China verlegt Rechenzentren unter Wasser: Wie KI jetzt im Ozean arbeitet

China versenkt KI-Server im Meer – und senkt so den Stromverbrauch und Wasserbedarf von Rechenzentren deutlich.

China Rechenzentren

Computergrafik eines geplanten Unterwasser-Rechenzentrums vor Shanghai – betrieben mit Windstrom, entwickelt von Hailanyun Technology. © Hailanyun Technology

China geht bei der Digitalisierung neue Wege – und verlegt Teile seiner Infrastruktur buchstäblich unter die Meeresoberfläche. Denn um KI in großem Maßstab zu betreiben, braucht es nicht nur gigantische Rechenzentren, sondern auch genauso große Mengen Energie für die Kühlung der Server.

Allein für die Kühlung fließen in klassischen Rechenzentren rund 40 Prozent des gesamten Stromverbrauchs. Zusätzlich werden täglich Hunderttausende Liter Wasser verdampft oder verdunstet, um die entstehende Hitze abzuleiten.

Gerade in trockenen Regionen wie Arizona oder Südspanien entsteht dadurch ein Konflikt: Serverfarmen konkurrieren mit Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung um knappe Ressourcen. In China will man diesen Wettstreit umgehen – mit einem radikalen Ansatz: Rechenzentren unter Wasser, wie der Scientific American berichtet.

China versenkt Rechenzentren unter Wasser, um Energie, Platz und Süßwasser zu sparen

Etwa zehn Kilometer vor der Küste von Shanghai entsteht derzeit ein solches Rechenzentrum auf dem Meeresgrund. Der Betreiber Hailanyun, auch bekannt als HiCloud, verspricht: Die natürliche Kühlung durch das Meerwasser senkt den Strombedarf um mindestens 30 Prozent – im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen an Land. Der Strom stammt zu 97 Prozent aus einem nahegelegenen Offshore-Windpark.

Zunächst sollen 198 Serverracks installiert werden – genug für bis zu 792 KI-fähige Rechner. Zum Vergleich: Ein mittelgroßes Rechenzentrum an Land in China hat bis zu 3.000 dieser Racks, ein Großes über 10.000.

Das Projekt im Überblick:

  • Standort: etwa 10 km vor Shanghai
  • Versorgung: 97 Prozent Windenergie
  • Größe Phase 1: 198 Racks für 396–792 Server
  • Stromeinsparung: mindestens 30 Prozent
  • Nutzung: KI-Training auf dem Niveau von GPT-3.5 innerhalb eines Tages

Vorbild Microsoft – China zieht nun vorbei

Ganz neu ist die Idee nicht. Microsoft hatte mit dem Projekt „Natick“ vor zehn Jahren einen ähnlichen Test durchgeführt – mit 800 Servern in einer luftdicht verschlossenen Kapsel, versenkt vor der Küste Schottlands. Ergebnis: weniger Ausfälle, bessere Stabilität, geringere Wartungskosten. Die luftdichte Kapsel war mit Stickstoff gefüllt, das reduziert Korrosion. Menschen kamen gar nicht erst hinein – das schützt empfindliche Hardware.

Doch während Microsoft das Projekt nach zwei Jahren wieder einstellte, geht China jetzt in Serie. Unterstützt durch staatliche Programme hat Hailanyun den Schritt vom Experiment zur kommerziellen Anwendung in unter 30 Monaten geschafft.

„Etwas, das Microsofts Projekt Natick nie versucht hat“, sagt Zhang Ning von der University of California, Davis laut Scientific American.

Umweltfragen und Sicherheitsrisiken bleiben

Trotz der technischen Vorteile gibt es Bedenken. Das Rücklaufwasser der gekühlten Server ist wärmer als die Umgebung. Das könnte zum Problem werden – besonders in Zeiten mariner Hitzewellen. Der Sauerstoffgehalt im Wasser sinkt mit steigender Temperatur, was das Leben vieler Meerestiere gefährden kann.

Microsoft stellte beim eigenen Test eine lokale Erwärmung „um einige Tausendstel Grad“ fest – und stufte den Effekt als gering ein. Auch Hailanyun verweist auf einen Test im Perlfluss 2020: Die Temperatur des umgebenden Wassers stieg damals um weniger als ein Grad.

Laut Unternehmenssprecher Li Langping sei „praktisch kein wesentlicher Einfluss“ feststellbar gewesen.

Mögliche Risiken im Überblick:

  • Umweltrisiko: Erwärmtes Kühlwasser könnte Meeresökosysteme beeinträchtigen
  • Sicherheitslücke: Unterwasserschallwellen könnten gezielt Schäden verursachen
  • Regulierung: Noch fehlen klare Umweltauflagen für solche Anlagen

Auch Südkorea und Japan planen schwimmende Zentren

Andere Länder beobachten Chinas Vorstoß genau. In Südkorea laufen bereits Planungen für eigene Unterwasserzentren. Japan und Singapur denken über schwimmende Plattformen mit Servern nach – ein ähnlicher Ansatz, aber näher an der Wasseroberfläche.

Der entscheidende Faktor wird sein, wie schnell sich technische, ökologische und rechtliche Fragen klären lassen. China schreitet hier mit schnellem Tempo voran.

„Chinas ambitioniertes Vorgehen markiert einen mutigen Wandel hin zu CO2-armen digitalen Infrastrukturen und könnte globale Standards beeinflussen“, sagt Analystin Shabrina Nadhila vom Thinktank Ember.

Ob das Konzept wirklich Schule macht, wird sich erst zeigen, wenn weitere Projekte folgen – und der Praxistest im Alltag besteht. Doch eines steht jetzt schon fest: China denkt digitale Infrastruktur neu – und geht dafür sogar unter Wasser.

Kurz zusammengefasst:

  • China setzt bei der Kühlung energiehungriger Rechenzentren auf das Meer – und spart so bis zu 30 Prozent Strom und große Mengen an Süßwasser.
  • Die Unterwasser-Anlagen werden fast vollständig mit Windstrom betrieben und liefern genug Leistung, um große KI-Modelle wie GPT-3.5 in einem Tag zu trainieren.
  • Fachleute loben Chinas Tempo, warnen aber vor ökologischen Risiken und Sicherheitslücken durch Erwärmung und mögliche Sabotage unter Wasser.

Übrigens: Microsoft setzt auf Atomkraft, um den Stromhunger seiner KI-Systeme zu stillen – und wählt dafür ausgerechnet den Ort des schlimmsten Atomunfalls der USA. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Hailanyun Technology

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