Mittelmeer bis zum Grund vermüllt – Plastik erreicht die tiefste Stelle
Unser Plastikmüll hat nun selbst den tiefsten Punkt des Mittelmeers erreicht – Forscher fanden Abfälle im 5.110 Meter tiefen Calypsotief.

Forscher entdeckten in 5.110 Metern Tiefe am Grund des Mittelmeers große Mengen Plastikmüll. Selbst das abgelegenste Meeresbecken bleibt nicht verschont. © Freepik
Ein Becher, eine Tüte, ein Stück Folie – unscheinbare Dinge, die nach einmaligem Gebrauch oft schnell weggeworfen werden. Doch ihr Weg endet nicht zwangsläufig in der Mülltonne. Vieles davon gelangt über Küsten, Flüsse und den Schiffsverkehr ins offene Meer. Wie weit dieser Müll tatsächlich reist, belegt nun eine Untersuchung der Universität Barcelona: Im Calypsotief, dem mit 5.110 Metern tiefsten Punkt im Mittelmeer, stießen Forscher auf eine dichte Ansammlung von Plastikmüll – dort, wo bisher kaum jemand mit menschlichen Spuren gerechnet hatte.
Plastikmüll erreicht selbst die tiefsten Zonen im Mittelmeer
Das Calypsotief liegt rund 60 Kilometer westlich der Peloponnes-Küste. Die Senke ist 20 Kilometer lang und 5 Kilometer breit. Strömungen in diesem Bereich sind schwach – meist unter zwei Zentimeter pro Sekunde. Deshalb sinkt Müll hier ab und bleibt dauerhaft am Boden liegen.
Während eines Tauchgangs sichteten die Forscher tausende Müllteile pro Quadratmeter. Der Meeresboden war auf einer Strecke von über 650 Metern flächendeckend mit Abfall bedeckt.
Nicht ein einziger Zentimeter ist sauber.
Studienautor Miquel Canals
Plastikmüll im Mittelmeer stammt von Schiffen und Küsten
Canals, Professor an der Universität Barcelona, und sein Team fanden Anzeichen auf illegale Entsorgungen durch Schiffe. „Wir haben auch Hinweise auf Boote gefunden, die Müllsäcke abladen“, berichtet er. Neben der Schifffahrt trägt auch der Müll von Landflächen zur Verschmutzung bei.
Plastikabfälle gelangen über Flüsse, Regenwasser oder Wind ins Meer. Manche Reste, etwa Plastiktüten, treiben lange knapp über dem Grund, bevor sie zerfallen oder im Sediment verschwinden. Laut Canals reicht oft schon eine Distanz von 60 Kilometern zwischen Küste und Tiefsee – der Weg ist kurz, die Wirkung gravierend.
Der Alltag lässt Spuren in der Tiefsee
Die meisten Fundstücke waren flexible Kunststoffe, also Reste von Verpackungen, Tüten oder Folien. Daneben lagen auch Glas, Metall und Papier. Die Herkunft lässt sich nur selten eindeutig bestimmen – vieles stammt vermutlich aus Haushalten und von Frachtern oder Kreuzfahrtschiffen.

© University of Barcelona
Problematisch ist vor allem, dass die Tiefsee als Ökosystem besonders empfindlich reagiert. Tiere dort wachsen langsam, Lebensgemeinschaften entwickeln sich über Jahrzehnte. Eine Störung durch Müll kann sie dauerhaft schädigen. Trotzdem landet genau dort immer mehr Abfall.
Die Spur des Mülls von den Küsten bis ins Calypsotief unterstreicht eine einfache Wahrheit: Kunststoffe und andere Abfälle verschwinden nicht, wenn sie weggeworfen werden. Sie werden von Strömungen transportiert, sinken in Etappen ab und sammeln sich letztlich in den entlegensten Tiefen unseres Planeten.
Miquel Canals
Jeder trägt Verantwortung
Das Problem beginnt schon im Umgang mit Müll. Abfälle verschwinden nicht, wenn wir sie wegwerfen. Sie wandern – durch Flüsse, über Küsten, mit dem Wind, durch Schiffsverkehr. Deshalb reicht es nicht, nur Strände zu reinigen.
„Wissenschaftler, Journalisten, Influencer – alle mit einer Plattform – müssen zusammenarbeiten“, fordert Canals. „Das Problem ist gewaltig, auch wenn es nicht direkt sichtbar ist, und wir dürfen es nicht ignorieren.“
Hoffnung auf ein globales Abkommen
Das Mittelmeer gehört zu den am stärksten verschmutzten Meeren der Welt. Schon 2021 registrierten Forscher eine Rekordmenge an Unterwassermüll in der Straße von Messina. Die Besonderheit des Mittelmeers – es ist fast vollständig eingeschlossen – und erschwert dadurch den natürlichen Austausch mit anderen Gewässern. Hinzu kommen Schifffahrt, Tourismus und Bevölkerungsdichte.
Ein UN-weites Plastikabkommen (Global Plastics Treaty) ist in Planung. Es könnte helfen, Müllflüsse international besser zu regulieren. Doch bis das gelingt, liegt es auch an jedem Einzelnen, achtsamer mit Plastik umzugehen. Denn die tiefsten Punkte der Erde erzählen längst von unserem verschwenderischem Konsum.
Kurz zusammengefasst:
- Im Mittelmeer sammelt sich Plastikmüll nicht nur an Stränden, sondern auch in Tiefen von über 5.000 Metern – selbst das entlegene Calypsotief ist über und über mit Abfällen bedeckt.
- Der Müll stammt von Land und aus der Schifffahrt, treibt durch schwache Strömungen ins offene Meer und lagert sich dauerhaft in der Tiefsee ab.
- Forscher der Universität Barcelona warnen: Die langsamen Ökosysteme am Meeresgrund sind besonders anfällig – globale Regeln und weniger Plastik im Alltag sind dringend nötig.
Übrigens: Während im Mittelmeer bereits Müll in über 5.000 Metern Tiefe liegt, verkaufen sich Konzerne mit sogenannten Plastic Credits als umweltbewusst – ohne wirklich etwas zu ändern. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Freepik
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