Täuschend echter Puls – Deepfakes können jetzt selbst den Herzschlag fälschen
Moderne Deepfakes können den Herzschlag und Gesichtsverfärbungen täuschend echt darstellen – klassische Erkennungsmethoden reichen nun nicht mehr aus.

Neue Deepfakes imitieren lebensnahe Details so präzise, dass selbst Erkennungstechnologien ins Straucheln geraten. © Pexels
Ein Mensch spricht in die Kamera – mit klarer Stimme, ernstem Blick und lebendiger Mimik. Doch nichts davon ist echt. Das Video wurde künstlich erzeugt, Bild für Bild, Ton für Ton. Es ist ein Deepfake. Und er ist so überzeugend, dass selbst moderne Systeme zur Erkennung versagen. Forscher warnen: Diese neue Generation von Deepfakes macht es fast unmöglich, Fälschung und Realität zu unterscheiden.
Ein Team der Humboldt-Universität zu Berlin hat in einer neuen Studie nachgewiesen, dass moderne Deepfakes selbst feinste physiologische Signale vortäuschen können – etwa den Herzschlag. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Frontiers in Imaging veröffentlicht.
Neue Deepfakes imitieren sogar das menschliche Herz
Bislang galten Herzschlagsignale als sicherer Hinweis auf die Echtheit eines Videos. Denn in echten Aufnahmen verändern sich Hautfarbe und Lichtreflexe durch das Blut, das bei jedem Herzschlag durch das Gesicht fließt. Diese winzigen Schwankungen sind mit Kameras messbar. Genau darauf basiert eine Methode namens Remote-Photoplethysmographie, kurz rPPP.
Diese Technik kommt ursprünglich aus der Medizin. Heute setzen Forscher sie auch ein, um Deepfakes zu erkennen. Doch genau hier liegt das Problem: Die neuen Fälschungen enthalten einen scheinbar echten Puls – und täuschen selbst erfahrene Detektoren.
Falscher Puls entsteht oft ungewollt im Deepfake
Laut Studienleiter Dr. Peter Eisert gelingt es Deepfakes mittlerweile, realistische Vitalzeichen zu zeigen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein realistischer Herzschlag absichtlich hinzugefügt werden kann, aber auch versehentlich aus dem Originalvideo übernommen wird“, so Eisert. Selbst kleinste Farbveränderungen im Gesicht einer echten Person werden beim Erstellen des Fakes übernommen.
In vielen Fällen muss der Deepfake-Ersteller den Puls also gar nicht selbst einbauen. Er entsteht automatisch durch die eingesetzten Techniken. Diese Fälschungen wirken auf den ersten Blick echt – nicht nur für Zuschauer, sondern auch für automatische Programme zur Erkennung von Deepfakes.
Forscher nutzen eigene Testvideos mit echten Pulsdaten
Für ihre Untersuchung nutzten die Forscher ein selbst erstelltes Datenset mit sogenannten Driving Videos. Dabei wurden Gesichter animiert und mit Zielidentitäten kombiniert, um Deepfakes zu erzeugen. Gleichzeitig wurde der echte Puls der Protagonisten über ein EKG erfasst.
So konnten die Forscher die Genauigkeit der rPPP-Methode prüfen. Das Ergebnis: Die Abweichung zum echten Herzschlag betrug nur zwei bis drei Schläge pro Minute – und das bei Videos von nur zehn Sekunden Länge. Das zeigt, wie realistisch der gefälschte Puls inzwischen wirkt.
Deepfakes überlisten Erkennung – doch sie verraten sich im Detail
Auch zwei weit verbreitete Deepfake-Datensätze testeten die Forscher. In allen echten Videos ließen sich klare Herzschlagsignale messen. Aber auch bei den Fälschungen ermittelte der Detektor Pulsdaten – obwohl kein echter Blutfluss vorhanden war. Damit verliert die Methode an Aussagekraft.
„Unsere Experimente haben gezeigt, dass aktuelle Deepfakes zwar einen realistischen Herzschlag zeigen, aber keine physiologisch realistischen Blutflussveränderungen über Raum und Zeit hinweg“, sagt Eisert. Genau das könnte ein neuer Angriffspunkt sein, um Fälschungen künftig zu enttarnen.
Nur echte Gesichter zeigen lebendigen Blutfluss
Der menschliche Blutfluss ist nicht überall im Gesicht gleich. Wangen, Stirn oder Kinn zeigen feine Unterschiede – abhängig von Bewegung, Atmung oder Aufregung. Diese räumlichen und zeitlichen Muster lassen sich in echten Aufnahmen erkennen. In Deepfakes hingegen fehlt diese Vielfalt.
Die Forscher schlagen deshalb vor, dass zukünftige Detektoren nicht nur auf den Puls achten, sondern gezielt die lokalen Blutflussveränderungen analysieren sollen. Das könnte helfen, selbst sehr realistische Deepfakes wieder besser zu entlarven.
Sicherheit, Vertrauen, Manipulation – Was auf dem Spiel steht
Manipulierte Videos sind mehr als ein technisches Spielzeug. Wer sie gezielt einsetzt, kann Menschen öffentlich bloßstellen, politische Kampagnen beeinflussen oder Straftaten begehen. Dabei sehen die Videos so echt aus, dass viele sie für wahr halten. Gerade auf Social Media verbreiten sich Deepfakes rasend schnell – und mit ihnen gefährliche Falschinformationen.
Die Forschung der Humboldt-Universität zeigt: Der bisher sichere Weg, Deepfakes über den Herzschlag zu entlarven, funktioniert nicht mehr zuverlässig. Doch sie bietet auch Hoffnung. Wenn Detektoren in Zukunft gezielt auf feine Details achten, könnten sie auch die besten Fälschungen überführen. Bis dahin bleibt nur: kritisch bleiben – auch wenn der Puls scheinbar echt wirkt.
Kurz zusammengefasst:
- Moderne Deepfakes können inzwischen einen realistisch wirkenden Herzschlag und minimale Farbveränderungen im Gesicht nachahmen.
- Diese Signale entstehen oft unbewusst aus echten Videos und täuschen selbst technische Detektoren zur Erkennung, was Deepfakes noch gefährlicher für Manipulation und Betrug macht.
- Künftige Erkennungssysteme sollten sich auf feine, räumlich unterschiedliche Blutflussmuster im Gesicht konzentrieren – denn genau hier zeigen Deepfakes noch Schwächen.
Übrigens: Auch wenn Deepfakes täuschend echt wirken, so ist der Mensch der KI in einem Punkt haushoch überlegen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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