Wenn das Gehirn plötzlich abschaltet: Das steckt hinter dem Phänomen „Mind Blanking“

Bis zu 20 Prozent der Zeit in Aufmerksamkeitstests entfällt auf sogenanntes Mind Blanking. Doch wie kommt es zu einem leeren Kopf?

Während beim Mind-Wandering die Gedanken woanders hin „wandern“, sind sie bei Mind-Blanking ganz abwesend. © Pexels

Während beim Mind-Wandering die Gedanken woanders hin „wandern“, sind sie bei Mind-Blanking ganz abwesend. © Pexels

Von einer Sekunde auf die nächste ist alles weg: Der Strom der Gedanken reißt ab – der Kopf wirkt wie leergefegt. Keine Erinnerung, keine Empfindung. Dieses rätselhafte Phänomen nennt sich Mind Blanking. Laut einer neuen Studie passiert das weit häufiger, als bislang vermutet.

Untersuchungen zeigen, dass 5 bis 20 Prozent der Zeit während Aufmerksamkeitstests auf Mind Blanking (MB) entfallen. Damit ist der Zustand deutlich seltener als Mind Wandering, also dem Abschweifen der Gedanken – MB kommt nur etwa ein Drittel so oft vor.

Forscher kartieren das Rätsel der leeren Gedanken

Den Begriff prägten Ward und Wegner bereits 1997. In einem Experiment baten sie die Probanden, Episoden von Mind Blanking beim Lesen auszumachen. Ward und Wegner definierten es als Moment, in dem „nicht nur nicht an den Text gedacht wurde, sondern an gar nichts“, wie sie schreiben. 

Der Unterschied […] ist, dass man beim Mind Wandering an etwas anderes denkt, beim Mind Blanking an nichts.

Adrian F. Ward, Daniel M. Wegner

Heutzutage erfassen Wissenschaftler Mind Blanking mit verschiedenen Methoden. Die Studie beschreibt zum Beispiel die hybride Methodik, die spontane und gezielte Erfassung kombiniert. Probanden geben entweder selbstständig oder auf Nachfrage an, ob sie gerade in einem Moment des Mind Blanking waren.

Wenn der Kopf verstummt: Mind Blanking kann mit Krankheiten zusammenhängen

Eine Untersuchung zeigte, dass Kinder mit unbehandeltem ADHS deutlich häufiger von Mind Blanking berichteten als Kinder, die Medikamente wie Methylphenidat erhielten oder neurotypische Kinder. MB könnte daher eine Rolle in der Diagnose von psychischen Erkrankungen spielen.

Im Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen (DSM-5) wird MB im Zusammenhang mit generalisierter Angststörung erwähnt: Konzentrationsprobleme oder ein leerer Geist zählen zu den Symptomen.

Mind Blanking tritt auch im Zusammenhang mit dem sogenannten Kleine-Levin-Syndrom (KLS) auf – einer seltenen Schlafstörung – und Athymhormia, auch Auto-activation Deficit (AAD) genannt – einer neurologischen Erkrankung. Bei KLS erfahren Jugendliche während langen Schlafphasen MB-ähnliche Zustände, während Patienten mit AAD von einem „leeren Kopf“ berichten, wenn äußere Reize fehlen.

Blick ins Gehirn: Was Hirnwellen über Momente völliger Leere verraten

Messungen mit funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRI) und EEG zeigen klare Unterschiede zwischen MB und anderen Bewusstseinszuständen. MB ist von einer global positiven Konnektivität zwischen Hirnarealen geprägt, berichtet die Studie. Das dabei entstehende Muster erinnert an Phasen leichten Schlafs. Zudem beobachten Forscher eine Zunahme langsamer Gehirnwellen, sogenannter „Slow Waves“, sowie erhöhter Delta-Aktivität. Diese Marker deuten darauf hin, dass MB eine Art „lokalen Schlaf“ während des Wachseins darstellen könnte.

Eine zentrale Rolle beim Mind Blanking spielt das Niveau der Erregung. Bei zu geringer Wachheit, etwa durch Schlafmangel, häufen sich MB-Phasen. Umgekehrt kann aber auch eine Übererregung, etwa nach intensiver körperlicher Belastung, MB auslösen. Die Forscher verweisen auf die Yerkes–Dodson-Kurve. Diese beschreibt: Steigt die Erregung zu stark, sinkt die kognitive Leistung. Gedanken können dann ins Stocken geraten, was als Mind Blanking erlebt wird.

Meditation oder Mind Blanking? So unterscheiden sich die stillen Zustände

Wer sich in Meditation übt, berichtet im Nachhinein ebenfalls von „leeren“ Bewusstseinszuständen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um das von den Forschern untersuchte MB. In einem wichtigen Punkt unterscheiden sich die beiden nämlich ganz klar voneinander: Während bei der Meditation eine hohe Wachheit erhalten bleibt, geht MB oft mit reduzierter Aufmerksamkeit einher. Zudem kann MB oft unbewusst auftreten, wohingegen bei der Meditation ganz bewusst ein Zustand „reinen Bewusstseins“ geschaffen wird.

Kurz zusammengefasst:

  • Mind Blanking beschreibt Momente, in denen Gedanken, Gefühle und Sinneseindrücke plötzlich fehlen.
  • Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass MB etwa 5 bis 20 Prozent der Wachzeit ausmacht und mit schlafähnlichen Hirnmustern verbunden ist. 
  • Besonders häufig tritt es bei Schlafmangel, Übermüdung oder bestimmten Erkrankungen wie ADHS auf.

Übrigens: Während Forscher beim Mind Blanking den Moment völliger innerer Leere erfassen, geht eine neue Theorie noch tiefer – sie will das Geheimnis des Bewusstseins selbst lüften. Warum winzige elektrische Felder dabei eine Hauptrolle spielen könnten, erklärt unser Artikel.

Bild: © Pexels

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