Skelevision hat über 12.000 Vogelskelette automatisch vermessen und bestätigt erstmals den Zusammenhang zwischen Flügellänge und Temperatur.
  • Die Erkenntnisse sind wichtig für den Artenschutz, da sie zeigen, wie sich Vögel an den Klimawandel anpassen – und welche Arten dabei besonders gefährdet sind.

Übrigens: Weibliche Vögel greifen besonders heftig an, wenn es um einen Brutplatz geht – vor allem, wenn sie auf Baumhöhlen angewiesen sind. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert