Sie waren nicht verwandt – DNA-Analysen aus Pompeji widerlegen Geschlechterklischees

Erstmals enthüllen DNA-Analysen aus Pompeji: Geschlechterklischees und Annahmen über familiäre Beziehungen der Opfer werden widerlegt.

Bisher als traditionelle Familie im „Haus des goldenen Armbands“ gedeutet, enthüllen Genanalysen: Es waren Männer, ohne Verwandtschaft.

Bisher als traditionelle Familie im „Haus des goldenen Armbands“ gedeutet, enthüllen Genanalysen: Es waren Männer, ohne Verwandtschaft. © courtesy of Archaeological Park of Pompeii

Pompeji, die berühmte antike Stadt am Fuße des Vesuvs, fasziniert Forscher seit Jahrhunderten. Jetzt sorgt eine neue Studie für Aufsehen: Erstmals konnten Wissenschaftler DNA-Analysen an Knochenfragmenten vornehmen, die in den Gipsabgüssen der Opfer des Vesuvausbruchs 79 n. Chr. enthalten sind. Die Ergebnisse, über die Nature berichtet, stellen bisherige Annahmen über die Identitäten und Beziehungen der Opfer in Frage und überraschen selbst erfahrene Archäologen.

Überraschende DNA-Ergebnisse: Pompeji-Klischees enttarnt

In den letzten Jahrhunderten bauten viele Deutungen der Gipsabgüsse auf äußerlichen Merkmalen und symbolischen Details auf. Ein bekanntes Beispiel war eine Person, die aufgrund eines filigranen goldenen Armreifs für eine Mutter gehalten wurde, die ihr Kind im Arm hält. Die neue DNA-Analyse enthüllt jedoch: Die Person war ein Mann, und es bestand keine familiäre Verbindung zum Kind. David Caramelli von der Universität Florenz betont: „DNA kann die Geschichten oder die Narrative bestimmter Gruppen neu schreiben.“

Diese neuen Erkenntnisse, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Current Biology, zeigen, wie voreingenommen frühere Interpretationen waren. Bisher basierten viele Annahmen auf oberflächlichen Hinweisen – eine Praxis, die nun überholt scheint.

Familienbande hinterfragt

Eine weitere überraschende Entdeckung betrifft zwei Skelette, die in einer scheinbar innigen Pose gefunden wurden. Lange wurde vermutet, dass es sich um Schwestern oder Mutter und Tochter handelte. Doch die genetische Analyse zeigte, dass mindestens eine dieser Personen männlich war. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie unzuverlässig Interpretationen sein können, die allein auf der Position der Funde beruhen. Nature zitiert John Lindo, Anthropologe an der Emory University in Atlanta, der die Studie lobt: „Diese Ergebnisse entlarven die Vorurteile, die ohne wissenschaftliche Basis in die Erzählungen eingeflossen sind.“

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Die Analysen zeigen, dass populäre Darstellungen oft die heutige Wahrnehmung von Familie und Geschlechterrollen spiegeln, weniger aber die Realität der Antike. Die bisherigen Darstellungen der Opfergeschichten dienten häufig dazu, das öffentliche Interesse zu steigern, basierten aber auf vereinfachten Interpretationen.

Abgüsse Nr. 21 und 22 aus dem Haus des Cryptoporticus, Entstehungsdatum 1914. © courtesy of Archaeological Park of Pompeii

Kosmopolitische Wurzeln in Pompeji

Neben den neuen Einblicken in Geschlecht und Verwandtschaft offenbarten die genetischen Untersuchungen auch die vielfältige Herkunft der Einwohner Pompejis. Die untersuchten Skelette stammten überwiegend von Vorfahren aus dem östlichen Mittelmeerraum ab – ein Hinweis auf den kulturellen Austausch und die Rolle Pompejis als Hafenstadt. „Wir wussten es durch Schmuck, Kultgegenstände und Wanddekorationen“, erklärt Steven Ellis von der Universität Cincinnati. „Aber nun bestätigen es auch die DNA-Daten.“ Diese Erkenntnisse unterstreichen den kosmopolitischen Charakter Pompejis und werfen neue Fragen zur Mobilität und Diversität im Römischen Reich auf.

Was du dir merken solltest:

  • DNA-Analysen aus Pompeji zeigen, dass Annahmen über Geschlecht und familiäre Beziehungen der Opfer oft falsch waren und frühere Klischees widerlegen.
  • Ein Beispiel ist eine Person mit goldenem Armreif, die für eine Mutter gehalten wurde, sich aber als Mann ohne Verwandtschaft zum Kind herausstellte.
  • Die Studie bestätigt auch die kosmopolitische Herkunft der Einwohner Pompejis und ihre Verbindungen zum östlichen Mittelmeerraum.

Übrigens: Neue Forschungen belegen, dass nicht nur der Vesuv-Ausbruch, sondern auch Erdbeben entscheidend zum Untergang Pompejis beitrugen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © courtesy of Archaeological Park of Pompeii

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