Bis zu 30-mal giftiger als in München – Kältewelle macht die Luft in Neu-Delhi zu einem toxischen Mix

In Neu-Delhi verschärft eine Kältewelle den Smog. Die Feinstaubbelastung liegt derzeit bis zu 30-mal höher als in München.

Dichter Smog über Neu-Delhi

Dichter Smog über Neu-Delhi: Eine ungewöhnlich starke Kältewelle verschärft die Luftverschmutzung – Feinstaubwerte liegen bis zu 30-mal über Münchens Niveau. © Pexels

In Deutschland gilt die Silvesternacht als der Tag mit der höchsten Feinstaubbelastung des Jahres – wenn Raketen und Böller die Luft mit Rauch und Metallpartikeln füllen. Dann klettert der Feinstaubwert (PM₂.₅) kurzzeitig auf etwa 100 bis 150 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. An normalen Tagen liegt er in München bei rund 10 bis 20 µg/m³ – Werte, die als unbedenklich gelten.

In Neu-Delhi dagegen herrschen derzeit über 200 µg/m³, teils sogar mehr als 300 µg/m³ – und das über Wochen hinweg. Was in Deutschland ein Ausnahmezustand von wenigen Stunden ist, ist dort Dauerbelastung. Die indische Hauptstadt steckt in einer dichten Smogschicht, die durch eine ungewöhnlich starke Kältewelle noch verschärft wird. Beides hängt direkt zusammen.

Winter + Inversion = toxischer Mix

Im Winter kühlt die Luft im Norden Indiens stark ab. Direkt über der kalten Bodenschicht bildet sich eine wärmere Luftschicht – Meteorologen sprechen von einer Temperaturinversion. Diese wirkt wie ein Deckel: Schadstoffe, die sonst durch aufsteigende warme Luft verteilt würden, bleiben am Boden gefangen.

Fehlt dazu Wind oder Regen, wird der Effekt noch stärker. Die kalte, schwere Luft bewegt sich kaum, Partikel werden nicht ausgewaschen und sammeln sich in Bodennähe. Innerhalb weniger Tage entsteht so eine dichte Smogdecke – ein Gemisch aus Feinstaub, Ruß, Schwefel- und Stickoxiden.

Kältewelle als Verstärker

Die aktuelle Kältewelle verschärft die Situation zusätzlich. Wenn die Temperaturen nachts in den einstelligen Bereich fallen, heizen viele Haushalte mit Holz, Kohle oder Biomasse. Auch Müllverbrennung nimmt zu. Diese zusätzlichen Emissionen gelangen in eine Atmosphäre, die kaum Luftaustausch zulässt – der Schadstoffgehalt steigt sprunghaft an.

Laut Times of India lag der Air Quality Index (AQI) zuletzt bei Werten zwischen 350 und 400, in einigen Stadtteilen wie Anand Vihar oder Ghaziabad sogar über 450 – das entspricht der Kategorie „gefährlich“. Zum Vergleich: Ein AQI von unter 50 gilt als unbedenklich.

Dauerbelastung statt Ausreißer

Das Phänomen wiederholt sich jedes Jahr. Neben Verkehr und Industrie tragen auch landwirtschaftliche Brände in den Nachbarstaaten Punjab und Haryana dazu bei. Nach der Ernte werden dort Stoppelfelder abgebrannt, deren Rauch über hunderte Kilometer nach Delhi zieht.

Diese Emissionen treffen auf die winterliche Inversionswetterlage und bleiben in der Stadt gefangen. Hinzu kommt die geografische Lage Neu-Delhis: Die Metropole liegt in einer flachen Senke, was den Luftaustausch zusätzlich behindert. Selbst bei leichtem Wind bleibt die verschmutzte Luft oft tagelang stehen.

Gesundheitsrisiko für Millionen Menschen

Die Folgen sind gravierend. Rund 30 Millionen Menschen im Großraum Delhi atmen regelmäßig Luft, die weit über den WHO-Grenzwerten liegt. Ärzte berichten von einer Zunahme von Asthmaanfällen, chronischen Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen. Kinder und ältere Menschen sind besonders gefährdet.

Eine 2024 veröffentlichte Studie zeigt, dass hohe Feinstaubwerte in Indien das Risiko für vorzeitige Todesfälle deutlich erhöhen – betroffen sind Neugeborene, Kinder und Erwachsene. Nach Daten des Air Quality Life Index 2025 verkürzt Luftverschmutzung in Regionen wie Neu-Delhi die Lebenserwartung um mehrere Jahre.

Laut einer Analyse von 2023 war in der Hauptstadt fast jeder siebte Todesfall auf verschmutzte Luft zurückzuführen.

Notfallmaßnahmen reichen nicht

Die Behörden reagieren mit kurzfristigen Maßnahmen: Schulen werden geschlossen, Bauarbeiten gestoppt, Lkw-Fahrten eingeschränkt. Diese Schritte senken kurzfristig die Belastung, lösen aber das strukturelle Problem nicht: Die Kombination aus Emissionen, Kälte und Inversion bleibt bestehen.

Umweltorganisationen fordern seit Jahren langfristige Strategien: strengere Emissionsgrenzen für Fahrzeuge und Industrie, den Ausbau sauberer Heiztechnologien und ein Ende der Feldverbrennung. Einige Programme zur Wiederverwertung landwirtschaftlicher Abfälle laufen bereits, doch sie erreichen die Landwirte bislang nur unzureichend.

Der Winter als Dauerproblem

Nach Einschätzung indischer Klimaforscher könnte sich die Situation künftig sogar verschärfen. Längere Kälteperioden und geringere Windgeschwindigkeiten begünstigen stabile Inversionslagen. Gleichzeitig wächst der Energiebedarf der Metropole weiter.

Kältewellen und Smog sind deshalb keine getrennten Ereignisse, sondern zwei Seiten derselben Krise: Die kalte Luft hält die Schadstoffe fest, und je länger sie bleibt, desto giftiger wird sie.

Kurz zusammengefasst:

  • In Neu-Delhi liegt die Feinstaubbelastung im Winter bei über 200 bis 300 µg/m³ PM₂.₅ – das ist bis zu 30-mal höher als in München und macht die Luft giftig.
  • Kältewellen und Temperaturinversionen verhindern, dass sich Schadstoffe verteilen, und lassen Smog tagelang über der Stadt stehen.
  • Laut aktuellen Studien verkürzt die verschmutzte Luft die Lebenserwartung in Neu-Delhi um mehrere Jahre; fast jeder siebte Todesfall steht mit ihr in Verbindung.

Übrigens: Der Rückgang der Luftverschmutzung in China hat einen unerwarteten Nebeneffekt – er beschleunigt die Erderwärmung. Warum saubere Luft den Planeten kurzfristig stärker aufheizt, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert