Maschinen lernen zu überleben, indem sie andere Roboter verwerten
Roboter-Metabolismus erlaubt Maschinen, Teile anderer Roboter zu nutzen, um sich selbst zu reparieren und funktionsfähig zu bleiben.

Diese Truss-Module setzten sich selbstständig zu einem Tetraeder zusammen. © Creative Machines Lab
Ein neuer Robotertyp verändert seinen Körper aktiv – er baut sich selbstständig um, passt sich an und bleibt damit funktionstüchtig. Er nimmt Bauteile aus der Umgebung oder von anderen Maschinen auf, integriert sie in seine Struktur und entfernt gleichzeitig kaputte oder überflüssige Teile. Die Forscher der Columbia University in New York nennen dieses Prinzip Roboter-Metabolismus – ein technischer Stoffwechsel, inspiriert von der Natur. Entwickelt und dokumentiert wurde das System im Rahmen einer aktuellen Studie.
Das Prinzip erinnert an das Konsumieren, Einverleiben oder „Essen“ funktionaler Bauteile und das gezielte Entfernen oder „Ausscheiden“ nicht mehr benötigter Komponenten – ein Kreislauf, der an lebende Systeme angelehnt ist. Ziel ist es, Roboter zu schaffen, die sich langfristig selbst erhalten können. Ohne Wartung durch Menschen, ohne feste Baupläne. Und mit der Fähigkeit, auf neue Herausforderungen körperlich zu reagieren.
Roboter-Metabolismus ersetzt starre Maschinenkörper
Die Grundlage bildet ein modulares System aus sogenannten Truss Links – magnetische Stäbe, die sich in verschiedene Richtungen ausfahren, aneinander koppeln und neu konfigurieren lassen. Mehrere dieser Module formen gemeinsam einen beweglichen Roboterkörper.
Einzelne Module:
- Länge: 28 cm (eingezogen), 43 cm (ausgefahren)
- Gewicht: 280 g
- Kosten: über 200 Dollar pro Stück
Im Test verbanden sich sieben dieser Truss Links zu unterschiedlichen Formen wie Tetraedern, Sternen oder Dreiecken – je nachdem, welche Funktion gerade gebraucht wurde.
Roboter gewinnen Tempo durch neue Gliedmaßen
In einer Experimentreihe mit einer Rampe zeigte sich der Nutzen des Systems. Ein Tetraeder-förmiger Roboter nahm ein zusätzliches Modul auf und nutzte es als eine Art Gehhilfe – so erhöhte er seine Geschwindigkeit beim Abstieg um mehr als 66 Prozent.
Auch andere Kombinationen führten zu neuen Bewegungsmustern. Besonders häufig entstand in Simulationen eine diamantartige Struktur mit „Schwanz“ – in über 44 Prozent der Fälle. Andere Formen waren seltener, zum Beispiel die Kombination von Stern und Dreieck (9,2 Prozent).
Defekte Teile werden eigenständig ersetzt
„Biologische Organismen operieren als offene Systeme: Sie nehmen Material aus ihrer Umgebung auf und geben Abfallstoffe ab“, erklärt Studienleiter Philippe Martin Wyder. Genau dieses Prinzip liegt auch dem Roboter-Metabolismus zugrunde.
Die Maschinen erkennen fehlerhafte Bauteile und tauschen sie gezielt aus – ohne externes Eingreifen. In Tests ersetzte ein Roboter ein defektes Modul durch ein intaktes aus der Umgebung und stellte so seine Funktionsfähigkeit selbst wieder her.
Geschwindigkeit, Anpassung, Selbstversorgung
Das Team testete unterschiedliche Formen und dokumentierte ihre Bewegungsleistung in Körperlängen pro Bewegungszyklus – ein Maß für Effizienz und Mobilität:
- Tetraeder-Form: 0,33 (Simulation), 0,27 (Realität)
- Einzelmodul: 0,36 (Simulation), 0,21 (Realität)
- Dreieck: deutlich langsamer, vor allem im Test
Damit zeigt sich: Bestimmte Kombinationen führen zu messbar besseren Leistungen – ein Hinweis auf die Fähigkeit der Roboter, sich durch Umgestaltung aktiv zu optimieren.
Maschinen mit eigenem Körperkonzept
Mit dem Roboter-Metabolismus wollen die Forscher eine neue Generation technischer Systeme schaffen. Ziel ist nicht nur Künstliche Intelligenz mit Denkvermögen – sondern auch ein Körper, der mitlernen kann.
„Dies ist die erste Demonstration eines Robotersystems, das sich aus Einzelteilen zu einem vollständigen 3D-Roboter zusammensetzt“, erklärt das Team. „Dabei verbessert es eigenständig seine Fähigkeiten – ganz ohne Hilfe von außen.“
Mit Blick auf Katastrophenschutz, Raumfahrt oder schwer zugängliche Umgebungen könnten solche Systeme künftig Aufgaben übernehmen, bei denen herkömmliche Maschinen längst an ihre Grenzen stoßen.
Kurz zusammengefasst:
- Roboter-Metabolismus beschreibt ein System, bei dem Maschinen aktiv Bauteile aus ihrer Umgebung oder von anderen Robotern aufnehmen, integrieren und zugleich defekte Teile entfernen.
- Die modular aufgebauten Roboter passen sich dadurch selbstständig an neue Aufgaben an, reparieren sich eigenständig und verbessern gezielt ihre Beweglichkeit.
- Entwickelt wurde das System von Forschern der Columbia University – es gilt als erster Nachweis, dass Roboter ihren Körper funktional umbauen können, um dauerhaft funktionsfähig zu bleiben.
Übrigens: Auch ohne Sensoren, Prozessoren oder Software können Roboter erstaunlich präzise handeln – allein durch clevere Mechanik und Kettenverbindungen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Creative Machines Lab