Verkehrslärm reduzieren – Bewusstes Fahren senkt Geräuschpegel um bis zu 30 Prozent

Verkehrslärm gilt als Gesundheitsrisiko. Eine TU-Studie zeigt: Rücksicht am Steuer kann Lärm um bis zu 30 Prozent senken – ganz ohne Technik.

Verkehrslärm reduzieren durch bewusstes Fahren

Ein statisches Hinweisschild am Straßenrand soll im Projekt VELMA dazu beitragen, das Fahrverhalten lärmbewusster zu gestalten. © Andreas Fuchs, AIT

Dröhnen auf der Hauptstraße, Hupen in der Nacht, aufheulende Motoren an der Ampel – für viele Menschen gehört das längst zum Alltag. Doch was viele unterschätzen: Verkehrslärm ist nicht nur lästig, sondern macht krank. Laut der Europäischen Umweltagentur ist jede fünfte Person in Europa dauerhaft gesundheitsschädlichem Lärm ausgesetzt, die WHO spricht sogar von 30 Prozent. Das Risiko für Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlafstörungen steigt – vor allem in städtischen Wohngebieten. Verkehrslärm gilt damit als eines der größten umweltbedingten Gesundheitsrisiken in Europa.

Um ihn zu reduzieren, reichen technische Maßnahmen allein nicht aus. Eine neue Studie der Technischen Universität Berlin zeigt: Auch unser Fahrverhalten hat einen messbaren Einfluss auf die Lautstärke im Straßenraum.

Verhalten am Steuer macht den Unterschied

Im Projekt „VELMA“ haben Forscher der TU Berlin gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology untersucht, wie sich das Fahrverhalten auf die Lärmentwicklung auswirkt. Ihr Fazit: Wer bewusst fährt, kann den Geräuschpegel spürbar senken – ganz ohne neue Technik oder teure Umbauten.

Konkret bedeutet das:

  • Früh hochschalten statt hochtourig fahren
  • Sanft beschleunigen statt auf das Gaspedal treten
  • Hupen vermeiden, wenn es nicht unbedingt nötig ist

Solche einfachen Maßnahmen können den Vorbeifahrtspegel bei Verbrennungsmotoren um bis zu 4,5 Dezibel verringern. Für das menschliche Gehör entspricht das einer Lautstärkereduktion von etwa 30 Prozent. Auch bei Elektroautos waren Unterschiede messbar, wenn auch in kleinerem Ausmaß.

Einzelgeräusche stören stärker als dauerhafter Lärm

In einem Test empfanden die Teilnehmer nicht den gleichmäßigen Straßenlärm als besonders störend, sondern einzelne, auffällige Geräusche. Dazu zählten vor allem aufheulende Motoren, wiederholtes Hupen und laut beschleunigende Motorräder.

Solche Geräusche wirken aggressiv, werden als „näher“ empfunden und steigern die gefühlte Lärmbelästigung deutlich – sogar um 3 bis 4 Dezibel, obwohl die Lautstärke objektiv gleich blieb. Gerade in dicht besiedelten Stadtvierteln machen diese Unterschiede den Alltag spürbar unangenehmer.

Bewusstsein fehlt – obwohl die Folgen bekannt sind

In einer begleitenden Online-Befragung wurden über 400 Personen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Das Ergebnis:

  • Ältere Menschen, Personen mit höherem Bildungsgrad und Stadtbewohner zeigten ein stärkeres Lärmbewusstsein.
  • Wer sich selbst als Lärmverursacher erkennt, verhält sich deutlich rücksichtsvoller.
  • Trotzdem sahen viele die Verantwortung eher bei Politik und Industrie.

„Viele Befragten delegierten die Verantwortung für Lärmschutz eher an Politik oder Verwaltung, obwohl sie die gesundheitlichen Folgen von Lärm kannten“, sagt Cleopatra Moshona, eine der Studienautorinnen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Eco-Driving – also spritsparendes Fahren – ist zwar bekannt, wird aber fast nur aus finanziellen Gründen umgesetzt. Die Verbindung zur Lärmvermeidung stellen nur wenige her.

