Neuer Beton strahlt Hitze ab – Häuser 5 Grad kühler

Der Baustoff reflektiert 96 Prozent des Sonnenlichts und kühlt Häuser um bis zu 5,4 °C – ganz ohne zusätzliche Energie.

Kühlender Beton: Baustoff strahlt Hitze weg – Häuser 5 Grad kühler

Glitzernde Skyline, flirrende Hitze – auch New York könnte mit neuem Beton in Zukunft spürbar kühler werden. © Pexels

Sommerhitze macht Städte zu Glutöfen. Fassaden, Straßen und Dächer speichern Wärme und geben sie über Stunden wieder ab. In vielen Metropolen entstehen dadurch sogenannte Wärmeinseln, die Temperaturen klettern oft zehn Grad über die Umgebung hinaus. Klimaanlagen laufen dann ununterbrochen – sie verbrauchen enorme Mengen Strom und treiben die CO2-Bilanz weiter nach oben.

Ein internationales Forschungsteam hat nun einen Baustoff entwickelt, der selbst zur Kühlung beiträgt: kühlender Beton. Er reflektiert Sonnenlicht, gibt Wärme wieder ab und bleibt dadurch spürbar kühler als die Umgebungsluft. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science.

Beton, der kühlt statt aufzuheizen

Gebäude verursachen weltweit fast 40 Prozent des Energieverbrauchs und 36 Prozent der CO2-Emissionen. Ein immer größerer Teil davon entfällt auf die Kühlung. Prognosen gehen davon aus, dass Klimaanlagen bis 2050 fast die Hälfte der Spitzenlast im Stromnetz ausmachen könnten.

Der neue Beton arbeitet gegen diesen Trend. Messungen zeigen: Er reflektiert 96,2 Prozent des Sonnenlichts und gibt 96 Prozent der Wärmestrahlung ab. Auf einem Testdach in den USA blieb er 5,4 Grad kühler als die Umgebungsluft – normaler Beton erreichte fast 60 Grad. „Wir haben den Zement so gestaltet, dass er nicht mehr Wärme speichert, sondern abgibt“, schreiben die Forscher.

Kleine Kristalle machen den Unterschied

Die besondere Wirkung beruht auf winzigen Kristallen, sogenannten Ettringiten, die sich beim Aushärten bilden. Diese wirken wie Millionen kleiner Spiegel und lenken das Sonnenlicht zurück. Spezielle Hohlräume in der Oberfläche verstärken diesen Effekt zusätzlich.

Der Vorteil: Der Baustoff benötigt keine Zusätze, er besteht vollständig aus Zement, der auf neue Weise verarbeitet wird. Damit bleibt er einfach herzustellen und kann im Prinzip sofort in der Bauindustrie genutzt werden.

Herstellung spart zusätzlich CO2

Die Innovation senkt nicht nur den Energieverbrauch im Betrieb, sondern auch schon in der Produktion. Der neue Zement wird bei etwa 200 Grad niedrigerer Temperatur gebrannt als herkömmlicher. Das verringert die Emissionen während der Herstellung um rund 25 Prozent.

Im gesamten Lebenszyklus – von der Produktion bis zum Gebäudebetrieb – ergibt sich ein doppelter Gewinn: weniger CO2 beim Bau und deutlich geringerer Energiebedarf für die Kühlung.

Neue Zementoberfläche mit winzigen Kristallen: Sie reflektiert fast alles Sonnenlicht, bleibt unter Sonne kühl und eignet sich für Dächer und Fassaden. © Science

Kühlender Beton ist stabil und langlebig

Ein Baustoff muss mehr können, als nur Energie sparen. Deshalb prüften die Forscher auch die Belastbarkeit. Der neue Beton erreichte eine Druckfestigkeit von über 100 Megapascal und eine Biegefestigkeit von über 12 Megapascal. Werte, die über dem liegen, was im Bauwesen üblich ist.

Auch gegen Umwelteinflüsse zeigt er sich resistent. Getestet wurden Belastungen durch:

  • monatelange UV-Strahlung
  • Frost-Tau-Wechsel bis minus 16 Grad
  • Kontakt mit stark sauren oder alkalischen Flüssigkeiten

Die Reflexion blieb nahezu unverändert. Sogar nach einem Jahr im Freien zeigte der Baustoff keine messbare Alterung.

