KI misst, wie alt wir wirklich sind – Wer biologisch älter ist, hat oft schlechtere Blutwerte

Forscher haben eine KI entwickelt, die im Blut erkennt, wie schnell der Körper altert – und Risiken für Alterskrankheiten sichtbar macht.

KI misst im Blut, wie schnell der Körper biologisch altert

Forscher haben eine neue biologische Uhr entwickelt, mit der sich das tatsächliche Alter des Körpers bestimmen lässt. © Pexels

Nicht jeder Körper altert gleich schnell. Manche Menschen bleiben bis ins hohe Alter erstaunlich gesund, während andere schon in der Lebensmitte mit Bluthochdruck, Diabetes oder Gelenkproblemen kämpfen. Medizinisch lässt sich dieses Ungleichgewicht kaum erklären – das Geburtsdatum sagt wenig darüber, wie alt der Körper wirklich ist.

Jetzt haben Forscher aus Australien, China und Deutschland mithilfe einer KI einen Weg gefunden, das biologische Alter im Blut zu bestimmen. Ihr Ziel: Früh zu erkennen, wenn der Körper schneller altert als erwartet – und damit ein genaueres Bild der individuellen Gesundheit zu gewinnen.

Forscher messen biologisches Alter mit einer neuen KI

Die Studie erschien im Fachjournal Engineering und wurde von der Edith Cowan University in Perth geleitet. Das Team kombinierte zwei Informationsquellen aus dem Blut: Zuckerstrukturen, die an Antikörper gebunden sind (das sogenannte IgG-N-Glykan-Profil), und die Aktivität von Genen in Blutzellen. Beide verändern sich mit dem Alter, aber auf unterschiedliche Weise.

Eine KI namens AlphaSnake verknüpfte diese Signale miteinander und errechnete daraus eine neue Art von „Alterungsuhr“, die die Forscher gtAge nennen. Das Ergebnis ist beeindruckend: Mit dieser Methode ließ sich das tatsächliche Alter der Teilnehmer mit einer Genauigkeit von rund 85 Prozent vorhersagen – genauer als bei jeder bisherigen Einzelmessung.

Eine KI, die das Altern versteht

Das Konzept ist einfach, aber wirkungsvoll. Im Blut stecken Tausende biochemische Hinweise auf die Aktivität des Immunsystems, Entzündungsprozesse und Stoffwechselveränderungen. Diese Prozesse bestimmen, wie schnell der Körper altert. Durch das Zusammenführen beider Datentypen – Zuckerstrukturen und Genaktivität – konnte die KI Muster erkennen, die ein Arzt mit bloßem Auge nie sehen würde.

Co-Autor Dr. Xingang Li erklärt: „Chronologisches Alter beschreibt nur, wie viele Jahre seit der Geburt vergangen sind. Biologisches Alter zeigt, wie alt der Körper wirklich ist – beeinflusst von Lebensstil, Genetik und Krankheit.“

Das Besondere an gtAge ist die Kombination zweier völlig unterschiedlicher biologischer Ebenen. Die KI fand heraus, dass diese Mischung deutlich mehr Informationen über den Alterungsprozess enthält, als wenn man nur einen einzelnen Marker betrachtet.

Wer biologisch schneller altert, verrät das oft zuerst in seinen Laborwerten

Die Forscher untersuchten Blutproben von 302 Erwachsenen zwischen 46 und 66 Jahren aus der „Busselton Healthy Ageing Study“ in Westaustralien. Sie verglichen das von der KI geschätzte biologische Alter mit dem tatsächlichen Lebensalter. Besonders interessant war der Unterschied zwischen beiden Werten – die sogenannte Delta-Age, die zeigt, ob ein Körper biologisch jünger oder älter ist, als es das Geburtsdatum vermuten lässt.

Wer biologisch älter wirkte, hatte häufig auch ungünstige Blutwerte:

  • Niedrigeres HDL-Cholesterin („gutes“ Cholesterin)
  • Höheren Blutzucker und HbA1c-Wert
  • Erhöhte Triglyceride und LDL-Cholesterin („schlechtes“ Cholesterin)

Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, dass die KI-Uhr nicht nur das Alter schätzt, sondern auch frühe Warnzeichen für Stoffwechsel– oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen erkennen kann.

Kurz gesagt: Wer biologisch schneller altert, zeigt das oft auch in seinen Laborwerten – lange bevor Beschwerden auftreten.

Warum das Immunsystem den Takt vorgibt

Ein auffälliger Befund der Studie betrifft das Immunsystem. Viele der Gene und Zuckerstrukturen, die besonders stark mit dem Alter verknüpft waren, stehen im Zusammenhang mit Entzündungsprozessen. Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von „Inflammaging“ – einer schleichenden, dauerhaften Entzündungsaktivität, die mit zunehmendem Alter immer häufiger wird und viele typische Alterserkrankungen begünstigt.

So zeigen bestimmte Zuckerreste an Antikörpern, ob das Immunsystem gerade „aktiviert“ ist. Wenn diese Zuckerstrukturen abnehmen, wirkt der Körper älter – unabhängig vom Geburtsdatum. Die Forscher fanden zudem Hinweise auf Signalwege, die natürliche Killerzellen und Immunbotenstoffe steuern – ebenfalls zentrale Schaltstellen des Alterungsprozesses.

Biologisches Altern ist messbar – aber noch kein Test für die Praxis

So spannend das klingt: Noch ist gtAge ein Forschungsinstrument, kein Bluttest für die Hausarztpraxis. Das Verfahren ist komplex, teuer und muss erst in größeren Studien überprüft werden. Die untersuchte Gruppe war relativ klein und ethnisch homogen. Auch fehlen Langzeitdaten, um sicher zu sagen, ob ein „höheres Delta-Age“ tatsächlich mit mehr Krankheitsrisiken oder kürzerer Lebenserwartung einhergeht.

Trotzdem eröffnet die Studie neue Möglichkeiten. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, könnten Menschen in Zukunft ihr biologisches Altern regelmäßig überwachen – ähnlich wie heute Cholesterin oder Blutdruck. Schon kleine Veränderungen im Lebensstil könnten sich dann messbar im biologischen Alter niederschlagen.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine neue KI kann das biologische Alter im Blut bestimmen – und zeigt genauer als herkömmliche Tests, wie gesund der Körper wirklich ist.
  • Die Forscher kombinierten dazu Genaktivität und Zuckerstrukturen an Antikörpern. Ihre sogenannte Alterungsuhr „gtAge“ konnte das tatsächliche Alter der Studienteilnehmer mit rund 85 Prozent Genauigkeit vorhersagen.
  • Menschen mit einem biologisch älteren Blutprofil hatten häufig ungünstigere Werte bei Cholesterin, Blutzucker und Triglyceriden – ein Hinweis, dass sich beschleunigtes Altern früh in den Laborwerten zeigt.

Übrigens: Forscher der Osaka University verfolgen einen ganz anderen Ansatz – ihre KI misst das biologische Alter nicht über Gene, sondern über Hormone. Fünf Tropfen Blut genügen, um zu zeigen, wie sehr Stress, Schlaf und Stoffwechsel das Altern beschleunigen können – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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