Simulation des Undenkbaren: Atomwinter könnte 90 Prozent der globalen Ernte vernichten
Eine Simulation rechnet vor, wie stark ein Atomkrieg unser Klima, unsere Ernten und die globale Nahrungsmittelsicherheit treffen würde.

In der Simulation diente Mais als Beispiel für die Verwundbarkeit moderner Landwirtschaft – selbst geringere Ernteverluste könnten globale Märkte destabilisieren. © Unsplash
Wenn Städte brennen, bleibt es nicht bei Trümmern und Rauch. In der Atmosphäre lagert sich schwarzer Ruß ab, der das Sonnenlicht verschluckt, die Erde abkühlt und das Gleichgewicht des Klimas aushebelt. Was wie ein düsteres Szenario aus einem Endzeitfilm klingt, haben Wissenschaftler der Pennsylvania State University nun in Zahlen gefasst – und dabei ein besonders empfindliches Glied der globalen Versorgungskette ins Zentrum gerückt: die Landwirtschaft. Im Fokus ihrer Studie steht die Nahrungsmittelsicherheit nach einem Atomkrieg.
Wenn es tatsächlich zu einem nuklearen Schlagabtausch käme, wäre nicht nur das direkte Zerstörungspotenzial verheerend. Auch die langfristigen Folgen für Ernten und Ernährung könnten weltweit Leben kosten.
Nahrungsmittelsicherheit nach Atomkrieg: Forscher warnen vor dramatischem Einbruch
Die Forscher haben untersucht, wie stark ein nuklearer Winter die weltweite Maisernte treffen würde. Dafür spielten sie sechs verschiedene Szenarien durch – von einem kleineren, regional begrenzten Atomkrieg bis hin zu einem globalen Schlagabtausch mit vielen zerstörten Großstädten. In jedem Fall berechneten sie, wie viel Ruß durch die Brände in die Atmosphäre gelangen würde: zwischen 5 und 150 Teragramm.
Schon beim kleinsten Szenario mit 5 Teragramm – etwa bei einem begrenzten Konflikt zwischen zwei Staaten – könnte die globale Maisernte um rund sieben Prozent zurückgehen. Bei einem groß angelegten Atomkrieg mit 150 Teragramm Ruß droht ein Rückgang um bis zu 80 Prozent. Die Folge wäre eine weltweite Hungerkrise.

Weniger Sonne, mehr Kälte: Die Landwirtschaft steht still
Für ihre Berechnungen nutzten die Forscher reale Klimadaten und ein Agrarmodell, das das Wachstum von Nutzpflanzen abbildet. In einem Extremszenario mit 165 Millionen Tonnen Ruß würde sich die Erde um bis zu 15 Grad Celsius abkühlen.
In vielen Regionen gäbe es deutlich weniger Sonnenlicht – bis zu 70 Prozent weniger. Regenzeiten würden kürzer, Böden früher gefrieren, Pflanzen kaum noch wachsen. Unter diesen Bedingungen könnten viele heutige Maissorten nicht überleben.
Zerstörte Ozonschicht: UV-Strahlen schädigen Pflanzen zusätzlich
Ein oft unterschätzter Effekt betrifft die Ozonschicht. Durch die Partikel in der Atmosphäre würde sie großflächig zerstört. Die Folge: Erhöhte UV-B-Strahlung, die Pflanzen zusätzlich belastet. Auch dieser Effekt wurde in die Simulation aufgenommen.
Laut den Berechnungen könnte die verstärkte UV-Belastung die Maisernte noch einmal um bis zu sieben Prozent verringern. In der Summe könnten fast 90 Prozent der Ernte ausfallen – mit katastrophalen Folgen für die Ernährung weltweit.
Anpassung als Ausweg: Neue Sorten könnten helfen
Trotz der düsteren Aussichten sehen die Forscher Möglichkeiten zur Anpassung. Kälteresistente und schnell wachsende Maissorten könnten die Ernteverluste verringern. In den Berechnungen ließ sich so ein Mehrertrag von bis zu zehn Prozent erzielen.
Doch dafür müsste das passende Saatgut schon bereitliegen. Nach einem Atomkrieg wären Transportwege zerstört, Lager unzugänglich. Ohne gezielte Vorbereitung wäre eine Umstellung auf diese Sorten kaum machbar.
Resilienz-Kits: Notfallpakete für die Landwirtschaft
Die Forscher schlagen deshalb sogenannte Resilienz-Kits vor. Diese Pakete enthalten Saatgut für schwierige Bedingungen, einfache Technik und Anleitungen. Ziel ist es, nach einer Katastrophe schnell wieder Anbau betreiben zu können – auch bei Kälte, Lichtmangel und zerstörter Infrastruktur.
Solche Kits müssten schon heute vorbereitet, verteilt und eingelagert werden. Nur dann könnten sie im Ernstfall helfen. Ohne rechtzeitige Vorsorge wären sie nutzlos.
Selbst kleine Ernteausfälle haben große Wirkung
Ein Rückgang von sieben Prozent klingt zunächst überschaubar. Doch auf dem Weltmarkt hätte das erhebliche Auswirkungen. Preise würden steigen, Exporte eingeschränkt, Importe kaum noch möglich. Besonders betroffen wären ärmere Länder.
Auch Deutschland wäre nicht immun. Zwar gäbe es keine sofortigen Engpässe, doch die Lebensmittelpreise würden auch hier drastisch steigen. Menschen mit geringem Einkommen, Pflegebedürftige und Kinder wären dann besonders gefährdet.
Kurz zusammengefasst:
- Ein großflächiger Atomkrieg könnte das Weltklima stark abkühlen und die Maisernte weltweit um bis zu 80 Prozent verringern – die Nahrungsmittelsicherheit wäre akut bedroht.
- Durch zusätzliche UV-B-Strahlung infolge einer zerstörten Ozonschicht könnten bis zu 90 Prozent der Ernte verloren gehen.
- Nur durch rechtzeitige Vorbereitung mit kälteresistenten Sorten und speziellen Resilienz-Kits ließe sich die Versorgung in einer solchen Krise teilweise aufrechterhalten.
Übrigens: Wirtschaftskrisen treffen Kinder oft zuerst – und das nicht nur mit leerem Teller, sondern auch mit zu vielen leeren Kalorien. Warum Mangelernährung längst mehr als Untergewicht bedeutet und wie instabile Einkommen weltweit die Gesundheit von Millionen Kindern gefährden – mehr dazu in unserem Artikel.
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