Deutsche Forscher machen Kosmetik aus Abgasen: CO2 könnte Palmöl bald überflüssig machen
Forscher entwickeln aus CO2 ein palmölfreies Fett für Cremes und Shampoos – mit Potenzial für Klima, Lieferketten und Regenwälder.

Monokulturen aus Ölpalmen: Für den Palmölanbau verschwinden jedes Jahr große Flächen tropischer Regenwälder. © Wikimedia
Palmöl ist überall. Ob in Schokolade, Tiefkühlpizza, Lippenstift oder Shampoo – kaum ein Rohstoff steckt so tief in unserem Alltag. Doch kaum einer ist auch so problematisch. Für riesige Palmölplantagen werden tropische Wälder abgeholzt, ganze Ökosysteme zerstört und jede Menge CO2 freigesetzt. Gleichzeitig wollen Verbraucher nachhaltigere Produkte, ohne auf gewohnte Qualität zu verzichten.
Jetzt melden die Mibelle Group, das Biotech-Unternehmen LanzaTech und das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) eine Entwicklung, die tatsächlich wie Zukunft klingt: Sie können aus CO2 ein Fett herstellen, das Palmöl nahezu vollständig ersetzt.
Warum Palmöl überall steckt – und so große Probleme verursacht
Palmöl ist billig, vielseitig und lange haltbar. Deshalb steckt es in unzähligen Produkten – von Keksen und Margarine über Cremes und Shampoos bis hin zu Reinigungsmitteln und Biokraftstoffen. Weltweit werden pro Jahr mehr als 75 Millionen Tonnen produziert, Tendenz steigend.
Der Preis dafür ist hoch: In Indonesien und Malaysia – den Hauptanbaugebieten – verschwinden jedes Jahr riesige Regenwaldflächen. Allein 2022 gingen dort über 1,3 Millionen Hektar verloren, ein Gebiet fast so groß wie Schleswig-Holstein. Die Folgen: Arten sterben aus, Treibhausgase steigen. Selbst zertifizierter Anbau kann die wachsende Nachfrage längst nicht mehr auffangen.
Forscher nutzen Abgase als Rohstoff
Das Neue an der aktuellen Entwicklung: Abgase, die sonst klimaschädlich in die Luft gelangen, werden zum Ausgangsstoff für eine Fettmischung, die Palmöl sehr ähnlich ist. Das Verfahren läuft in zwei Schritten:
- CO2 wird zu Alkohol – spezielle Mikroben wandeln das Gas in einem Fermentationsprozess um, der ähnlich funktioniert wie Bierbrauen.
- Alkohol wird zu Fetten – weitere Mikroorganismen, in diesem Fall Hefen, produzieren daraus Öle und Fette.

Das Ergebnis ist ein 100 Prozent palmölfreies Fett, produziert ohne gentechnisch veränderte Organismen. In Tests zeigte es sich nicht nur vielseitig, sondern auch für die Hautpflege bestens geeignet.
„Ein Meilenstein“ für die Kosmetikindustrie
Die ersten Mengen werden aktuell im Pilotmaßstab im Fraunhofer-Zentrum in Leuna produziert. Es handelt sich noch um kleine Chargen im Kilogramm-Bereich, aber der Weg in den industriellen Maßstab ist eingeschlagen.
Peter Müller, CEO der Mibelle Group, spricht von einem Wendepunkt: „Das ist ein Meilenstein für die Kosmetikindustrie. Wir setzen neue Maßstäbe und unterstreichen unser Engagement, Verantwortung für unseren Planeten zu übernehmen und gleichzeitig Lieferketten robuster zu gestalten.“
Auch aus der Forschung kommen optimistische Töne. Susanne Heldmaier, Leiterin für Forschung und Innovation bei Mibelle, erklärt: „Wir haben mit dem Pilotprozess begonnen. Damit liegt der erste wichtige Schritt vor uns, um hochwertige Fette für die Kosmetik zu entwickeln. Produkte, die Haut und Umwelt schützen.“

Doppelte Wirkung: Hautpflege und Klimaschutz
Das Verfahren bietet gleich zwei Vorteile für die Umwelt:
- Weniger Druck auf die Regenwälder, weil weniger Ölpalmen angebaut werden.
- CO2 wird genutzt, statt in die Atmosphäre zu entweichen.
Damit wird das Gas, das sonst für Erderwärmung sorgt, in einen nachhaltigen Rohstoff verwandelt.
CO2 macht Palmöl überflüssig: Was sich für Verbraucher ändern könnte
Für Verbraucher steckt darin ein großes Versprechen: Künftige Cremes und Shampoos könnten mit Inhaltsstoffen hergestellt werden, die genauso pflegen wie Palmöl – nur ohne Regenwälder zu belasten. Hersteller gewinnen zugleich mehr Transparenz, weil sie klar ausweisen können, dass ihre Fette nicht aus tropischen Ölen stammen. Und: Wenn die Produktion in Europa läuft, werden Lieferketten stabiler und weniger abhängig von Weltmarktpreisen. Im Klartext: Klimafreundlichere Kosmetik im Regal – ohne Abstriche bei der Qualität.
Aber noch steckt die Produktion in den Kinderschuhen. Derzeit entstehen lediglich kleine Mengen im Pilotmaßstab. Bis daraus eine industrielle Fertigung wird, braucht es Zeit – und Investitionen. Gelingt die Skalierung, könnte der Palmöl-Ersatz nicht nur Cremes und Shampoos verändern, sondern auch Lebensmittel und Reinigungsmittel.
Kurz zusammengefasst:
- Palmöl ist zwar vielseitig und günstig, belastet aber Umwelt und Klima massiv – Abholzung, Artenverlust und CO2-Ausstoß sind die Folgen.
- Forscher haben ein Verfahren entwickelt, das aus Abgasen ein palmölfreies Fett herstellt, das sich für Kosmetik eignet und Regenwälder entlasten könnte.
- Noch läuft die Produktion im Pilotmaßstab, doch bei erfolgreicher Skalierung könnte der Ersatz auch Lebensmittel- und Reinigungsmittel-Industrie verändern.
Übrigens: Manche Feigenbäume binden CO2 nicht nur im Holz, sondern lagern es sogar als Kalkstein im Boden ab – dauerhaft gespeichert. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © MEvalyn via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0
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