Von der Petrischale auf den Grill – Gezüchtetes Fleisch wird immer besser

Gezüchtetes Fleisch wird zur Steak-Alternative: Im Labor wächst Muskelfleisch, das aussieht, schmeckt und wirkt wie Rind – ganz ohne Schlachtung.

Gezüchtetes Fleisch wird zur echten Steak-Alternative: Im Labor wächst Muskelfleisch, das aussieht, schmeckt und wirkt wie Rind – ganz ohne Schlachtung.

Die ETH Zürich untersucht, wie gezüchtetes Fleisch mithilfe spezieller Zellkulturen die Struktur und Funktion von echtem Rind immer besser nachbildet. © DALL-E

In einem Labor der ETH Zürich wächst etwas heran, das auf den ersten Blick aussieht wie ein gewöhnliches Stück Fleisch. Doch statt auf einer Weide entstand es unter kontrollierten Bedingungen – Zelle für Zelle, Schicht für Schicht. Kein Tier musste dafür geschlachtet werden, kein Stall wurde benötigt. Was hier entsteht ist gezüchtetes Fleisch – und es kommt dem Original inzwischen überraschend nahe.

Grundlage ist eine neue Zelltechnik, mit der Muskelzellen aus dem Rind so wachsen, dass sie echte Fleischstruktur entwickeln. Die Forschungsergebnisse wurden nun in einer umfassenden Studie veröffentlicht und könnten den Weg für eine nachhaltigere Fleischproduktion ebnen.

Muskelzellen als Grundlage für gezüchtetes Fleisch

Verwendet werden sogenannte Myoblasten – Zellen, die sich zu Muskelfasern entwickeln. Das Team isolierte sie aus vier handelsüblichen Rindfleischstücken: Filet, Hüfte, Bäckchen und Bauch. Alternativ ließen sich die Zellen auch schmerzfrei aus einer lebenden Kuh gewinnen. Diese Muskelvorläufer dienen als Ausgangspunkt für die Zucht im Labor.

Mit herkömmlichen Methoden wuchsen zwar Muskelfasern heran, blieben jedoch dünn und wenig belastbar. Für die Herstellung strukturierter Fleischstücke waren sie ungeeignet. Deshalb suchte das Team nach besseren Bedingungen – und fand sie in einer speziellen Molekülkombination.

Drei Wirkstoffe verbessern das Zellwachstum deutlich

Die Forscher haben zwei besondere Nährlösungen entwickelt: iFRC und iFRhi. Beide enthalten drei kleine Wirkstoffe, die das Wachstum der Muskelzellen gezielt anregen: Förskolin, RepSox und CHIR99021. Die Zusammensetzung ist dabei unterschiedlich:

  • iFRC enthält je 5 Mikrogramm pro Milliliter Förskolin und RepSox sowie zusätzlich CHIR99021.
  • iFRhi enthält von Förskolin und RepSox jeweils die vierfache Menge, aber kein CHIR99021.

Mit beiden Lösungen wuchsen die Muskelfasern im Labor kräftiger und stabiler als bisher – und sie waren sogar in der Lage, sich zusammenzuziehen. Im 3D-Versuch bildeten sich ringförmige Muskelstrukturen, die sich wie echtes Muskelgewebe bewegten.

Laborzellen nähern sich dem natürlichen Fleisch

Die Ähnlichkeit der gezüchteten Zellen zu echtem Muskelgewebe wurde mit modernster Technik überprüft. Das Team analysierte dafür 47.253 Einzelzellen – 27.346 davon aus dem Labor, 19.907 aus tierischem Gewebe. Die Korrelation zwischen den iFRC-Zellen und natürlichen Muskelzellen lag bei 0,8 – ein deutlich besserer Wert als bei bisherigen Verfahren.

Mit der neuen Methode entstanden deutlich größere und aktivere Muskelfasern als zuvor. Diese Fasern ähnelten echten Muskelzellen aus einem lebenden Tier nicht nur äußerlich, sondern auch im inneren Aufbau. Sie enthielten typische Eiweiße, wie sie auch im echten Rindfleisch vorkommen – darunter MYH1, MYH2 und MYH4.

Neue Zelltypen liefern festere Struktur

Besonders bemerkenswert: Unter iFRC entstand eine Zellpopulation namens dSMCs1, die reifen Muskelzellen im Tier sehr ähnlich ist. Diese Zellen könnten entscheidend sein für die Herstellung von Laborfleisch mit echter Steakstruktur – nicht nur für Hackfleisch.

Im 3D-Modell zeigte sich zudem eine stärkere Verdichtung der Muskelfasern. Die Gewebestruktur wirkte robuster und gleichmäßiger – entscheidend für den typischen Biss und eine saftige Konsistenz beim Braten.

Schneller, effizienter und umweltfreundlicher

Die neue Methode ist nicht nur effektiver, sondern auch effizienter. Die Muskelfasern wachsen schneller und gleichmäßiger, was die Produktionszeit deutlich verkürzt. Fleischstücke könnten in wenigen Wochen entstehen – unabhängig von Weidefläche, Futter und Aufzucht. Die Studienautoren schreiben:

Die Erkenntnisse könnten zu einem wertvollen Schritt hin zu nachhaltiger kultivierter Fleischproduktion beitragen.

Klassische Viehzucht ist energieintensiv, verursacht hohe Emissionen und benötigt enorme Mengen Wasser und Fläche. Laborfleisch könnte hier eine ressourcenschonende Alternative bieten.

Weniger Tierleid, gleichbleibender Genuss

Fleisch aus Zellkulturen löst viele weitere Probleme: Es reduziert Methanemissionen, spart Antibiotika und vermeidet Massentierhaltung. Gleichzeitig muss auf vertraute Fleischgerichte wie Burger, Frikadellen oder Filet nicht verzichtet werden.

In Singapur und den USA ist kultiviertes Fleisch bereits zugelassen. In Europa fehlen bisher gesetzliche Regelungen. Sollte sich das ändern, könnten Laborsteaks bald auch hier in den Handel kommen – günstiger, nachhaltiger und ohne Schlachtung.

Kurz zusammengefasst:

  • Gezüchtetes Fleisch entsteht aus Muskelzellen, die in speziellen Nährlösungen wachsen und sich unter bestimmten Wirkstoffen zu stabilen, kontraktionsfähigen Muskelfasern entwickeln.
  • Die neue Methode nutzt drei kleine Moleküle, mit denen sich die Struktur, Funktion und Reife der Muskelzellen stark verbessern lassen – bis hin zur Ähnlichkeit mit echtem Rindfleisch auf zellulärer Ebene.
  • Laborfleisch könnte in Zukunft Fleischkonsum nachhaltiger machen, da es Emissionen, Ressourcenverbrauch und Tierleid verringert – bei gleichem Geschmack und gleicher Textur.

Übrigens: Allein Hunde und Katzen könnten durch vegane Ernährung jährlich 660 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Wie das funktionieren soll und ob tierfreie Kost überhaupt gesund für Haustiere ist – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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