Neue Medikamenten-Taxis: Wissenschaftler steuern Mikroalgen wie Roboter durch den Körper

Mit Magnetkraft durch den Körper: Mikroalgen könnten in Zukunft Medikamente direkt ans Ziel bringen.

Mikroalgen

Animierte Darstellung einer magnetisch beschichteten Alge. © MPI-IS / A. Posada

Ein winziger Organismus könnte in Zukunft eine große Rolle in der Medizin spielen: Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) haben Mikroalgen so verändert, dass sie gezielt durch Flüssigkeiten gesteuert werden können. Dazu beschichteten sie die Algen mit magnetischem Material – und stellten fest, dass sie sich trotzdem genauso flink bewegen wie zuvor. Diese Entdeckung könnte den Weg für innovative Anwendungen in der Medizin ebnen, etwa für die gezielte Abgabe von Medikamenten im Körper.

Mikroalgen: Von Natur aus perfekte Schwimmer

Mikroalgen sind winzige, einzellige Lebewesen, die in Wasser leben. Sie bewegen sich mithilfe von zwei feinen, peitschenartigen Anhängseln – den Geißeln. Diese schlagen rhythmisch und treiben die Alge vorwärts, ähnlich wie ein Brustschwimmer sich mit seinen Armen durchs Wasser bewegt.

Die Forscher des Max-Planck-Instituts wollten wissen, ob diese Bewegung erhalten bleibt, wenn man die Mikroalgen mit einer dünnen Schicht magnetischer Nanopartikel überzieht. Denn diese Beschichtung sollte es ermöglichen, sie mit Magnetfeldern gezielt zu steuern. Der Test zeigte: Die Mikroalgen behielten ihre hohe Geschwindigkeit von bis zu 115 Mikrometern pro Sekunde – das entspricht etwa dem Zwölffachen ihrer Körperlänge pro Sekunde. Zum Vergleich: Ein olympischer Schwimmer schafft gerade einmal das 1,4-Fache seiner Körperlänge pro Sekunde.

Mikroroboter mit magnetischer Steuerung

Die Wissenschaftlerinnen Birgül Akolpoglu und Saadet Fatma Baltaci vom MPI-IS haben bereits früher Bakterien untersucht, die sich durch Magnetfelder steuern lassen. Nun testeten sie dasselbe Prinzip bei Mikroalgen. Das Ziel: die Algen so zu verändern, dass sie wie winzige Roboter in beliebige Richtungen gelenkt werden können.

Die Magnet-Beschichtung ließ sich in wenigen Minuten auftragen. Neun von zehn Algen wurden erfolgreich mit den Partikeln überzogen. Anschließend testeten die Forscher, wie sich die Mikroalgen in einer wasserähnlichen Flüssigkeit verhielten. Mithilfe externer Magnetfelder konnten sie die Richtung der Algen gezielt beeinflussen.

Test in engen Kanälen: Präzise Navigation möglich

Um herauszufinden, wie präzise sich die Mikroalgen steuern lassen, schickte das Forschungsteam sie durch winzige, 3D-gedruckte Röhrchen. Diese Kanäle waren nur dreimal so groß wie die Algen selbst – eine echte Herausforderung für die Navigation.

Dafür setzten die Forscher zwei verschiedene Steuerungssysteme ein: eines mit magnetischen Spulen und eines mit Permanentmagneten. Sie erzeugten ein gleichmäßiges Magnetfeld, das sie immer wieder in eine andere Richtung drehten.

„Wir fanden heraus, dass sich die Mikroalgen auf drei verschiedene Arten durch die Kanäle bewegten: Sie kehrten um, durchquerten die Barriere oder nutzten die magnetische Führung, um sich hindurchzubewegen“, erklärte Birgül Akolpoglu. Ohne Steuerung blieben viele Algen stecken und mussten umkehren. Mit Magnetfeld konnten sie gezielt durch die engen Röhren manövrieren.

Wie sich die Mikroalgen in dickflüssigen Flüssigkeiten verhalten

Im nächsten Schritt untersuchten die Forscher, wie sich die Algen in zähflüssigen Substanzen bewegen. Dazu erhöhten sie die Viskosität der Flüssigkeit, sodass sie eine ähnliche Konsistenz wie Schleim hatte – also vergleichbar mit den Bedingungen im menschlichen Körper.

„Wir wollten wissen, wie sich unsere Schwimmer in zähflüssigen Umgebungen verhalten“, erklärte Baltaci. Dabei zeigte sich: Je dickflüssiger das Medium, desto langsamer schwammen die Algen. Ihr Bewegungsmuster veränderte sich – unter magnetischer Steuerung bewegten sie sich in einem Zickzack-Muster vorwärts. Das könnte eine entscheidende Erkenntnis sein, um ihre Navigation für medizinische Anwendungen weiter zu optimieren.

Medizinische Anwendung: Mikroalgen als Medikamenten-Taxi?

Die Forscherinnen sehen großes Potenzial in diesen winzigen Mikrorobotern. In Zukunft könnten sie helfen, Medikamente gezielt an schwer zugängliche Stellen im Körper zu transportieren.

Unsere Erkenntnisse ebnen den Weg für Anwendungen wie präzise Wirkstofffreisetzung. Die Kombination aus biologischer Kompatibilität und magnetischer Steuerung könnte die Zukunft der Biomedizin prägen.

Forschungsteam des MPI-IS

Diese Entdeckung zeigt, dass magnetische Mikroalgen eine neue Möglichkeit bieten, Mikroroboter für medizinische Zwecke zu steuern. Noch sind viele Fragen offen, doch die Forscher sind zuversichtlich: Diese winzigen Helfer könnten eines Tages große Fortschritte in der Medizin ermöglichen.

Kurz zusammengefasst:

  • Forscher des Max-Planck-Instituts haben Mikroalgen mit magnetischen Nanopartikeln beschichtet, sodass sie sich gezielt durch Magnetfelder steuern lassen, ohne ihre Schwimmfähigkeit zu verlieren.
  • In Tests konnten die Mikroalgen enge, 3D-gedruckte Kanäle durchqueren und sich auch in zähflüssigen Substanzen bewegen, wobei ihre Steuerung durch Magnetfelder ihre Navigation deutlich verbesserte.
  • Diese biohybriden Mikroroboter könnten in Zukunft für medizinische Anwendungen genutzt werden, etwa um Medikamente präzise an schwer erreichbare Stellen im Körper zu transportieren.

Bild: © MPI-IS / A. Posada

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