Norwegen stoppt Tiefseebergbau bis 2029 – Pause für den Meeresboden
Norwegen stoppt Tiefseebergbau bis 2029 – ein politischer Deal, der Umweltfragen vertagt und die Zukunft der Rohstoffpolitik offenlässt.
In der Tiefsee lagern Metalle für Batterien, Windräder und E-Autos – doch ihre Förderung bleibt vorerst gestoppt. Oslo zieht die Bremse. © Wikimedia
Norwegen friert die Vergabe von Lizenzen für den Tiefseebergbau bis mindestens 2029 ein. Damit rückt ein Rohstoffprojekt in die Warteschleife, das Kupfer, Zink und Metalle aus der Gruppe der „Seltenen Erden“ liefern könnte. Das sind jene Stoffe, nach denen moderne Technik und die Energiewende besonders hungern.
Hinter dem Schritt steht ein Haushaltskompromiss im Parlament. Die Einigung ist Teil des Budgetdeals, mit dem sich die sozialdemokratische Minderheitsregierung von Ministerpräsident Jonas Gahr Støre im Storting die Mehrheit sichert. Umstritten bleibt der Tiefseebergbau, weil er zwar wichtige Metalle liefern könnte, aber zugleich einen der am wenigsten erforschten Lebensräume der Erde bedroht.
Haushaltsdeal bremst plötzlich – und verschiebt die Industriepläne spürbar
Kern der neuen Einigung ist, dass bis zur Wahl 2029 keine erste Lizenzrunde startet. Darüber stritt Oslo monatelang. Denn Norwegen hatte Anfang 2024 den Tiefseebergbau grundsätzlich erlaubt und dafür bereits eine große Fläche auf dem Kontinentalschelf freigegeben.
Die Regierung hatte dabei stets betont, man wolle „fakten- und wissensbasiert“ vorgehen und nur dann weitergehen, wenn sich Lagerstätten als rentabel erweisen und sich „nachhaltig und verantwortungsvoll“ abbauen lassen. Diese Leitplanken bleiben stehen, nur der Zeitplan rutscht entscheidend nach hinten, so die norwegische Regierung.
Greenpeace Norwegen jubelt – und spricht vom „Nagel im Sarg“
Für Greenpeace ist das Moratorium ein Durchbruch. Die Organisation erklärt zum Haushaltsbeschluss, die Parteien hätten „zugesichert, dass vor der Parlamentswahl 2029 keine Lizenzen für den Abbau von Meeresboden-Mineralen vergeben werden“.
Besonders scharf fällt die Wortwahl von Halvard Raavand aus, dem kommissarischen Leiter von Greenpeace Norwegen: „Das ist der Nagel im Sarg für den norwegischen Tiefseebergbau. Ein fantastischer Tag für das Meer!“
Die Industrie warnt vor verpasster Wertschöpfung – und fordert Tempo und Daten
Auf der anderen Seite drängen Offshore- und Zulieferunternehmen auf Tempo. Der Branchenverband Offshore Norge sieht in Meeresboden-Mineralen den Startpunkt für eine neue Industrie. In einem Grundsatzpapier heißt es, „Suche und Gewinnung von Meeresboden-Mineralen“ könne „eine ganz neue Branche für Norwegen“ werden – mit „möglicherweise erheblichem Wertschöpfungspotenzial“.
Offshore Norge fordert außerdem mehr staatliche Hilfe für Kartierung und Forschung sowie besseren Zugang zu Expeditionsdaten. Denn ohne Messreihen, Bohrkerne und Umweltmonitoring bleibt vieles unsicher – und Investoren zögerlich.
Norwegen balanciert zwischen Rohstoffhunger und Naturschutz
Inhaltlich geht es um einen harten Zielkonflikt: sichere Rohstoffe gegen den Schutz eines Lebensraums, den Forscher erst ansatzweise kennen. Die norwegische Regierung verweist auf erwartete Vorkommen und darauf, dass Meeresboden-Minerale „wichtige Metalle“ für die globale Energieumstellung liefern könnten.
Gleichzeitig bleibt die ökologische Unsicherheit groß. Tiefsee-Ökosysteme verändern sich langsam, viele Arten sind kaum erfasst. Eingriffe lassen sich in mehreren tausend Metern Tiefe nur begrenzt kontrollieren. Diese Wissenslücke befeuert den Streit – und macht politische Stopps per Budgetdeal möglich.
Forscher rechnen im Labor deutlich sauberer – doch die Tiefsee bleibt heikel
Parallel zur politischen Pause läuft die Debatte im Labor weiter: Forscher rechnen vor, wie die Verarbeitung weniger CO₂ ausstoßen könnte.
Am Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien testen Forscher dafür ein wasserstoffbasiertes Schmelzverfahren (HPSR) im elektrischen Lichtbogenofen. „Wir reduzieren die getrockneten Erze direkt in einem elektrisch betriebenen Lichtbogenofen mit Wasserstoffplasma“, sagt Ubaid Manzoor.
In der Studie ist von bis zu 18 Prozent weniger Energiebedarf und bis zu 90 Prozent weniger direkten CO₂-Emissionen die Rede – aber nur mit Ökostrom und grünem Wasserstoff. Überraschend: Kupfer ließ sich im Labor ohne Säuren abtrennen, wenn die Schmelze unter inertem Gas kontrolliert abkühlt. Trotzdem bleibt der zentrale Punkt offen: Auch eine klimafreundlichere Verarbeitung macht den Eingriff in die Tiefsee nicht automatisch akzeptabel.
Kurz zusammengefasst:
- Norwegen hat beschlossen, bis 2029 keine neuen Lizenzen für den Tiefseebergbau zu vergeben – das Ergebnis eines politischen Kompromisses im Parlament.
- Befürworter sehen in Meeresboden-Mineralen eine Chance für neue Industrien, Gegner warnen vor Schäden an kaum erforschten Ökosystemen der Tiefsee.
- Forscher entwickeln parallel Verfahren, um Metalle aus Manganknollen klimafreundlicher zu gewinnen – doch die zentrale Umweltfrage bleibt offen.
Übrigens: Der Tiefseebergbau setzt Prozesse in Gang, die den Ozean langfristig auszehren – feine Abraumwolken verdrängen dort nahrhafte Partikel und schwächen zentrale Nahrungsketten. Neue Daten zeigen, wie stark das Ökosystem darunter leidet und warum sogar Fischbestände in Gefahr geraten könnten – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Wikimedia unter CC BY-SA 4.0
