Extremwetter-Kombination hinterlässt messbare Spuren im Gehirn von Babys – schon vor der Geburt

Naturkatastrophen während der Schwangerschaft können Spuren im kindlichen Gehirn hinterlassen – noch vor der Geburt.

Naturkatastrophen hinterlassen Spuren im Gehirn – vor der Geburt

Leiter der Neuroimaging-Forschung bereitet MRT-Gerät für die Untersuchung kindlicher Gehirne vor. © Rebecca M. Lee and Abid Fahim

Was passiert im Körper einer schwangeren Frau, wenn draußen das Wetter verrückt spielt? Wenn der Sturm die Stadt verwüstet und die Hitze auf 40 Grad klettert? Eine neue Studie zeigt, dass solche Extrembedingungen nicht folgenlos bleiben – und zwar nicht nur für die Mutter. Auch das ungeborene Kind bekommt die Belastung zu spüren. In seinem Gehirn hinterlassen Naturkatastrophen Spuren – lange bevor es das Licht der Welt erblickt.

Die Studie stammt vom Graduate Center der City University of New York. Im Mittelpunkt: Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft dem Supersturm Sandy ausgesetzt waren – einem der heftigsten Wirbelstürme der US-Geschichte. Besonders auffällig: Die Kombination aus Sturm und Hitze hat das kindliche Gehirn stärker verändert als eines der Ereignisse allein.

Naturkatastrophen verändern das kindliche Gehirn bereits vor der Geburt

Die Forscher untersuchten das Gehirn von 34 achtjährigen Kindern mit Hilfe von MRT. Elf von ihnen waren im Mutterleib Sandy ausgesetzt, einige zusätzlich extremer Hitze über 35 Grad. Der Vergleich mit nicht betroffenen Kindern zeigt messbare Unterschiede – vor allem in Hirnbereichen, die für Emotionen, Motivation und Verhalten wichtig sind.

Kinder aus der Sandy-Gruppe hatten:

  • ein größeres Volumen im Putamen (steuert Bewegungen und Gewohnheiten)
  • ein größeres Pallidum (wichtig für Antrieb und Motivation)
  • einen vergrößerten rechten Nucleus caudatus (Teil der emotionalen Steuerung)

Besonders deutlich wurde der Effekt, wenn auch extreme Hitze während der Schwangerschaft hinzukam: In diesem Fall war der Nucleus accumbens, zuständig für Belohnungsverarbeitung, deutlich kleiner. Zugleich war das Pallidum auf der linken Seite noch stärker vergrößert – ein Hinweis auf mögliche emotionale Ungleichgewichte.

Besonders die Kombination aus Hitze und Sturm ist gefährlich

Pränatale Belastung durch Sandy beeinflusste der Studie zufolge die Gehirnentwicklung der Kinder. „Extreme Hitze verstärkte dieses Risiko durch Veränderungen in verschiedenen Hirnregionen,“ so die Forscher. Donato DeIngeniis, Hauptautor der Studie, bringt es auf den Punkt:

Die Gehirne dieser Kinder tragen unsichtbare Narben von Naturkatastrophen, die sie nie selbst erlebt haben.

Warum das relevant ist? Weil bedingt durch den Klimawandel Hitzeperioden und Wetterextreme weltweit zunehmen – auch in Deutschland. Und weil schwangere Frauen durch ihre veränderte Thermoregulation besonders empfindlich auf Hitzebelastung reagieren. Damit wird die Klimakrise auch zu einem Risiko für die Gesundheit der nächsten Generation.

Risiko für emotionale Störungen und Verhaltensprobleme steigt

Die betroffenen Hirnregionen spielen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung emotionaler Stabilität. Wenn sich dort das Volumen verändert, kann das langfristige Folgen haben. Frühere Studien zeigen, dass solche Veränderungen:

  • das Risiko für Ängste und Depressionen erhöhen
  • die Impulskontrolle verschlechtern
  • zu Verhaltensauffälligkeiten führen können

Zwar bedeutet ein größeres Hirnareal nicht automatisch etwas Schlechtes – es kann auch eine Anpassung an Stress sein. Doch bei Kindern, die sowohl Hitze als auch Sturm im Mutterleib erlebt haben, scheint das Gleichgewicht im Belohnungs- und Emotionszentrum empfindlich gestört.

Schwangere brauchen mehr Schutz vor extremem Wetter

„Da extreme Wetterereignisse häufiger und intensiver werden, müssen wir auch die unsichtbaren Folgen für kommende Generationen im Blick behalten“, warnt DeIngeniis. Auch Co-Autor Duke Shereen ergänzt:

Das ist nicht nur ein Umweltproblem. Es geht um die neurologische Gesundheit unserer Kinder.

Die Forscher fordern gezielte Schutzmaßnahmen:

  • Kühlräume für Schwangere an heißen Tagen
  • bessere Aufklärung über Risiken
  • mehr Grünflächen und Schatten in Städten
  • soziale Unterstützung für besonders gefährdete Gruppen

Denn besonders in Großstädten verstärken Beton und Asphalt den Hitzeeffekt zusätzlich. Menschen mit geringem Einkommen leiden besonders oft unter fehlender Klimaanlage, kleinen Wohnungen und wenig Rückzugsorten.

Warum die Studie auch für Deutschland wichtig ist

Supersturm Sandy war ein extremes Beispiel. Aber auch hierzulande häufen sich Hitzerekorde, Starkregen und Flutereignisse. Die Studie liefert einen ersten Beleg dafür, dass solche Wetterextreme bereits vor der Geburt Spuren hinterlassen können – im Innersten eines Kindes.

Noch ist die Zahl der untersuchten Kinder klein. Doch die Ergebnisse sind alarmierend. Sie zeigen, wie empfindlich das Gehirn ungeborener Kinder auf Umweltstress reagiert. Und wie wichtig es ist, schwangere Frauen besser zu schützen.

Kurz zusammengefasst:

  • Naturkatastrophen wie extreme Hitze und Stürme in der Schwangerschaft können das Gehirn ungeborener Kinder messbar verändern.
  • Besonders betroffen sind Hirnregionen, die für Emotionen, Motivation und Verhalten zuständig sind – vor allem bei mehrfacher Belastung.
  • Die Studie zeigt: Naturkatastrophen hinterlassen Spuren vor Geburt und erhöhen möglicherweise das Risiko für spätere emotionale oder kognitive Probleme.

Übrigens: Naturkatastrophen treffen nicht nur die nächste Generation im Mutterleib – auch unsere Städte geraten zunehmend unter Druck. Neue Daten zeigen, wie extreme Hitze und Starkregen sich gegenseitig verstärken und ganze Straßenzüge binnen Minuten überfluten können. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Rebecca M. Lee and Abid Fahim

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