So fragil ist das Klimasystem Meer: Wenn ein Element fehlt, kippt die CO2-Bindung
Eisen ist entscheidend für das Planktonwachstum im Meer – und damit für die CO2-Aufnahme. Neue Daten zeigen die Verletzlichkeit des Systems.

Sedimentkerne aus dem Pazifik zeigen, dass Eisen im Südpazifik ein limitierender Nährstoff ist und die Rolle der Ozeane im Klimasystem mitbestimmt. © Unsplash
Die Ozeane sind die größte CO2-Senke der Erde – doch wie gut sie funktioniert, hängt von einem wichtigen Spurenelement ab: Eisen. Es bestimmt, wie viel Kohlendioxid winzige Algen im Meer aufnehmen können. Ein Forschungsteam der University of Hawai‘i at Mānoa hat in einer aktuellen Studie gezeigt, wie sich die Eisenquellen im Südpazifik über 93 Millionen Jahre verschoben haben – mit Folgen für die CO2-Bindung, das Planktonwachstum und die Artenzusammensetzung im Meer.
Phytoplankton entzieht der Luft Kohlendioxid und bindet es im Meer. Damit wirkt es wie ein natürlicher Klimapuffer. Doch in vielen Regionen des Südpazifiks fehlt dem Plankton Eisen – das Wachstum bleibt begrenzt, die CO2-Aufnahme ebenfalls.
Mehr Staub als je zuvor – doch er bringt kaum etwas
Früher stammte das meiste Eisen aus dem Meeresboden. Heiße Quellen entlang der mittelozeanischen Rücken transportierten es direkt ins Wasser. Heute spielt der Untergrund kaum noch eine Rolle. Stattdessen bringt der Wind eisenhaltigen Staub aus Australien und Südamerika in die Region – über Tausende Kilometer hinweg.
Die Daten überraschen: Obwohl der Südpazifik zu den eisenärmsten Gebieten der Welt zählt, gelangt heute mehr eisenhaltiger Staub dorthin als in jedem anderen Zeitraum der letzten 90 Millionen Jahre.
Die Ursachen:
- Ausgedehnte Trockenzeiten und Winderosion
- Abholzung, Brände und degradierte Böden
- Industrielle Emissionen mit Feinstaubpartikeln
Doch die Menge allein genügt nicht. Ein Großteil des Eisens ist chemisch stabil – es löst sich schlecht im Wasser und steht dem Plankton kaum zur Verfügung. Entscheidend ist also nicht nur, wie viel, sondern in welcher Form das Eisen ankommt.
Was Sedimentkerne zeigen – und warum das wichtig ist
Das Team untersuchte 157 Sedimentproben aus drei Tiefsee-Bohrkernen im Südpazifik. Die Analysen zeigen, wie sich die Eisenquellen im Lauf der Erdgeschichte verändert haben. Insgesamt identifizierten die Forscher fünf Hauptquellen:
- Staub aus der Atmosphäre
- Zwei unterschiedliche hydrothermale Systeme
- Vulkanasche
- Ferne ozeanische Eisenlieferanten
Seit etwa 30 Millionen Jahren überwiegt der Staubeintrag. Zuvor dominierten Quellen aus der Tiefe. Dieser Wandel beeinflusst nicht nur die Planktonzusammensetzung – sondern auch, wie effizient der Ozean Kohlendioxid aufnehmen kann.

Wer mit wenig auskommt, setzt sich durch
Wenn Eisen knapp ist, profitieren vor allem Arten, die damit gut haushalten können. Besonders erfolgreich: Diatomeen, also Kieselalgen, die Eisen effizient aufnehmen und speichern. In den vergangenen 30 Millionen Jahren haben sie andere Gruppen wie die Radiolarien nach und nach verdrängt. „Diatomeen ersetzten Radiolarien als dominierende kieselhaltige Organismen“, schreiben die Forscher.
Solche Verschiebungen wirken nicht nur auf die Artenvielfalt, sondern auch auf den Kohlenstoffkreislauf. Denn jede Planktonart speichert CO2 auf andere Weise – und mit unterschiedlicher Effizienz.
In der Tiefe fehlen Millionen Jahre – und das aus gutem Grund
Beim Bohren im Meeresboden stießen die Forscher auf mehr als nur Eisenoxide: In den Sedimentkernen klaffen auffällige Lücken. In einem Fall fehlen fast 30 Millionen Jahre. Der Grund: Im Südpazifik lagerte sich über lange Zeit kaum Sediment ab. Eisenhaltiger Staub oder Vulkanauswurf erreichte die Region entweder nicht – oder wurde wieder abgetragen, bevor er sich absetzen konnte.
Solche geologischen Auslassungen sind mehr als ein Randphänomen. Sie zeigen, wie extrem nährstoff- und produktionsarm manche Meeresgebiete über Millionen Jahre hinweg waren. In diesen „leeren Zeiten“ wuchs kaum Plankton, wurde kaum CO2 gebunden – und das Meer verlor seine Funktion als CO2-Speicher fast vollständig.
Kurz zusammengefasst:
- Der Kreislauf von Eisen in den Ozeanen beeinflusst direkt das Klima, weil das Spurenelement das Wachstum CO2-bindender Meeresalgen steuert.
- Früher gelangte Eisen aus heißen Quellen in die Tiefsee, heute kommt es als Staub über die Luft – zunehmend durch menschliche Einflüsse.
- Die Forscher zeigen: Selbst kleinste Veränderungen im Eisenangebot verändern die Artenzusammensetzung im Meer und die Fähigkeit des Ozeans, CO2 aus der Atmosphäre zu binden.
Übrigens: Im Nordpazifik beschleunigt sich die Ozeanversauerung unterhalb der Oberfläche deutlich stärker als erwartet – mit Folgen für Plankton, Fischerei und den Klimapuffer Meer. Mehr dazu in unserem Artikel.
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