Statische Schilder wirken besser als Borddisplays

Im Praxistest untersuchten die Forscher, ob Hinweisschilder oder Anzeigen im Auto das Verhalten der Fahrenden beeinflussen. Ergebnis:

  • Ein digitales Lärmdisplay im Fahrzeug, das die eigene Lautstärke anzeigte, hatte keinen Effekt.
  • Statische Hinweisschilder am Straßenrand zeigten dagegen Wirkung: Die Fahrer reduzierten die Drehzahl und fuhren langsamer – wenn auch nur leicht.

Solche kleinen Änderungen können auf längere Sicht helfen, den Lärm in Wohngebieten zu mindern. Frühere Studien belegten bereits eine Reduktion des Umgebungslärms von 0,5 bis 1 Dezibel, wenn solche Schilder eingesetzt wurden.

Im Test zeigt das Lärmdisplay im Auto einer Versuchsperson, wie stark ihr Fahrstil die Umgebung akustisch belastet. © Andreas Fuchs, AIT
Im Test zeigt das Lärmdisplay im Auto einer Versuchsperson, wie stark ihr Fahrstil die Umgebung akustisch belastet. © Andreas Fuchs, AIT

Lärmblitzer deckt Problemfälle auf

Wie groß das Problem tatsächlich ist, zeigt das Berliner Pilotprojekt „Lärmblitzer“. Am Kurfürstendamm wurden über einen Zeitraum von zwei Monaten Fahrzeuge gemessen.

  • Rund 2500 Fahrzeuge überschritten den gesetzlichen Schwellenwert von 82 dB(A).
  • Das entspricht etwa jedem 200. Fahrzeug – bei hohem Verkehrsaufkommen ein deutlicher Wert.

Dr. André Fiebig von der TU Berlin warnt:

Der eigene Beitrag zur Geräuschentwicklung wird von vielen unterschätzt.

Diese Maßnahmen helfen, Verkehrslärm zu verringern

Auf Basis der Erkenntnisse entwickelte das Forschungsteam einen Maßnahmenkatalog. Er kombiniert persönliches Verhalten mit Infrastruktur und politischen Vorgaben. Besonders wirksam ist der Mix aus:

  • Technischen Lösungen (z. B. leisere Fahrzeuge, leisere Straßenbeläge)
  • Bewusstem Fahrstil (z. B. frühes Hochschalten, kein unnötiges Beschleunigen)
  • Rechtlichen Maßnahmen (z. B. Lärmblitzer, Aufklärungskampagnen)

Moshona erklärt: „Unsere Studie zeigt, dass verhaltensbezogene Maßnahmen eine sinnvolle Ergänzung zu klassischen Lärmschutzstrategien darstellen, deren Potenzial bisher nicht ausreichend erschöpft worden ist.“ Wer also Verkehrslärm reduzieren will, sollte nicht nur auf neue Regeln hoffen – sondern auch auf das eigene Verhalten schauen.

Kurz zusammengefasst:

  • Verkehrslärm gefährdet die Gesundheit von Millionen Menschen in Europa – bereits kleine Verhaltensänderungen beim Autofahren können die Lautstärke um bis zu 30 Prozent senken.
  • Wer Verkehrslärm reduzieren will, sollte nicht nur auf Technik setzen, sondern durch ruhiges Beschleunigen, frühes Hochschalten und Verzicht auf Hupen aktiv mithelfen.
  • Die TU Berlin zeigt: Rücksicht am Steuer ist messbar wirksam – laute Einzelgeräusche wie aufheulende Motoren belasten deutlich stärker als gleichmäßiger Verkehrslärm.

Übrigens: Das Auto der Zukunft hört mit – und erkennt Stimmen, Sirenen und sogar spielende Kinder hinter einer Mauer. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Andreas Fuchs, AIT

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