Neuer Wachstums-Schalter macht Pflanzen widerstandsfähig gegen Klimastress

Forscher entdecken einen Wachstums-Schalter in Pflanzen: Er steuert Hormone präzise und könnte stabile Ernten trotz Dürre und Hitze sichern.

Wachstums-Schalter macht Pflanzen klimaresistenter

Pflanzenzellen besitzen einen molekularen Wachstums-Schalter: Er entscheidet, ob Wurzeln tiefer wachsen, Sprosse sich strecken oder Energie gespart wird. © Pexels

Hitze, Dürre, Starkregen: Der Klimawandel macht es Pflanzen immer schwerer, zu wachsen und stabile Erträge zu liefern. Für die Landwirtschaft weltweit ist das ein enormes Risiko. Umso bedeutender ist eine neue Entdeckung aus der Biologie. Forscher der Uni Freiburg haben in Zellen einen Mechanismus identifiziert, der wie ein Schalter wirkt und bestimmt, ob Pflanzen weiterwachsen oder nicht. Dieser sogenannte Wachstums-Schalter könnte in Zukunft helfen, Nutzpflanzen robuster zu machen – ein Hoffnungsschimmer für die Ernährungssicherheit.

Es handelt sich um ein bislang unbekanntes Zusammenspiel von Hormonen und Eiweißen, das zeigt, wie flexibel Pflanzen ihr Wachstum an Umweltbedingungen anpassen können – egal ob sie gerade tiefer Wurzeln ins Erdreich treiben oder sich mit dem Spross dem Licht entgegenstrecken. Die neuen Erkenntnisse stammen aus einer Studie, die in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde.

Wie ein innerer Schalter das Wachstum lenkt

Normalerweise regulieren Pflanzenhormone wie Auxin das Wachstum. Doch Auxin wirkt nicht immer gleich, sondern wird von speziellen Proteinen, den sogenannten PILS, kontrolliert. Sie sitzen in den Zellen wie Torwächter. Mal halten sie das Hormon zurück, mal lassen sie es frei und stoßen damit Wachstum an.

Spannend ist, wie flexibel diese Torwächter reagieren. Im Hintergrund arbeitet ein zelluläres Abbausystem, die sogenannte ERAD-Maschinerie. Sie entscheidet, ob die PILS-Proteine bestehen bleiben oder abgebaut werden. „Unsere Befunde deuten darauf hin, dass PILS-Proteine als physiologische Substrate des ERAD-Systems fungieren können“, erklären die Forscher. Damit rückt erstmals ein Mechanismus in den Fokus, der nicht nur beschädigte Eiweiße entsorgt, sondern aktiv das Wachstum von Pflanzen beeinflusst.

Hormone verändern gezielt die Balance

Schon kleinste Mengen von Hormonen können den Schalter umlegen. So genügte in den Experimenten eine winzige Dosis des Stresshormons Abscisinsäure (100 Nanomol), um selektiv das Protein PILS3 abbauen zu lassen – während PILS6 stabil blieb. Das zeigt: Pflanzen können ihre Reaktion sehr genau steuern, je nachdem, welche Signale sie aus der Umwelt wahrnehmen.

Auch künstlich zugeführtes Auxin brachte die Pflanzen in einen neuen Wachstumsmodus. Die Forscher beobachteten, dass sich die Länge der Sprosse junger Keimlinge im Dunkeln je nach Behandlung deutlich veränderte. „HRD1 trägt zur Wachstumsregulation unter nicht-stressigen Bedingungen bei“, heißt es in der Studie. HRD1 ist ein Enzym, das in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielt.

Messungen mit Hunderten Pflanzen

Um die Abläufe exakt zu verstehen, analysierten die Forscher hunderte Pflanzen. Sie bestimmten etwa die Länge von Hypokotylen, den Sprossachsen junger Keimlinge, an 20 bis 60 Pflanzen pro Versuch. Wurzeln maßen sie an 28 bis 31 Exemplaren. Dazu kamen detaillierte Proteinanalysen, die sie bis zu 40 Mal pro Gruppe wiederholten. Jede zentrale Messung führten sie mindestens dreimal unabhängig durch.

