Lebensmittelverschwendung: Was wäre, wenn Lebensmittel mit ihrem Nährwert gekennzeichnet wären?
Lebensmittelverschwendung: Kennzeichnungen könnten sichtbar machen, welche wertvollen Nährstoffe jährlich mit 11 Mio. Tonnen Müll verloren gehen.
Lebensmittelverschwendung ist ein weltweites Problem – und Deutschland bildet dabei keine Ausnahme. Hierzulande landen jährlich etwa 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Laut Statistischem Bundesamt entfallen 60 Prozent dieser Abfälle auf private Haushalte. Das entspricht rund 79 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Die Verschwendung belastet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Umwelt erheblich, da sie Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht. Doch könnte eine neue Idee aus Norwegen dazu beitragen, das Problem zu entschärfen?
Dort zeigt sich nämlich ein ähnliches Ausmaß der Lebensmittelverschwendung. Jedes Jahr werden im Land 417.000 Tonnen genießbare Lebensmittel entsorgt – das sind 78 Kilogramm pro Person. Diese Verschwendung verursacht 1,26 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente und macht nach Angaben der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF etwa 10 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen durch Lebensmittelabfälle aus. Angesichts dieser Zahlen fragen sich norwegische Forscher, wie man Konsumenten zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln bewegen könnte.
Nährwert sichtbar machen und Verschwendung drastisch reduzieren
Eine mögliche Lösung: Eine Kennzeichnung auf Verpackungen, die den Nährwert von weggeworfenen Lebensmitteln sichtbar macht. Diese könnte den Verbrauchern vor Augen führen, welche wertvollen Ressourcen sie entsorgen. So zeigte eine norwegische Analyse, dass der tägliche Lebensmittelabfall oft Nährstoffe enthält, die fast 10 Prozent der empfohlenen Tageszufuhr an Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett abdecken könnten – etwa den Gehalt von einer Scheibe Brot, einer halben Dose Makrele und einem Teelöffel Butter. Ein solcher Ansatz könnte auch in Deutschland ein erster Schritt sein, um Verbraucher zu sensibilisieren und die Verschwendung zu reduzieren.
Würden wir also weniger verschwenden, wenn uns der tatsächliche Verlust bewusst wäre?
Haushalte als Hauptverursacher der Lebensmittelverschwendung
Der Großteil der Lebensmittelverschwendung in Deutschland entsteht in Haushalten (60 Prozent). Oft landen Obst, Gemüse, Brot und Milchprodukte in der Tonne, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten oder die Lebensmittel falsch gelagert wurden. Ein weiterer Faktor: Unvollendete Mahlzeiten. Laut der norwegischen Abfallanalyse besteht 31 Prozent des genießbaren Abfalls aus Essensresten.
Lebensmittelverschwendung heizt auch das Klima an
Lebensmittelverschwendung ist nicht nur ein moralisches und wirtschaftliches Problem – sie ist eine ökologische Katastrophe. Jedes Jahr verursacht sie weltweit etwa 4,4 Milliarden Tonnen Treibhausgase, so die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Zum Vergleich: Diese Menge entspricht den CO2-Emissionen, die entstehen würden, wenn rund 600 Millionen Menschen einmal mit dem Auto um den gesamten Äquator fahren.
Wäre Lebensmittelverschwendung ein Land, stünde es nach China und den USA an dritter Stelle der größten Klimasünder.
Vom Acker bis zum Teller: Verschwendung in allen Sektoren
Nicht nur in deutschen Haushalten, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen Abfälle. In der Landwirtschaft werden laut dem BMEL etwa 2 Prozent der Lebensmittelabfälle produziert, in der Verarbeitung sind es 14 Prozent, im Handel 7 Prozent. Besonders in der Gastronomie und der Außer-Haus-Verpflegung zeigt sich mit 17 Prozent eine hohe Verschwendungsquote.
Viele dieser Abfälle sind vermeidbar: Obst mit kleinen Makeln, überschüssige Produktion oder falsch kalkulierte Mengen sind nur einige Ursachen. Gleichzeitig landen in Haushalten oft genießbare Lebensmittel im Müll, da sie als „unappetitlich“ empfunden werden. Laut den SINTEF-Forschern wären besser definierte Abfallströme und klarere Datenerhebungen essenzielle Schritte, um die Verschwendung von Lebensmitteln zu verringern.
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Was kann man gegen die Lebensmittelverschwendung tun?
Die Ansätze zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung sind vielfältig, aber oft nicht konkret genug. Im Einzelhandel spielt die Umverteilung unverkaufter Lebensmittel eine zentrale Rolle, etwa durch Spenden an Tafeln oder soziale Einrichtungen. Zusätzlich setzen Regierungen und private Unternehmen zunehmend auf öffentlich-private Partnerschaften, um Abfälle zu reduzieren und deren Auswirkungen auf Klima und Wasserressourcen einzudämmen.
Containern in Deutschland weiterhin verboten
Frankreich hat bereits gezeigt, wie der Umgang mit überschüssigen Lebensmitteln neu gedacht werden kann. Dort ist das sogenannte „Containern“ – das Retten von Lebensmitteln aus Supermarkt-Abfallbehältern – legal. Statt die Retter zu bestrafen, wird die Verschwendung selbst stärker sanktioniert. Die Supermärkte dürfen schon seit 2016 unverkaufte Lebensmittel nicht wegschmeißen. In Deutschland hingegen ist „Containern“ weiterhin strafbar. Pläne zur Entkriminalisierung gibt es: Bundesverbraucherminister Cem Özdemir kündigte 2023 an, das Retten von Lebensmitteln aus Containern zu legalisieren. Doch bislang fehlt die konkrete Umsetzung.
Was du dir merken solltest:
- Lebensmittelverschwendung verursacht jährlich Millionen Tonnen CO2-Emissionen und belastet Umwelt, Wirtschaft und Ressourcen erheblich.
- In Deutschland entstehen 60 Prozent der Abfälle in Haushalten, wo oft genießbare Lebensmittel durch falsche Lagerung oder Überproduktion entsorgt werden.
- Eine Kennzeichnung des Nährwerts von Abfällen könnte Verbrauchern verdeutlichen, welche wertvollen Nährstoffe verloren gehen, und so Verschwendung reduzieren.
Übrigens: Eine weitere Maßnahme gegen Lebensmittelverschwendung ist Pilzfermentation. Diese macht aus Lebensmittelabfällen nahrhafte Mahlzeiten. Wissenschaftler verwandeln Abfallprodukte damit in nachhaltige und köstliche Speisen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © PizzaToast via Wikimedia unter CC0 1.0