Rückkehr des Fährtenlesens – Eine uralte Kunst wird zur digitalen Waffe für den Artenschutz
Eine alte Technik wird neu belebt: Mit moderner Technologie nutzt Louis Liebenberg das Fährtenlesen, um bedrohte Arten weltweit zu schützen.
Fährtenlesen – eine uralte Kunst, die einst das Überleben der Menschheit sicherte, erlebt ein unerwartetes Comeback. Im digitalen Zeitalter wird sie zur Rettungsleine für bedrohte Tierarten. Der südafrikanische Umweltschützer Louis Liebenberg nutzt diese Fähigkeit in Verbindung mit Technologie, um Ökosysteme zu bewahren. Der Standard aus Österreich berichtete kürzlich über sein innovatives Projekt.
Vor Jahrtausenden war das Fährtenlesen eine essenzielle Fähigkeit für Jäger und Sammler. Spurenlesen bedeutete Leben – es entschied über Nahrungssuche und Sicherheit. Doch mit der Sesshaftwerdung und der Technologisierung verblasste diese Fähigkeit. Heute wird sie nur noch von indigenen Gemeinschaften oder spezialisierten Berufsgruppen wie Wildhütern beherrscht. Doch Liebenberg verleiht dem Fährtenlesen eine völlig neue Bedeutung: Er hat eine Brücke zwischen traditionellem Wissen und moderner Wissenschaft geschlagen.
Wie eine App zum Schutz bedrohter Arten beiträgt
Mit seiner Anwendung „Cybertracker“ hat Louis Liebenberg das Fährtenlesen ins digitale Zeitalter geholt. Cybertracker ermöglicht es, Beobachtungen von Fährtenlesern direkt auf mobilen Geräten festzuhalten. Mithilfe von Symbolen können selbst Analphabeten präzise Daten zu Tierarten, Lebensräumen und Verhaltensweisen erfassen. Die Informationen werden automatisch mit GPS-Daten verknüpft und liefern wertvolle Erkenntnisse für Wissenschaft und Artenschutz.
„Durch Cybertracker können wir weltweit Ökosysteme in Echtzeit überwachen, während indigene Gemeinschaften von ihrer Expertise finanziell profitieren“, erklärt Liebenberg laut dem Standard. Die App hilft nicht nur bei der Überwachung bedrohter Arten oder der Bekämpfung von Wilderei, sondern hat sich auch als Frühwarnsystem bewährt. So zeigte die App im Kongo und in Gabun einen Rückgang bei Wildtierpopulationen, was auf einen bevorstehenden Ebola-Ausbruch hinwies.
Traditionelles Wissen bewahren und fördern
Liebenbergs Engagement begann in den 1980er Jahren, als er bei den !Xõ in der Kalahari-Wüste das Fährtenlesen erlernte. Während er die Kunst perfektionierte, wurde ihm klar, dass selbst in indigenen Gemeinschaften dieses Wissen zunehmend verloren ging. Liebenberg entwickelte daraufhin ein Zertifizierungssystem, das die Fähigkeiten der Fährtenleser objektiv bewertete. Diese Zertifikate öffneten Türen für Jobs im Tourismus oder Naturschutz. Seitdem wurden zehntausende solcher Zertifikate vergeben – ein wichtiger Schritt, um die Kunst des Fährtenlesens lebendig zu halten.
1997 präsentierte Liebenberg die erste Version von Cybertracker, die schnell weltweit Einsatz fand. Heute wird die App nicht nur von Wildhütern genutzt, sondern auch von Wissenschaftlern und Naturschutzorganisationen. Sie visualisiert die gesammelten Daten auf Karten und zeigt, wo Lebensräume bedroht sind oder Tierpopulationen schrumpfen.
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Wissenschaft beginnt im Sand
Besonders am Herzen liegt Liebenberg die Idee, das Fährtenlesen auch in die Bildung zu integrieren. „Die Kunst des Fährtenlesens ist perfekt, um Kindern wissenschaftliches Denken beizubringen“, sagt er. Der Fokus liegt dabei auf dem Wesentlichen: keine Bücher, keine Geräte – nur Spuren und die eigene Beobachtungsgabe. Diese Konzentration auf die Natur und die Fähigkeit, Muster zu erkennen, sei der Schlüssel zu einem besseren Verständnis der Umwelt.
Liebenbergs Arbeit wurde international anerkannt, unter anderem durch einen Preis der Uhrenmarke Rolex. Doch für ihn ist die Mission noch lange nicht beendet. Neben dem Ausbau der App möchte er vor allem die junge Generation dazu ermutigen, sich mit ihrer Umwelt zu verbinden.
Was du dir merken solltest:
- Louis Liebenberg hat mit der App „Cybertracker“ das Fährtenlesen digitalisiert und macht es so zu einem effektiven Werkzeug für den Artenschutz.
- Die App ermöglicht es, präzise Daten zu Tierarten und Lebensräumen zu erfassen, hilft beim Kampf gegen die Wilderei und dient sogar als Frühwarnsystem für Epidemien.
- Durch Zertifizierungen und Bildungsinitiativen bewahrt Liebenberg das Wissen indigener Fährtenleser und verbindet traditionelle Fähigkeiten mit moderner Wissenschaft.
Übrigens: Nach 300 Jahren kehrt der Waldrapp zurück nach Europa – mit menschlicher Hilfe. Begleitet von Ultraleichtflugzeugen lernen diese seltenen Vögel eine fast vergessene Migrationsroute. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Mikael Tham via Wikimedia unter CC BY 3.0