CO2-Entnahme im Ozean – Forscher warnen vor gefährlichen Nebenwirkungen

Einige CO2-Entnahmeverfahren zur Verbesserung des Klimas entziehen dem Ozean Sauerstoff und gefährden damit Meeresleben und Ökosysteme.

CO2-Entnahme im Ozean: Klimaschutz mit Nebenwirkungen

Korallenriffe leiden besonders sowohl unter der Erwärmung des Klimas, sowie dem sinkenden Sauerstoffgehalt im Ozean. © Unsplash

Der Ozean soll helfen, die Klimakrise zu lösen – doch manche Methoden könnten ihn selbst in Gefahr bringen. Eine neue Studie zeigt: Ausgerechnet gut gemeinte CO2-Entnahmeverfahren könnten das sensible Gleichgewicht ins Wanken bringen. Denn die Meere verlieren seit Jahrzehnten Sauerstoff – mit spürbaren Folgen für Fische, Muscheln und Korallen. Nun warnt ein internationales Forschungsteam unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums in Kiel: Mehrere Verfahren zur CO2-Entnahme im Ozean könnten diesen Trend verschärfen – und den Sauerstoffmangel sogar beschleunigen.

Biologische CO2-Methoden: Bedrohung für den Sauerstoffhaushalt?

Verfahren wie Ozeandüngung oder das Versenken von Algen sollen eigentlich das Klima schützen. Ozeandüngung bringt Nährstoffe wie Eisen ins Meer, um Mikroalgen wachsen zu lassen – deren Zersetzung kostet später viel Sauerstoff. Algenversenkung bedeutet, dass große Mengen gezüchteter Makroalgen in die Tiefsee eingebracht und dort von Mikroorganismen abgebaut werden – ebenfalls mit hohem Sauerstoffverbrauch. Deshalb bringen diese Methoden erhebliche Risiken für das Leben unter Wasser mit sich. Das zeigt die neue Studie:

  • Ozeandüngung, Algenversenkung und künstlicher Auftrieb von Tiefenwasser beschleunigen biologische Prozesse, die massiv Sauerstoff verbrauchen.
  • Der dadurch verursachte Sauerstoffverlust kann vier- bis 40-mal größer sein als der mögliche Klimanutzen.
  • Bei der Zersetzung der Algenbiomasse am Meeresboden wird genauso viel Sauerstoff verbraucht wie derzeit jährlich durch den Klimawandel verloren geht.
Marine CO2-Entnahmemethoden und ihre möglichen Auswirkungen auf den Sauerstoffhaushalt: Besonders biologische Methoden, bei denen Biomasse im Meer zersetzt wird, würden den Sauerstoffgehalt erheblich verringern. © Rita Erven, GEOMAR
Besonders biologische Methoden, bei denen Biomasse im Meer zersetzt wird, würden den Sauerstoffgehalt erheblich verringern. © Rita Erven, GEOMAR 

„Verfahren, die zusätzliche Biomasse im Ozean erzeugen, deren Abbau Sauerstoff kostet, können nicht als unbedenkliche Klimaschutzmaßnahmen gelten“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Erstautor der Studie und Leiter der biogeochemischen Modellierung am GEOMAR.

Welche Verfahren sind sicherer?

Nicht alle Technologien zur CO2-Entnahme im Ozean sind problematisch. Geochemische Methoden wie die Alkalinitätserhöhung mit basischen Kalksubstanzen verändern den Sauerstoffgehalt im Meer kaum. Sie wirken ähnlich wie eine reine Reduktion der CO2-Emissionen – und gelten daher als vergleichsweise sicher.

Ein besonderer Lichtblick: Der großflächige Anbau und die Ernte von Makroalgen. Diese Methode entfernt Biomasse mitsamt Nährstoffen aus dem Ozean, ohne zusätzlich Sauerstoff zu verbrauchen. Laut den Modellrechnungen könnte sie bei umfassendem Einsatz den bisherigen Sauerstoffverlust in den nächsten 100 Jahren zehnfach ausgleichen.

Doch auch hier gibt es Schattenseiten. Die Entnahme großer Mengen an Nährstoffen könnte die biologische Produktivität der Meere langfristig beeinträchtigen – mit unbekannten Folgen für Nahrungsketten und Artenvielfalt.

Sauerstoffarmut hat gravierende Folgen für das Leben im Meer. In manchen Gebieten können keine höheren Lebewesen mehr existieren, weshalb sie umgangssprachlich auch „Todeszonen“ genannt werden. © Peter Bondo Christensen, Universität Aarhus
Sauerstoffarmut hat gravierende Folgen für das Leben im Meer. In manchen Gebieten können keine höheren Lebewesen mehr existieren, weshalb sie umgangssprachlich auch „Todeszonen“ genannt werden. © Peter Bondo Christensen, Universität Aarhus

CO2-Entnahme im Ozean: Forscher fordern neue Sicherheitsstandards

Die Autoren der Studie, darunter Mitglieder des UNESCO Global Ocean Oxygen Network (GO2NE), sprechen eine klare Empfehlung aus:

  • Bei jeder CO2-Entnahme im Ozean muss künftig der Sauerstoffgehalt systematisch überwacht werden.
  • Eingriffe in das komplexe Ökosystem Ozean dürfen nur nach sorgfältiger Prüfung und mit größter Vorsicht erfolgen.

„Der Ozean ist bereits stark belastet“, warnt Oschlies. „Wenn wir ihn für Klimaziele nutzen wollen, dürfen wir nicht das Leben darin gefährden.“

Warum CO2-Entnahme dennoch gebraucht wird

Trotz aller Risiken bleibt die CO2-Entnahme ein zentraler Baustein im Kampf gegen die Erderwärmung. Denn selbst bei ehrgeiziger Klimapolitik wird Deutschland laut Prognosen auch im Jahr 2055 noch 10 bis 20 Prozent der heutigen Treibhausgase ausstoßen. Diese sogenannten Restemissionen müssen ausgeglichen werden – sonst bleiben die Pariser Klimaziele unerreichbar.

Der Ozean gilt als größter natürlicher CO2-Speicher der Erde. Seine Aufnahmefähigkeit ist jedoch langsam – neue Verfahren könnten helfen, diesen Prozess zu beschleunigen. Die Studie macht aber deutlich: Nur Methoden, die den Ozean nicht zusätzlich schädigen, sind langfristig verantwortbar.

Kurz zusammengefasst:

  • Der Ozean verliert seit Jahrzehnten Sauerstoff – neue CO2-Entnahmeverfahren könnten diesen Mangel weiter verstärken.
  • Besonders biologische Methoden wie Ozeandüngung oder Algenversenkung verbrauchen beim Biomasse-Abbau viel Sauerstoff.
  • Geochemische Verfahren wie Alkalinitätserhöhung gelten als schonender, müssen aber sorgfältig überwacht werden.

Übrigens: Forscher des MIT haben ein neues Elektroden-Design entwickelt, das CO2 effizient in nutzbare Chemikalien umwandelt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert