„Ball-Junkies“ auf vier Pfoten – Forscher entdecken Anzeichen von Spielsucht bei Hunden

Manche Hunde verlieren beim Spielen jedes Maß – ihr Ball wird zur Obsession. Eine neue Studie zeigt, wie nah Spielfreude und Spielsucht beieinander liegen.

Hunde Spielsucht

Ein Hund jagt seinem Ball hinterher, als gäbe es nichts anderes auf der Welt – ein vertrautes Bild, das Forscher nun neu deuten. © Pexels

Ein Ball fliegt, und plötzlich ist alles andere vergessen – viele Hundebesitzer kennen diese Szene. Für viele Halter wirkt es wie harmlose Spielfreude, für manche Hunde kann es jedoch in Spielsucht übergehen und zwanghafte Züge annehmen. Forscher sprechen inzwischen von suchtähnlichem Verhalten. Eine neue Studie aus Wien und Bern zeigt, dass bestimmte Rassen besonders anfällig sind – und dass das Phänomen erstaunliche Parallelen zum Menschen hat.

Schon lange bezeichnen Hundebesitzer besonders spielverrückte Tiere als „Ball-Junkies“. Gemeint sind Hunde, die ohne Ball, Plüschtier oder Zerrspielzeug kaum Ruhe finden, die winseln, wenn ihr Lieblingsobjekt verschwindet, und die selbst bei Erschöpfung weiterspielen. Dieses Alltagsbild hat nun erstmals eine wissenschaftliche Grundlage. Ein Team um die Verhaltensbiologin Stefanie Riemer von der Vetmeduni Wien und Tierärztin Alja Mazzini von der Universität Bern untersuchte in kontrollierten Experimenten, wie weit die Spielfreude gehen kann – und wo sie in Besessenheit umschlägt.

Jeder dritte getestete Hund zeigt Anzeichen von Spielsucht

Für die Untersuchung rekrutierten die Forscher 126 Hunde, von denen 105 in die Auswertung einflossen. Die Tiere waren zwischen einem und zehn Jahren alt, im Schnitt rund fünf Jahre. Das Ergebnis überraschte selbst erfahrene Hundetrainer: 33 Tiere – also etwa ein Drittel der getesteten Hunde – zeigten deutliche Anzeichen suchtähnlichen Verhaltens.

Die Forscher entwickelten dafür ein Punktesystem, den sogenannten Addictive-like Behaviour Test (AB-Test). Wer mehr als 44 Punkte erreichte, galt als besonders spielgetrieben. Diese Hunde starrten ihr Spielzeug minutenlang an, ignorierten Futter, wenn der Ball unerreichbar war, und versuchten hartnäckig, ihn zurückzubekommen. Riemer fasst es so zusammen: „Wenn der Hund nicht damit klarkommt, dass das Spielzeug weg ist, kann das suchtähnlich sein.“

Vor allem Terrier, Border Collies und Schäferhunde schnitten in der Studie überdurchschnittlich häufig als „High-AB“-Tiere ab – Rassen, die traditionell auf Ausdauer, Konzentration und Beutefixierung gezüchtet werden.

Ein Belgischer Schäferhund kämpft sich mit voller Kraft durch einen verschlossenen Plastikkorb – nur um sein Lieblingsspielzeug zurückzuholen. © Mazzini et al. via YouTube

Spieltrieb oder Spielsucht – wo liegt die Grenze?

Nicht jede übersteigerte Begeisterung ist gleich krankhaft. Die Forscher weisen darauf hin, dass intensives Spiel für viele Hunde normal und sogar gesund ist. Erst wenn das Verhalten den Alltag stört – etwa weil der Hund auf kein anderes Signal mehr reagiert oder dauerhaft unter Spannung steht – kann es problematisch werden.

Um das genauer zu prüfen, kombinierten die Wissenschaftler Beobachtungen im Labor mit einer groß angelegten Befragung von Hundehaltern. Mehr als 1500 Fragebögen flossen in die Auswertung ein. Viele Halter beschrieben, dass ihre Hunde weiterspielen, obwohl sie müde, überhitzt oder verletzt sind. Eine häufige Aussage lautete: „Mein Hund spielt weiter mit dem Ball, auch wenn es negative Folgen hat.“

Besonders aussagekräftig waren vier Kriterien, die auch in der Suchtforschung beim Menschen verwendet werden:

  • Starkes Verlangen: Der Hund will sein Spielzeug unbedingt wiederhaben – alles andere verliert an Bedeutung.
  • Fixierung: Das Spielzeug steht im Mittelpunkt, selbst Futter oder Ansprache sind egal.
  • Kein Stopp: Der Hund spielt weiter, auch wenn er müde ist oder aufhören sollte.
  • Stimmungsregler: Spielen dient dazu, Stress abzubauen oder Langeweile zu vertreiben.

Nur die ersten drei Kriterien erfüllten die auffälligen Hunde deutlich. „Stimmungsänderungen“ spielten dagegen kaum eine Rolle – ein Hinweis, dass nicht Freude, sondern Zwang die Haupttriebkraft sein könnte.

Warum gerade manche Hunde besonders anfällig sind

Die Forscher vermuten, dass Zucht und Training entscheidenden Einfluss haben. Viele Arbeitslinien – etwa bei Malinois oder Border Collies – werden seit Generationen auf hohe Reizempfindlichkeit und Ausdauer selektiert. Dieses genetische Erbe fördert die Motivation, aber auch die Neigung zu Übererregung. In der Studie tauchten genau diese Rassen überdurchschnittlich häufig in der Hochrisikogruppe auf.

Ein Teil des Problems könnte also „hausgemacht“ sein: Hunde, die für Polizei, Rettung oder Sport gezüchtet werden, zeigen extreme Spielfreude, die im Alltag schwer zu bremsen ist. Die Forscher schreiben: „Einige Hunde verlieren das Interesse an Futter oder sozialer Interaktion, solange das Spielzeug unerreichbar bleibt.“ Das Verhalten erinnere an „hyperfokussierte“ Zustände, wie man sie auch aus der menschlichen Psychologie kennt.

Was Halter daraus lernen können

Das Forschungsteam warnt jedoch vor vorschnellen Diagnosen. „Obwohl viele Hunde sehr intensiv spielen, sind nur wenige wirklich süchtig“, schreiben die Autoren. Entscheidend sei, ob das Verhalten negative Folgen hat – körperlich oder emotional. Bei manchen „Ball-Junkies“ kann sich durch Dauerbelastung die Gelenkgesundheit verschlechtern, andere geraten bei Spielentzug in Stresszustände.

Halter können gegensteuern, indem sie das Spiel bewusster gestalten. Hilfreich ist es, beim Spielen rechtzeitig Pausen einzulegen, bevor der Hund überdreht. Feste Rituale zum Runterfahren – etwa ein klar erkennbares Spielende – helfen ihm, zur Ruhe zu kommen. Abwechslung schafft Entlastung: Suchspiele, Kauknochen oder gezielte Ruheübungen lenken die Energie in andere Bahnen. Wenn das Verhalten trotz allem zwanghaft bleibt oder der Hund dauerhaft unruhig wirkt, kann Unterstützung durch einen Trainer oder Tierarzt sinnvoll sein.

Kurz zusammengefasst:

  • Manche Hunde zeigen beim Spielen Anzeichen von Spielsucht: Sie fixieren ihr Spielzeug, ignorieren Futter und können kaum aufhören.
  • Besonders betroffen sind Arbeitsrassen wie Terrier, Schäferhunde oder Border Collies, deren Zucht auf hohe Ausdauer und Spieltrieb ausgelegt ist.
  • Regelmäßige Pausen, klare Spielregeln und abwechslungsreiche Beschäftigung helfen, Übererregung und Stress zu vermeiden.

Übrigens: Sprache und Hunde – das passt enger zusammen, als viele denken. Eine neue Studie zeigt, warum unsere Vierbeiner zwar erstaunlich viel verstehen, echte Worte aber niemals formen werden. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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