Trotz Partikelfilter: Autoabgase reagieren mit Licht und Luft – und werden so zur Gesundheitsgefahr
Trotz Partikelfilter können Autoabgase sogenannten sekundären Feinstaub bilden, der erst in der Luft entsteht und tief in die Lunge eindringt.

Autoabgase gelten als gefiltert – doch erst in der Luft entstehen ultrafeine Partikel, die die Lungenzellen schädigen können. © Unsplash
Feinstaub aus Autoabgasen – das klingt nach einem alten Problem. Schließlich filtern moderne Benzinfahrzeuge heute mehr als 90 Prozent der Partikel aus dem Abgas. Doch wer glaubt, dass damit alles sauber und ungefährlich ist, irrt gewaltig. Denn was aus dem Auspuff kommt, ist nur der Anfang. Autoabgase reagieren mit Licht und Luft. Dabei entsteht sekundärer Feinstaub, der tief in die Atemwege gelangt.
Forscher vom Helmholtz Zentrum München und der Universität Rostock haben nun gezeigt, wie diese kaum beachtete Reaktion entsteht und warum sie für die Gesundheit so problematisch ist. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.
Autoabgase verhalten sich anders als gedacht – Feinstaub entsteht erst später
Dafür wurden menschliche Lungenzellen im Labor gezielt belastet – einmal mit frischem Abgas direkt aus dem Auspuff, einmal mit „gealtertem“ Abgas. Letzteres wurde im Labor künstlich verändert, so wie es auch in der Atmosphäre passiert.
Das Ergebnis war alarmierend: Während die frischen Abgase kaum Zellveränderungen verursachten, löste sekundärer Feinstaub massive Schäden aus. Die Zellen reagierten mit oxidativem Stress und sogar mit DNA-Schäden – also Veränderungen im Erbgut.
Rostocker Forschung bringt neue Fakten ans Licht
Dr. Hendryk Czech von der Universität Rostock erklärt: „Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen der Art und Weise, wie wir Fahrzeugemissionen im Labor messen und dem Verhalten dieser Emissionen in der realen Welt.“
Czech warnt davor, sich allein auf Prüfstandwerte zu verlassen. Moderne Partikelfilter in EURO 6d-Fahrzeugen leisten gute Arbeit. Das Problem ist nicht der Filter selbst – sondern das, was später passiert. Denn die eigentliche Gefahr entsteht, wenn die Abgase sich mit Sonnenlicht und Luft vermischen.
Die Folge: Es entstehen neue Partikel, die kleiner, reaktiver und toxischer sind als die ursprünglich gefilterten. Genau diese Partikel haben in den Labortests die Lungenzellen angegriffen.

Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass Partikelfilter allein nicht ausreichen, um Gesundheitseffekte von Verkehrsemissionen zu minimieren.
Dr. Mathilde Noemi Delaval, Helmholtz Zentrum München
Welche Stoffe besonders gefährlich sind
Besonders im Fokus stehen sogenannte aromatische Kohlenwasserstoffe. Diese Verbindungen entstehen bei der Verbrennung von Benzin und reagieren unter Sonneneinstrahlung schnell weiter. Dabei entstehen neue chemische Stoffe, die nicht nur Feinstaub bilden, sondern auch krebserregend wirken können.
Zudem entstehen aggressive Moleküle wie Hydroxylradikale oder Ozon. Diese greifen die chemische Struktur der Abgase an – mit dem Ergebnis, dass hochreaktive Partikel entstehen. Für die Atemwege bedeutet das eine hohe Belastung. Besonders betroffen sind Kinder, Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen oder Herz-Kreislauf-Problemen. Aber auch gesunde Erwachsene spüren die Belastung – etwa in Form von Reizhusten, Müdigkeit oder erhöhter Infektanfälligkeit.
Bisherige Prüfnormen greifen zu kurz
Die aktuellen Emissionsprüfungen auf Rollenprüfständen erfassen nur, was direkt aus dem Auspuff kommt. Die späteren Veränderungen in der Luft – also die Entstehung des gefährlicheren sekundären Feinstaubs – bleiben völlig außen vor.
Dabei wissen Fachleute längst, dass genau diese chemischen Reaktionen einen Großteil der Belastung ausmachen. Doch in den gesetzlichen Normen werden sie bislang nicht berücksichtigt. Die Folge: Fahrzeuge gelten als „sauber“, obwohl ihre Abgase später große Schäden anrichten können.
Was sich jetzt ändern muss
Die Forscher fordern eine neue Form der Emissionsprüfung – eine, die nicht nur die Partikel am Auspuff misst, sondern auch das chemische Potenzial der Abgase bewertet. Insbesondere die Zusammensetzung der Emissionen muss stärker beachtet werden.
Wenn Emissionsgrenzen wirklich schützen sollen, müssen Politik und Industrie umdenken. Denn was heute noch durch alle Tests kommt, kann morgen schon krank machen. Und zwar nicht irgendwo – sondern mitten in unseren Städten, auf unseren Straßen, in unseren Atemwegen.
Kurz zusammengefasst:
- Moderne Autos stoßen dank Partikelfilter weniger direkten Feinstaub aus, doch in der Luft entstehen durch Sonnenlicht neue, unsichtbare Schadstoffe – sogenannter sekundärer Feinstaub.
- Dieser ultrafeine Feinstaub kann tief in die Lunge eindringen, dort Zellen schädigen und langfristige Gesundheitsprobleme verursachen.
- Bisherige Abgasmessungen blenden diese Umwandlung aus – Fachleute fordern realitätsnahe Prüfverfahren, die auch die spätere Schadstoffentwicklung erfassen.
Übrigens: Auch Elektroautos können mehr Feinstaub freisetzen und zwar dann, wenn ihre schweren Batterien den Reifenabrieb erhöhen. Warum Autoabgase nicht das einzige Problem sind, erklärt unser Artikel.
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