Durchhalten oder aufgeben? Wie unser Gehirn bei schwierigen Aufgaben entscheidet

Neurowissenschaftler haben entdeckt, wie Neuronen im Gehirn entscheiden, ob wir bei einer Aufgabe durchhalten, neue Wege suchen oder aufgeben.

Im Gehirn entscheiden Neuronen, ob wir bei einer Herausforderung durchhalten oder aufgeben. © Pexels

Im Gehirn entscheiden Neuronen, ob wir bei einer Herausforderung durchhalten oder aufgeben. © Pexels

Manchmal scheinen wir mitten in einer Aufgabe die Entscheidung zu treffen, einfach aufzugeben. Doch was, wenn diese Entscheidung nicht nur von unserem Willen abhängt, sondern von den Neuronen in unserem Gehirn? In einer aktuellen Studie haben Neurowissenschaftler untersucht, wie bestimmte Neuronen im Gehirn von Mäusen darüber entscheiden, ob sie an etwas festhalten und durchhalten, oder neue Wege suchen und aufgeben.

In einem aktuellen Experiment haben Forscher des University College London (UCL) die spezifischen Mechanismen untersucht, die diese Entscheidungen steuern. Die Entdeckung dieser Neuronen könnte mehr darüber verraten, warum manche Menschen an Aufgaben festhalten, auch wenn es keine Belohnung gibt, während andere den Rückzug bevorzugen. Diese Erkenntnisse könnten uns helfen, in Zukunft besser zu verstehen, wie psychische Erkrankungen wie Zwangsstörungen, Depressionen oder ADHS entstehen und behandelt werden.

Durchhalten oder aufgeben – Was passiert im Inneren?

Das Gehirn ist ein wahres Meisterwerk der Koordination. In einem winzigen Bereich des Hirnstamms, dem sogenannten medianen Raphe-Kern (MRN), gibt es Neuronen, die wie ein unsichtbarer Dirigent das Verhalten steuern. Wissenschaftler fanden heraus, dass drei verschiedene Neuronentypen hier unterschiedliche Entscheidungen beeinflussen: GABAerge, glutamaterge und serotonerge Neuronen. Mit einer ausgeklügelten Lichttechnik, der Optogenetik, konnten die Forscher diese Neuronen gezielt aktivieren oder hemmen und so das Verhalten der Mäuse verändern.

Die Ergebnisse waren laut Nature verblüffend. Wenn die GABAergen Neuronen gehemmt wurden, hielten die Mäuse länger an einem Objekt fest, auch wenn es keine Belohnung mehr bot. Aktivierten die Forscher hingegen die glutamatergen Neuronen, sprangen die Mäuse schneller von einem Objekt zum nächsten und zeigten vermehrt Explorationsverhalten. Und wenn sie die serotonergen Neuronen hemmten, zogen sich die Tiere einfach zurück – als ob sie die Aufgabe aufgegeben hätten.

Einblicke für die Behandlung von psychischen Erkrankungen

Die Entdeckung könnte weitreichende Auswirkungen auf die Behandlung von psychischen Erkrankungen haben. Sonja Hofer, Co-Autorin der Studie, erklärt, dass eine Dysfunktion dieser Neuronen möglicherweise mit Erkrankungen wie Zwangsstörungen zusammenhängt, bei denen Betroffene oft in wiederholenden Handlungen verharren. Umgekehrt könnte ein Ungleichgewicht in den serotonergen Neuronen eine Ursache für den Rückzug in depressiven Zuständen sein, während übermäßige Exploration auf ADHS hinweisen könnte.

Stellen Sie sich vor, dass das Gefühl der Überwältigung bei einer Aufgabe nicht einfach nur von Stress kommt, sondern von einer Fehlfunktion in den Neuronen, die uns sagen, wann es Zeit ist, weiterzumachen oder den Kurs zu wechseln. Diese Entdeckung könnte helfen, neue Wege zu finden, um Menschen mit solchen Erkrankungen besser zu unterstützen.

Wie wird das Verhalten beeinflusst?

Im Experiment zeigten Mäuse, die in eine Box mit 20 unbekannten Objekten gesetzt wurden, ein ausgewogenes Verhalten. Etwa ein Drittel der Tiere hielt an einem Objekt fest. Ein weiteres Drittel erkundete die Umgebung. Das letzte Drittel zog sich einfach zurück. Als die Forscher die GABAergen Neuronen hemmten, zeigte sich, dass die Mäuse weniger zwischen den Objekten wechselten und länger bei einem bestimmten Objekt verweilten. Bei der Aktivierung der glutamatergen Neuronen sprangen sie dagegen viel mehr zwischen den Objekten hin und her, was auf eine verstärkte Erkundung hindeutete. Und durch die Hemmung der serotonergen Neuronen wurde der Rückzug der Tiere ausgelöst, die das Interesse an den Objekten verloren.

Diese präzise Kontrolle über das Verhalten zeigt, wie flexibel unser Gehirn auf unterschiedliche Situationen reagiert – und wie spezifische Neuronen dieses Verhalten beeinflussen.

Neue Perspektiven für die Therapie von Depressionen

Eine weitere interessante Entdeckung war die Rolle der Lateralen Habenula. Das ist eine Region im Gehirn, die mit der Verarbeitung von Belohnung und Bestrafung in Verbindung steht. Hier stellten die Forscher fest, dass die Laterale Habenula die serotonergen Neuronen im MRN hemmt und so den Rückzug der Mäuse auslöst.

Wenn diese Region im Gehirn übermäßig aktiviert wird, kann dies den Verlust von Motivation erklären. Dieses Symptom tritt häufig bei Menschen auf, die an Depressionen leiden. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Ansätze für die Entwicklung von Medikamenten, die gezielt diese Gehirnregion und die entsprechenden Neuronen ansprechen.

Kurz zusammengefasst:

  • Im Gehirn entscheidet eine Gruppe von Neuronen, ob wir bei einer Aufgabe durchhalten oder aufgeben – sie steuern das Verhalten.
  • GABAerge Neuronen helfen uns, bei einer Aufgabe durchzuhalten, während glutamaterge Neuronen zum Erkunden anregen und serotonerge Neuronen den Rückzug auslösen.
  • Diese Erkenntnisse könnten helfen, besser zu verstehen, warum manche Menschen bei Aufgaben durchhalten und andere aufgeben.

Übrigens: Wissenschaftler haben einen Schalter im Gehirn entdeckt, der Angstreaktionen stoppen kann. Diese Entdeckung könnte der Schlüssel zu besseren Therapien gegen Angststörungen sein. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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