Die Ergebnisse erwiesen sich als hochsignifikant. Viele p-Werte lagen unter 0,001, was die Sicherheit der Befunde unterstreicht. In den grafischen Darstellungen tauchten deshalb oft drei oder vier Sterne auf – ein Hinweis auf besonders starke Effekte.

Pflanzen reagieren schon nach einer Stunde auf die Wirkstoffe

Um den Schalter besser zu verstehen, setzten die Forscher verschiedene Wirkstoffe ein. So zeigte sich, wie schnell die Zahl der PILS-Proteine schwankt:

  • Bortezomib (40 Mikromol): hemmte das zelluläre Abfallsystem und machte die Proteine schon nach einer Stunde stabiler
  • LS102 (5–10 Mikromol): blockierte das Enzym HRD1 und zeigte einen ähnlichen Stabilisierungseffekt wie Bortezomib
  • Cycloheximid (100 Mikromol): stoppte die Bildung neuer Proteine. Dadurch ließ sich der natürliche Abbau von PILS6 genau verfolgen

Das Ergebnis: Pflanzen reagieren erstaunlich schnell. Schon nach einer Stunde veränderte sich die Menge der Proteine deutlich – ein Beleg für die hohe Flexibilität des Systems.

Genetische Eingriffe bestätigen die Rolle

Auch genetische Experimente bestätigten den Mechanismus. Pflanzen, denen die Gene HRD1A und HRD1B fehlten, entwickelten verkürzte Sprosse. Kombinierten die Forscher diesen Defekt jedoch mit einer Mutation im PILS3-Gen, schwächte sich das Problem wieder ab. Damit wurde klar: Zwischen den Torwächter-Proteinen und der ERAD-Maschinerie besteht ein direkter Zusammenhang.

„Wir schlagen vor, dass die HRD1-abhängige ERAD in Pflanzen über die reine Qualitätskontrolle hinausgeht und das Wachstum durch hormonabhängige Proteinregulation steuert“, heißt es in der Studie. Das bedeutet: Der Wachstums-Schalter funktioniert auch in stabilen Umweltbedingungen – und nicht nur, wenn die Pflanze gestresst ist.

Landwirtschaft darf sich viel erhoffen

Für die Landwirtschaft ist die Entdeckung von großer Bedeutung. Denn wenn es gelingt, den Mechanismus gezielt zu beeinflussen, könnten Nutzpflanzen stabiler auf Klimaschwankungen reagieren.

  • Längere Trockenperioden: Pflanzen könnten Wurzeln tiefer ins Erdreich treiben
  • Extreme Hitze: Wachstum könnte verlangsamt werden, um Energie zu sparen
  • Starkregen oder Überschwemmung: Flexiblere Steuerung schützt vor Überlastung der Zellen

„Niedrige Dosen von Abscisinsäure induzieren selektiv den Abbau von PILS3 in einem ERAD-abhängigen Mechanismus“, schreiben die Autoren. Solche gezielten Eingriffe könnten künftig helfen, Pflanzen noch anpassungsfähiger zu machen – und damit die Landwirtschaft nachhaltiger.

Kurz zusammengefasst:

  • Pflanzen besitzen einen Wachstums-Schalter, der über Proteine (PILS) und das Abbausystem ERAD steuert, ob das Hormon Auxin Wachstum auslöst oder blockiert.
  • Schon kleinste Mengen von Hormonen oder Umweltreizen können diesen Schalter umlegen und so Wurzeln, Sprosse oder die Anpassung an Stress beeinflussen.
  • Die Entdeckung der Universität Freiburg könnte helfen, Nutzpflanzen robuster gegen die Klimakrise und Ernteausfälle zu machen.

Übrigens: Neben dem Wachstums-Schalter aus Freiburg gibt es nun auch Gen-Schalter, die Reifung oder Dürreschutz per Signal steuern. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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