Rolls-Royce baut Mini-Kernkraftwerke für die Energiewende in Europa
Rolls-Royce baut in Tschechien kleine modulare Kernkraftwerke (SMR), um den steigenden Energiebedarf mit emissionsfreier Energie zu decken.
Rolls-Royce hat sich einen wichtigen Auftrag in Tschechien gesichert: Das britische Unternehmen wird dort Mini-Kernkraftwerke bauen. Diese sogenannten kleinen modularen Reaktoren (SMR) sollen in Zusammenarbeit mit dem tschechischen Energieversorger ČEZ entstehen. Ziel ist es, den steigenden Energiebedarf des Landes mit sauberer, CO2-freier Energie zu decken. Dieses Projekt könnte Rolls-Royce Milliardeneinnahmen bringen und die Grundlage für weitere Aufträge in Europa schaffen.
Laut Financial Times setzte sich Rolls-Royce in einem Wettbewerb gegen sechs andere Anbieter durch. Die ersten Reaktoren sollen in der Nähe des Kernkraftwerks Temelín in Südböhmen gebaut werden und könnten Mitte der 2030er-Jahre in Betrieb gehen. Die tschechische Regierung sieht in diesem Projekt eine große Chance, ihre Energiewirtschaft zu modernisieren und neue Möglichkeiten für die heimische Industrie zu schaffen.
Rolls-Royce will Energieversorgung der Zukunft sichern
Die Mini-Kernkraftwerke von Rolls-Royce bieten eine interessante Lösung für die Energieversorgung: Sie sind kleiner, flexibler und können schneller gebaut werden als herkömmliche Atomkraftwerke. Mit einer Leistung von 470 Megawatt gehören die Reaktoren zu den leistungsstärkeren in dieser Kategorie. Üblicherweise haben SMR-Anlagen eine Kapazität von unter 300 Megawatt. Diese Technologie verspricht eine stabile Energieversorgung ohne CO2-Emissionen.
Das Projekt in Tschechien ist ein wichtiger Test für die Technologie von Rolls-Royce, berichtet die Financial Times. Neben Tschechien könnten auch andere europäische Länder von diesen kleinen Reaktoren profitieren. Besonders die Einbindung lokaler Unternehmen wird als wirtschaftlicher Vorteil gesehen, da Rolls-Royce gerade erst beginnt, seine Lieferketten aufzubauen.
Großes Interesse an Mini-Reaktoren
Auch in anderen europäischen Ländern stößt die SMR-Technologie auf großes Interesse. Schweden und Polen haben bereits ähnliche Projekte gestartet, bei denen Rolls-Royce im Gespräch ist. In Schweden verhandelt das Unternehmen mit dem Energiekonzern Vattenfall über den Bau von SMR-Anlagen. Polen hat bereits grünes Licht für ein SMR-Kraftwerk gegeben. Im Vereinigten Königreich bewirbt sich Rolls-Royce um staatliche Unterstützung in Höhe von rund 23,8 Milliarden Euro, um auch dort Mini-Kernkraftwerke zu bauen.
Diese flexiblen, modularen Reaktoren könnten eine zentrale Rolle bei der Reduzierung der CO2-Emissionen in Europa spielen. Die SMR-Technologie gilt als vielversprechend, da sie weniger Platz benötigt und schneller fertiggestellt werden kann als große Atomkraftwerke.
Konkurrenz in Großbritannien
Rolls-Royce befindet sich auch in Großbritannien in einem Wettbewerb mit vier anderen Unternehmen um staatliche Fördergelder für den Bau von Mini-Kernkraftwerken. Neben Rolls-Royce sind GE-Hitachi, Holtec und Nu-Scale im Rennen. Die Entscheidung darüber, welche Unternehmen den Zuschlag erhalten, wird Ende 2024 erwartet. Der französische Energiekonzern EDF hat sich aus dem Wettbewerb zurückgezogen, um sich auf eigene Projekte zu konzentrieren.
Die britische Labour-Partei sieht in der SMR-Technologie eine Schlüsselrolle für die zukünftige Energieversorgung des Landes. Die Entscheidung über den Wettbewerb könnte also weitreichende Folgen für die Energiepolitik Großbritanniens haben.
Sicherheitstechnische Vorteile und Risiken von SMR
Laut Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) könnten kleine modulare Reaktoren im Vergleich zu herkömmlichen Atomkraftwerken potenziell sicherheitstechnische Vorteile bieten. Da SMR über ein geringeres radioaktives Inventar pro Reaktor verfügen, wird das Risiko von größeren Freisetzungen bei Störfällen reduziert. Jedoch müsse bedacht werden, dass für dieselbe Menge an Energieerzeugung eine wesentlich höhere Anzahl an Reaktoren benötigt wird. Diese erhöhte Anzahl könnte das allgemeine Risiko in einer Region vervielfachen, da mehr potenzielle Gefahrenquellen entstehen.
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Notfallschutz und Wirtschaftlichkeit von SMR
Laut BASE muss weiterhin davon ausgegangen werden, dass im Falle eines Unfalls die Gefahr von Kontaminationen besteht, die über das Gelände der Anlage hinausgehen können. Dies stellt hohe Anforderungen an den anlagenexternen Notfallschutz. Zusätzlich weisen SMR wirtschaftliche Herausforderungen auf. Aufgrund ihrer geringeren elektrischen Leistung sind die Baukosten im Vergleich zu großen Atomkraftwerken relativ höher. Eine umfassende Produktionskostenrechnung legt nahe, dass etwa dreitausend Reaktoren gebaut werden müssten, um signifikante Skaleneffekte zu erzielen und die Investition in die SMR-Technologie langfristig lohnenswert zu machen, heißt es bei BASE.
Was du dir merken solltest:
- Rolls-Royce baut in Tschechien kleine modulare Reaktoren (SMR), um den steigenden Energiebedarf mit sauberer Energie zu decken.
- SMR bieten potenzielle sicherheitstechnische Vorteile durch ihr geringeres radioaktives Inventar, jedoch steigt das Risiko durch die notwendige höhere Anzahl an Reaktoren.
- Die Baukosten von SMR sind im Verhältnis höher als bei großen Atomkraftwerken, wodurch erst ab einer Produktion von etwa 3.000 Reaktoren Skaleneffekte greifen könnten.
Übrigens: In der Schweiz entsteht trotz des Kernkraftverbots ein revolutionärer Flüssigsalz-Atomreaktor, der die Zukunft der Kernenergie neu definieren könnte. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Rolls-Royce
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