Flüsse speichern seit Milliarden Jahren CO2 – ihre Rolle fürs Klima ist größer als gedacht
Flüsse binden seit Milliarden Jahren CO2 in ihren Auen. Neue Stanford-Erkenntnisse erfordern eine Anpassung der Klimamodelle.

Flüsse zählen zu den ältesten CO2-Speichern unseres Planeten. Ihre Dynamik und Auen leisten seit Milliarden Jahren einen entscheidenden Beitrag fürs Klima. © M. Hasson und M. Lapôtre
Wenn Flüsse über die Ufer treten, entstehen fruchtbare Auen. Sie gelten als Lebensräume von großer Vielfalt – und als gewaltige Speicher für Kohlenstoff. Eine neue Studie der Stanford University kommt zu dem Schluss, dass Flüsse diese Funktion schon seit Milliarden Jahren übernehmen, deutlich länger als bisher angenommen. Für die Klimaforschung ist das bedeutsam: Klimamodelle müssen angepasst werden, weil Flüsse als CO2-Speicher bisher unterschätzt wurden.
Alte Lehrmeinung gerät ins Wanken
Über Jahrzehnte herrschte eine feste Vorstellung: Bevor vor rund 425 Millionen Jahren die ersten Landpflanzen wuchsen, verliefen Flüsse meist in vielen einzelnen Armen nebeneinander. Diese verflochtenen Wasserläufe änderten ständig ihre Richtung und suchten sich neue Bahnen. Erst die Wurzeln der Pflanzen hätten demnach die Ufer stabilisiert und damit ermöglicht, dass Flüsse in großen Bögen mäandrieren.
Dieses Bild stimmt laut der Studie so nicht. „Mit unserer Studie stellen wir die weit verbreitete Ansicht in Frage, wie die Landschaften aussahen, als die Pflanzen erstmals an Land entstanden sind“, erklärt Studienautor Michael Hasson. „Wir schreiben die Geschichte der Beziehung zwischen Pflanzen und Flüssen neu, was das Verständnis der Erdgeschichte erheblich verändert.“
Satellitenbilder decken den Irrtum auf
Für ihre Arbeit untersuchten die Forscher 49 heutige Flüsse mit insgesamt 4.500 Flussbiegungen. Etwa die Hälfte dieser Flüsse hatte kaum Vegetation an den Ufern, die andere Hälfte war dicht oder teilweise bewachsen.
Das Ergebnis war eindeutig: Auch Flüsse ohne Pflanzen mäandrieren. Ihre Sedimentablagerungen sehen im Gesteinsarchiv jedoch täuschend ähnlich aus wie die von verflochtenen Flüssen. Genau das führte in der Vergangenheit zu Fehlinterpretationen. „In unserer Arbeit zeigen wir, dass die bisherige Schlussfolgerung – die bis heute in allen Geologie-Lehrplänen gelehrt wird – höchstwahrscheinlich falsch ist“, sagt Seniorautor Mathieu Lapôtre.

Pflanzen verstärken die Ausformung, aber sie sind nicht die Ursache
Die Analyse ergab, dass Pflanzen die Dynamik von Flüssen zwar deutlich beeinflussen. Sandbänke in Flussbiegungen wandern mit Vegetation häufiger seitlich, ohne Bewuchs dagegen flussabwärts. Laut den Forschern führt Bewuchs zu einer 62 Prozent höheren Variabilität der Strömungsrichtungen – ein Faktor, der Mäander noch stärker ausprägt.
Doch das Grundmuster war auch ohne Pflanzen vorhanden. Mäandernde Flüsse sind also keine Erfindung der jüngeren Erdgeschichte, sondern begleiteten die Erde seit Milliarden Jahren.
Klimamodelle müssen angepasst werden – Flüsse als unterschätzte CO2-Speicher
CO2 gilt als wichtigstes Treibhausgas der Erde. Seine Konzentration in der Atmosphäre steuert wie ein Thermostat die Temperatur des Planeten über Jahrmillionen. Flüsse mit ihren Auen binden enorme Mengen dieses Gases und entziehen es so der Luft. Wenn sich nun herausstellt, dass Flüsse diese Funktion schon seit Milliarden Jahren übernehmen, dann verändern sich die Grundlagen, auf denen Klimamodelle bisher beruhen.
Viele Rekonstruktionen früherer Klimaschwankungen müssen neu bewertet werden, weil die Rolle von Flussauen als CO2-Speicher bislang unterschätzt wurde. Das hat Folgen bis in die Gegenwart, denn nur mit präzisen Basismodellen lässt sich zuverlässig abschätzen, wie stark sich die Erde durch den menschengemachten Treibhauseffekt weiter erwärmen wird.
Warum das für die Gegenwart wichtig ist
Die Ergebnisse sind nicht nur von historischem Interesse. Auch heute übernehmen Flussauen eine Schlüsselrolle im Klimaschutz. Werden Flüsse begradigt, eingedeicht oder ihre Auen überbaut, geht diese Speicherleistung verloren. Das bedeutet, dass mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Konkret heißt das:
- Intakte Auen wirken als natürliche CO2-Speicher und entlasten die Atmosphäre.
- Begradigte oder verbaute Flüsse verlieren diese Funktion und tragen zur Erwärmung bei.
- Der Schutz von Flusslandschaften ist daher nicht nur ökologisch wertvoll, sondern entscheidend für die Klimapolitik.
Kurz zusammengefasst:
- Flüsse speichern seit Milliarden Jahren CO2 in ihren Auen – viel länger, als bisher angenommen.
- Die Stanford-Studie widerlegt die alte Annahme, dass erst Landpflanzen mäandrierende Flüsse und damit große CO2-Speicher ermöglichten.
- Diese Erkenntnis erfordert eine Anpassung der Klimamodelle, da Flussauen als entscheidende CO2-Speicher für Vergangenheit und Gegenwart berücksichtigt werden müssen.
Übrigens: Wo heute Wüste ist, füllten einst Regenmassen in der Sahara riesige Kraterseen. Die Spuren im Tibesti-Gebirge liefern ein eindringliches Warnsignal für unser Klima – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © M. Hasson und M. Lapôtre