Klimaschutz und Entlastung für Städte

Besonders in dicht bebauten Metropolen könnte der Baustoff viel bewirken. Hitzeinseln würden abgeschwächt, Straßen und Fassaden weniger aufgeheizt. Das entlastet Stromnetze und senkt das Risiko von Hitzeschäden für die Gesundheit.

In Modellrechnungen zeigt sich das Potenzial: In Niamey (Niger) ließe sich pro verbauter Tonne bis zu 2867,78 Kilogramm CO2 einsparen. In manchen Städten könnte der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes – von der Herstellung bis zum Betrieb – ausgeglichen oder sogar CO2-negativ werden.

Vielseitig einsetzbar und auch farbig

Der Baustoff ist nicht auf Neubauten beschränkt. Er lässt sich auch auf bestehende Dächer und Fassaden auftragen. Durch seine kurze Abbindezeit kann er flexibel eingesetzt werden.

Außerdem lässt er sich färben, ohne viel von seiner Wirkung zu verlieren. Varianten in Rot, Gelb oder Grün reflektieren immer noch über 90 Prozent des Lichts. Damit ist der kühlende Effekt auch mit architektonischen Ansprüchen vereinbar.

Welche Vorteile kühlender Beton bietet

Die Forscher sehen ihren Baustoff als praktische Lösung für eine Bauindustrie, die bisher als großer CO2-Verursacher gilt. Der Nutzen lässt sich in wenigen Punkten zusammenfassen:

  • Kühlender Effekt: bis zu 5,4 °C unter Umgebungstemperatur, 20 °C kühler als herkömmlicher Beton.
  • Robustheit: hohe Druck- und Biegefestigkeit, widerstandsfähig gegen Abrieb, Frost und UV-Strahlung.
  • Klimaschutz: 25 Prozent weniger CO2 in der Herstellung, bis zu 60 Prozent weniger Energiebedarf im Betrieb.
  • Flexibilität: anwendbar im Neubau und bei Sanierungen, auch in farbigen Varianten verfügbar.

Beton wird vom Problem zur Lösung

Zement galt bisher als einer der größten Klimasünder, verantwortlich für rund acht Prozent der globalen Emissionen. Mit dem neuen Verfahren könnte ausgerechnet dieser Baustoff zum Klimaschützer werden.

„Supercool Cement hat das Potenzial, Gebäude von Wärmefallen zu aktiven Kühlkörpern zu machen“, heißt es in der Studie.

Wenn Handwerker und Roboter Ziegel zu Klimaschützern machen

Auch auf dem Bau selbst entstehen derzeit neue Ideen für mehr Klimaschutz. In München errichteten Maurerlehrlinge gemeinsam mit einem Roboter eine Wand, deren Ziegel sich je nach Sonnenlage in unterschiedlichen Winkeln neigen. So können sie im Sommer Schatten spenden und im Winter Wärme einfangen. Das Pilotprojekt zeigt, wie digitale Planung, präzise Robotik und traditionelles Handwerk zusammenfinden, um Gebäude energieeffizienter zu machen.

Wie beim kühlenden Beton geht es auch bei dieser Wandbauweise darum, das Klima im Gebäude mit einfachen Mitteln zu regulieren.

Kurz zusammengefasst:

  • Gebäude tragen mit 40 Prozent zum weltweiten Energieverbrauch und 36 Prozent zu den CO2-Emissionen bei, vor allem durch den hohen Kühlbedarf.
  • Kühlender Beton reflektiert 96 Prozent des Sonnenlichts, gibt Wärme ab und hält Häuser im Test bis zu 5,4 °C kühler als die Umgebung.
  • Der Baustoff spart bis zu 60 Prozent Energie für Klimaanlagen, verursacht bei der Herstellung 25 Prozent weniger CO2 und bleibt extrem stabil und langlebig.

Übrigens: Nicht nur das Bauen mit neuem Beton kann Gebäude abkühlen – auch Wände selbst bieten Potenzial. Zickzack-Strukturen senken Temperaturen um bis zu 3 °C. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert