Keine Spur von Chaos – Bewegungsmeister aus der Tiefe setzen ihre acht Arme genial ein

Oktopusse nutzen ihre acht Arme extrem präzise – vorn zum Greifen, hinten zum Stützen. Eine Studie zeigt, wie koordiniert sie wirklich sind.

Null Chaos: Oktopusse bewegen ihre acht Arme meisterhaft

Ein Oktopus hebt gezielt einen Arm – jede Bewegung sitzt. © Chelsea Bennice / FAU

Wenn ein Mensch zwei Arme gleichzeitig bewegen soll, wird’s schon knifflig. Ein Oktopus hingegen hat acht davon – und nutzt sie mit einer Koordination, die selbst Chirurgen neidisch machen würde. Ob beim Jagen, Bauen oder Tarnen: Die Meeresbewohner beherrschen ihre Gliedmaßen so präzise, dass Forscher nun genauer wissen wollten, wie sie das eigentlich machen – und warum jeder Arm scheinbar mitdenken kann.

Die neue Analyse liefert verblüffende Einblicke in das Bewegungsarsenal der Tiere. Dafür beobachteten Forscher Oktopusse in freier Wildbahn, statt nur im Labor. Und sie fanden heraus: Alle acht Arme sind zwar anatomisch gleich aufgebaut, übernehmen aber je nach Position unterschiedliche Aufgaben.

Vorn wird gefühlt, hinten gestützt

Die Wissenschaftler untersuchten 25 Tiere an sechs verschiedenen Standorten – fünf davon in der Karibik, einer in Spanien. Die Tiere lebten in flachen, gut beleuchteten Küstengewässern, etwa über Sandflächen, Algenfeldern oder Korallenriffen. Ihre Mantellängen lagen zwischen zehn und 17 Zentimetern.

Insgesamt erfassten die Forscher 3.907 einzelne Armbewegungen und 6.781 dokumentierte Verformungen. Dabei zeigte sich ein klares Muster: Die vorderen Arme – also Armpaare 1 und 2 – kamen deutlich häufiger zum Einsatz als die hinteren. Rund 64 Prozent aller Aktionen liefen über die Vorderarme. Sie wurden vor allem zum Erkunden, Greifen und Jagen genutzt. Die hinteren Arme halfen dagegen beim Fortbewegen oder Abstützen.

Oktopus setzt Arme meisterhaft ein: Verhalten folgt einem cleveren System

Die Bewegungen selbst lassen sich auf vier Grundformen zurückführen: Biegen, Strecken, Verkürzen und Verdrehen. Besonders häufig war das Biegen – rund 70 Prozent aller registrierten Verformungen zählten dazu. Das Strecken machte etwa 22 Prozent aus, Verkürzen kam auf sechs Prozent, und Verdrehen wurde mit zwei Prozent vergleichsweise selten beobachtet.

Auch innerhalb des Arms verteilten sich die Bewegungen unterschiedlich. Fast die Hälfte aller Aktionen fand an der Spitze statt, etwa ein Drittel in der Mitte und nur ein Fünftel in dem Bereich nahe am Körper. Entscheidend dabei: Ein einzelner Arm konnte mehrere dieser Bewegungen gleichzeitig ausführen – und das im Zusammenspiel mit anderen Armen.

Präzision statt Lieblingsarm

Dass ein Oktopus bestimmte Arme bevorzugt, konnten die Forscher nicht bestätigen. Linke und rechte Seite wurden fast gleich häufig genutzt – 49 Prozent links, 51 Prozent rechts. „Es gab keine Unterschiede zwischen dem linken und dem rechten Arm“, schreiben die Wissenschaftler. Eine Art „Händigkeit“ wie beim Menschen scheint es also nicht zu geben.

Stattdessen arbeiteten die Arme in Paaren, abgestimmt und koordiniert. Ein Arm greift, ein anderer stützt – oft gleichzeitig, manchmal mit mehreren Bewegungen auf demselben Arm. Gerade beim Jagen oder beim Bauen von Verstecken zeigten die Tiere beeindruckende Kontrolle über ihre Bewegungsvielfalt.

Wie Oktopusse ihre Umgebung nutzen

Insgesamt identifizierten die Forscher 15 verschiedene Verhaltensweisen, die durch die Bewegungen der Arme gesteuert wurden – von Tarnmanövern über Angriffe bis hin zu Fortbewegung oder Nahrungsaufnahme. Besonders eindrucksvoll war dabei der sogenannte „Fallschirm-Angriff“, bei dem der Oktopus seine Arme wie ein Netz über seine Beute stülpt.

Auch für Roboter-Entwickler spannend

Die Ergebnisse dürften nicht nur Biologen interessieren. Denn Oktopusse zeigen, wie sich maximale Beweglichkeit mit minimaler Steuerung kombinieren lässt – ganz ohne zentralen Befehl. „Die Kombination aus Verformungen und Armbewegungen, mit der Oktopusse komplexe Verhaltensweisen umsetzen, zeigt ihre enorme Flexibilität und Koordination.“, heißt es in der Studie.

Diese Prinzipien sind auch für die Technik relevant – etwa bei der Entwicklung weicher, flexibler Roboterarme für Medizin, Rettung oder Industrie. Oktopusse liefern der Forschung ein lebendes Beispiel dafür, wie man auch mit vielen Gliedmaßen den Überblick behält.

Kurz zusammengefasst:

  • Oktopusse setzen ihre acht Arme nicht zufällig ein: Vordere Arme erkunden und greifen, hintere dienen der Fortbewegung und Stabilisierung.
  • Jeder Arm kann alle Bewegungen ausführen – kombiniert aus Biegen, Strecken, Verkürzen und Verdrehen – auch gleichzeitig und unabhängig.
  • Linke und rechte Arme werden gleich häufig genutzt, die Bewegungen sind hochkoordiniert – das macht Oktopusse zu echten Meistern der Bewegungssteuerung.

Übrigens: Auch an Land sorgt die Tierwelt für Überraschungen – dort rütteln Gorilla-Weibchen an alten Vorstellungen von Macht und Hierarchie. Wie sie es schaffen, trotz geringerer Größe Männchen auszustechen, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Chelsea Bennice / FAU

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