Biodiversität nimmt ab: Blüht in der Schweiz bald nur noch Löwenzahn?
Die Biodiversität in der Schweiz schwindet rasant. Die Biodiversitätsinitiative soll dies stoppen, doch sie stößt auf Widerstand.
Die Biodiversität in der Schweiz steht vor einer ernsthaften Krise. Obwohl die Landschaft auf den ersten Blick idyllisch wirkt, mit grünen Wiesen und majestätischen Alpengipfeln im Hintergrund, verbirgt sich dahinter ein alarmierender Verlust an Artenvielfalt. In den letzten Jahrzehnten sind artenreiche Blumenwiesen fast vollständig verschwunden und wurden durch monotone Flächen ersetzt, auf denen vor allem Löwenzahn und andere gelbblühende Pflanzen dominieren. Diese Pflanzen bevorzugen nährstoffreiche Böden, die durch intensive Bewirtschaftung entstanden sind. Die Schweiz hat fast die Hälfte ihrer Lebensraumtypen als gefährdet eingestuft, und ein Drittel aller Arten ist vom Aussterben bedroht, wie ZEIT ONLINE berichtet.
Intensive Landwirtschaft führt zum Verlust der Biodiversität in der Schweiz
Ein wesentlicher Faktor für diese Entwicklung ist die Intensivierung der Landwirtschaft. Landwirte setzen zunehmend auf Monokulturen und den Einsatz von Düngemitteln, um Erträge zu steigern. Dies führt dazu, dass sich Pflanzenarten durchsetzen, die mit diesen Bedingungen zurechtkommen, während viele andere verschwinden. Die Schweizer Bauern haben in den letzten Jahren zwar Bemühungen unternommen, um dem entgegenzuwirken. So haben sie etwa 19 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Biodiversitätsförderflächen (BFF) ausgewiesen, deutlich mehr als die gesetzlich geforderten sieben Prozent. Doch die Qualität dieser Flächen lässt oft zu wünschen übrig, wie Studien des Forschungsinstituts für biologischen Landbau Fibl und der Vogelwarte Sempach zeigen.
Falsche Anreize gefährden die Artenvielfalt
Ein weiteres Problem sind die zahlreichen staatlichen Subventionen, die die Biodiversität oft ungewollt schädigen. Jedes Jahr werden in der Schweiz etwa 40 Milliarden Franken an Subventionen und Anreize verteilt, die direkt oder indirekt negative Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben. Dazu gehören zum Beispiel staatlich geförderte Fleischwerbung und die Rückerstattung der Mineralölsteuer an Landwirte, die zu intensiverer Landnutzung und damit zur weiteren Gefährdung von Lebensräumen führen. Dagegen stehen lediglich 600 Millionen Franken, die der Bund in den Schutz und Erhalt der Artenvielfalt investiert, so ZEIT ONLINE.
Forderungen der Volksinitiative
Um dem Artensterben entgegenzuwirken, haben Natur- und Landschaftsschützer eine Volksinitiative ins Leben gerufen. Sie fordern unter anderem, dass mehr Flächen unter Schutz gestellt und besser vernetzt werden, um so die natürlichen Lebensräume zu erhalten. Auch sollen bestehende Schutzgebiete besser gepflegt und neue finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Der Bundesrat hat die Notwendigkeit von Maßnahmen erkannt und einen indirekten Gegenvorschlag gemacht, der jedoch im Parlament abgelehnt wurde. Am 22. September wird die Initiative nun zur Abstimmung kommen.
Vorschläge zur Rettung der Biodiversität
Um die Biodiversität in der Schweiz zu schützen, haben Experten zehn Vorschläge ausgearbeitet:
- Mehr Schutzgebiete: Mehr Flächen müssen unter strengen Naturschutz gestellt werden.
- Bessere Pflege: Bestehende Schutzgebiete müssen besser gepflegt und vernetzt werden.
- Weniger Subventionen: Subventionen, die der Biodiversität schaden, sollten abgebaut werden.
- Ökologische Landwirtschaft: Förderung einer Landwirtschaft, die auf Biodiversität Rücksicht nimmt.
- Weniger Pestizide: Der Einsatz von Pestiziden muss stark reduziert werden.
- Förderung naturnaher Gärten: Private Gärten sollten vermehrt naturnah gestaltet werden.
- Schutz der Gewässer: Die Wasserqualität in Flüssen und Seen muss verbessert werden.
- Klimaschutzmaßnahmen: Maßnahmen gegen den Klimawandel, der die Biodiversität bedroht.
- Förderung von Endemiten: Schutz von Arten, die nur in der Schweiz vorkommen.
- Bildung und Aufklärung: Mehr Aufklärung über die Bedeutung der Biodiversität.
Argumente gegen die Biodiversitätsinitiative
Während die Befürworter der Biodiversitätsinitiative diese als notwendig erachten, um das Artensterben in der Schweiz zu stoppen, gibt es auch viele kritische Stimmen. Die Gegner bezeichnen die Initiative als „extrem und wirkungslos“. Sie sind der Ansicht, dass die bestehenden Gesetze ausreichend sind, um die Biodiversität zu fördern, berichtet Swissinfo.
Befürchtungen über Einschränkungen
Ein zentrales Argument der Gegner ist, dass die Initiative dazu führen könnte, etwa 30 Prozent des nationalen Territoriums unantastbar zu machen. Dies hätte aus ihrer Sicht erhebliche negative Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion und könnte zudem die Produktion erneuerbarer Energien behindern. Besonders kritisch sehen sie den Widerspruch zu den energiepolitischen Zielen, die die Schweizer Bevölkerung erst kürzlich bei der Abstimmung über das Stromversorgungsgesetz am 9. Juni unterstützt hat. Dieses Gesetz fördert grüne Energien, doch die strengen Naturschutzmaßnahmen der Initiative könnten dieses Ziel gefährden.
Was du dir merken solltest:
- Die Biodiversität in der Schweiz ist stark gefährdet, vor allem durch intensive Landwirtschaft und schädliche Subventionen.
- Die Biodiversitätsinitiative will dem Artensterben entgegenwirken, stößt aber auf Kritik, da sie als zu einschränkend und wenig effektiv gilt.
- Der Bundesrat erkennt den Handlungsbedarf, sieht jedoch in der Initiative mögliche Konflikte mit der Energie- und Landwirtschaftspolitik.
Übrigens: Während die Biodiversitätsinitiative in der Schweiz heftig diskutiert wird, stellt sich global eine weitere brisante Frage: Wer darf künftig von den Gewinnen aus genetischen Ressourcen profitieren? Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Hansueli Krapf via Wikimedia unter CC BY-SA 3.0