Mikroblitze im Wasser: Ist das die wahre Geburtsstunde des Lebens?

Mikroblitze in Wassertröpfchen erzeugen organische Moleküle. Forscher sehen darin eine mögliche Grundlage für die Entstehung des Lebens.

In der Gischt brechender Wellen verbirgt sich mehr als nur Wasser: Winzige Mikroblitze könnten hier einst die Bausteine des Lebens geformt haben.

In der Gischt brechender Wellen verbirgt sich mehr als nur Wasser: Winzige Mikroblitze könnten hier einst die Bausteine des Lebens geformt haben. © Wikimedia

Das Bild von einem gewaltigen Blitz, der in einen Urozean einschlägt und den Funken des Lebens entzündet, ist faszinierend. Doch vielleicht begann alles viel unscheinbarer: mit unzähligen winzigen „Mikroblitzen“, die durch spritzendes Wasser entstanden. Eine neue Studie der Stanford University lässt vermuten, dass kleinste elektrische Entladungen zwischen Wassertropfen möglicherweise die ersten organischen Moleküle hervorgebracht haben. „Mikroelektrische Entladungen zwischen entgegengesetzt geladenen Wassertröpfchen erzeugen alle organischen Moleküle, die bereits im Miller-Urey-Experiment beobachtet wurden“, erklärt der Chemiker Richard Zare.

Wie winzige Wassertröpfchen Energie freisetzen

Wasser verhält sich in Bewegung anders als im Stillstand. Wird es versprüht, zum Beispiel durch Wellen oder Wasserfälle, entstehen Mikrotröpfchen mit unterschiedlichen elektrischen Ladungen. Treffen positiv und negativ geladene Tropfen aufeinander, springt ein winziger Funke – ein Mikroblitz. Dabei entstehen elektrische Felder, die stark genug sind, um chemische Bindungen zu spalten und neue Moleküle zu formen.

Experimente zeigen, dass diese Mikroblitze nicht nur leuchten, sondern auch chemische Reaktionen auslösen. Forscher sprühten Wassertröpfchen in eine Mischung aus Gasen, wie sie auf der jungen Erde existiert haben könnten: Stickstoff, Methan, Kohlendioxid und Ammoniak. Das Ergebnis war erstaunlich: Es entstanden organische Moleküle, darunter Uracil – eine der vier Bausteine von RNA.

Mikroblitze: Eine häufigere und effektivere Energiequelle als Blitze?

Bisher galt das Miller-Urey-Experiment als einer der wichtigsten Hinweise darauf, wie Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Es zeigte, dass Blitze aus anorganischen Stoffen organische Moleküle erzeugen können. Doch Kritiker bemängelten, dass Blitze zu selten sind und sich ihre Energie in den großen Ozeanen zu stark verteilt.

Mikroblitze könnten die Antwort auf dieses Problem sein. Sie entstehen ständig – in Meeresgischt, an Felsklippen, in Wasserfällen oder in feuchter Luft. „Auf der frühen Erde gab es überall Sprühwasser“, erklärt Zare. „Diese Mikroblitze könnten die notwendigen chemischen Reaktionen angestoßen haben.“

Die versteckte Energie des Wassers

Obwohl Mikroblitze mit bloßem Auge kaum sichtbar sind, besitzen sie enorme Energie. Die Forscher filmten das Phänomen mit Hochgeschwindigkeitskameras und maßen die freigesetzten Lichtimpulse. Dabei zeigte sich: Die winzigen Entladungen erzeugen Felder mit einer Stärke von bis zu 8 Milliarden Volt pro Meter – genug, um Moleküle zu ionisieren und neue Verbindungen zu schaffen.

„Wir denken normalerweise, dass Wasser so harmlos ist, aber wenn es in Form kleiner Tröpfchen zerteilt wird, ist Wasser hochreaktiv.“ –  Richard Zare © Do Pham

Diese Entdeckung passt zu früheren Arbeiten des Teams um Zare. Die Forscher haben bereits gezeigt, dass Wassertröpfchen auf unerwartete Weise chemische Reaktionen beschleunigen. „Wir denken meist, dass Wasser eine sanfte, passive Substanz ist“, sagt Zare. „Aber wenn es in winzige Tropfen zerteilt wird, kann es extrem reaktiv sein.“

Diese Erkenntnisse könnten nicht nur erklären, wie sich die ersten organischen Moleküle auf der Erde gebildet haben, sondern auch, wie Leben auf anderen Planeten entstehen könnte. Wo immer Wasser in Bewegung ist, könnte es Mikroblitze geben – und damit die Bausteine für Leben.

Kurz zusammengefasst:

  • Mikroblitze entstehen durch elektrische Entladungen zwischen winzigen Wassertropfen und könnten die ersten organischen Moleküle auf der Erde erzeugt haben.
  • Anders als Blitze treten sie viel häufiger auf, etwa in Meeresgischt oder Wasserfällen, und könnten so kontinuierlich chemische Reaktionen angestoßen haben.
  • Forscher sehen darin eine mögliche Erklärung für die Entstehung des Lebens, da die Mikroblitze ähnliche Moleküle erzeugen wie das Miller-Urey-Experiment.

Übrigens: Nicht nur Mikroblitze könnten das Leben auf der Erde geformt haben – auch Vulkanausbrüche spielten eine wichtige Rolle. Vor 66 Millionen Jahren führten sie erst zu einer globalen Abkühlung, bevor sie das Klima erneut aufheizten und damit das Ökosystem für immer veränderten. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Matthew T Rader via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0

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