Deutschland im Abwärtstrend: Sinkende Geburtenrate als Teil der globalen Krise

Die globale Geburtenkrise erreicht Deutschland: Mit nur 1,35 Kindern pro Frau sinkt die Geburtenrate drastisch – und setzt die Sozialsysteme unter Druck.

Die Geburtenrate in Deutschland liegt bei 1,35 Kindern pro Frau – deutlich unter dem Erhaltungsniveau. © Pexels

Die Geburtenrate in Deutschland liegt bei 1,35 Kindern pro Frau – deutlich unter dem Erhaltungsniveau. © Pexels

Die globale Geburtenkrise zieht weite Kreise und verunsichert Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger gleichermaßen. Eine aktuelle Zahl aus Großbritannien zeigt die Dramatik: Die durchschnittliche Geburtenrate liegt bei nur noch 1,44 Kindern pro Frau, meldet der Guardian. Auch in Deutschland wird die Situation zunehmend prekär. Die Geburtenrate hierzulande lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2023 bei nur 1,35 Kindern pro Frau – weit unter dem Erhaltungsniveau von 2,1. Diese Entwicklung ruft Fragen zur Zukunft der Sozialsysteme und zur Stabilität ganzer Wirtschaften auf.

Globale Geburtenkrise erreicht Deutschland

Besonders in Ostdeutschland sinkt die Geburtenrate stark, verglichen mit früheren Jahren. „Ganz offenbar haben die Coronakrise, der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und die nachfolgenden Realeinkommenseinbußen aufgrund hoher Inflation viele junge Familien dazu bewogen, mögliche Kinderwünsche erst einmal aufzuschieben“, sagt Joachim Ragnitz von der ifo Niederlassung Dresden. Diese Faktoren wirken sich deutlich auf das Gebärverhalten aus: „Das Gebärverhalten, ausgedrückt durch die Geburtenrate, hat sich in den vergangenen drei Jahren massiv verändert. Sie liegt aktuell nur noch bei 1,35 Kindern je Frau, während es 2021 noch 1,58 Kinder je Frau waren.“

Immer weniger Arbeitskräfte für immer mehr Rentner

Die alternde Bevölkerung belastet das Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Rentnern. In Deutschland, wo der Altersabhängigkeitsquotient inzwischen bei 58,07 Prozent liegt, droht eine finanzielle Schieflage: Immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter müssen die Altersversorgung und Gesundheitskosten für eine wachsende Rentnergeneration tragen. Ähnliches gilt für Großbritannien. Paul Morland, ein Demograf und Experte auf diesem Gebiet, zeigt sich besorgt und prognostiziert: „Der Altersabhängigkeitsquotient könnte bis Ende des Jahrhunderts auf 60 Prozent steigen.“ Das wären weniger als zwei Erwerbstätige pro Rentner – ein Szenario, das langfristig als „untragbar“ gilt, wie der Guardian berichtet.



Am 1. Juli 2024 zählte die UN 8,16 Milliarden Menschen weltweit – über die Hälfte lebt in Asien, weniger als ein Zehntel in Europa. © Statistisches Bundesamt

Sinkende Geburtenrate und wachsende Lebenserwartung

Es ist ein Doppelschlag für die Gesellschaften vieler Industrieländer: Während die Geburtenrate seit Jahrzehnten fällt, steigt gleichzeitig die Lebenserwartung. Die Zahlen sind beachtlich: Als der britische National Health Service (NHS) gegründet wurde, gab es in Großbritannien etwa 250.000 Menschen im Alter von 80 oder älter. Heute sind es über 1,5 Millionen, und bis Ende des Jahrhunderts könnten es knapp sechs Millionen werden. In Italien beispielsweise gibt es heute etwa gleich viele Kinder unter zehn Jahren wie Menschen über 80. Dieses „Altern der Gesellschaft“ bringt immer neue Herausforderungen und Kosten mit sich.

Migration als Rettungsanker? Chancen und Risiken

Vor dem Hintergrund dieser demografischen Schieflage setzen europäische Länder zunehmend auf Migration, um den Mangel an Arbeitskräften zu beheben. Die Bevölkerung Großbritanniens etwa würde ohne hohe Einwanderungsraten schrumpfen, und auch Deutschland profitiert stark von Zuwanderung, die Arbeitsmärkte und Sozialstrukturen stützt. Doch auch Migration bringt Schwierigkeiten: Einwanderung trägt zur Stärkung rechter Parteien in Europa bei, auch in Deutschland, wo die Debatte zunehmend polarisiert. Dennoch bleibt die Migration eine wesentliche Säule in den Bevölkerungsstrategien der EU.

Demografische Politik und die Debatte um Pro-Natalismus

Der Gedanke an staatliche Eingriffe in die Geburtenrate bleibt umstritten. In den vergangenen Jahrzehnten haben einige Länder versucht, das Wachstum der Bevölkerung zu beeinflussen – mit gemischtem Erfolg. Während China seine Ein-Kind-Politik zwischen 1979 und 2015 durchsetzte, um das Bevölkerungswachstum zu bremsen, hat sich das Land nun zu einer der am schnellsten alternden Gesellschaften der Welt entwickelt. Morland ruft zu einem kulturellen Wandel auf, der das Kinderkriegen attraktiver macht. „In Großbritannien und den USA bekommen Frauen durchschnittlich 0,75 Prozent weniger Kinder, als sie sich wünschen“, merkt er an. Eine fairere Verteilung der Kinderbetreuung könnte ein Anreiz sein.

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Kosten und Herausforderungen für Familien

Für viele Paare sind hohe Lebenshaltungskosten ein entscheidender Grund, den Kinderwunsch zu überdenken. Während in weniger entwickelten Ländern die Geburtenrate hoch bleibt, führen steigende Lebenshaltungskosten in Europa dazu, dass immer mehr Menschen auf Kinder verzichten. Ungarn investiert laut dem Guardian fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Maßnahmen, um die Geburtenrate zu erhöhen. Doch trotz dieser Maßnahmen bleibt auch hier die Rate bei nur 1,5 Kindern pro Frau, weit unter dem Erhaltungsniveau.

Was du dir merken solltest:

  • Die globale Geburtenkrise erreicht auch Deutschland. Die Geburtenrate liegt hier nur noch bei 1,35 Kindern pro Frau – weit unter dem notwendigen Erhaltungsniveau.
  • Der demografische Wandel bringt erhebliche Herausforderungen für Sozialsysteme und Renten mit sich, da immer weniger Erwerbstätige immer mehr Rentner unterstützen müssen.
  • In vielen Ländern wird Migration als mögliche Lösung betrachtet, doch auch diese bringt politische und soziale Spannungen.

Übrigens: Jedes zehnte Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Oftmals unterschätzen viele die eigene Fruchtbarkeit und fangen zu spät mit der Familienplanung an. Welche Gründe noch hinter einem unerfüllten Kinderwunsch stecken können, kannst du in unserem Artikel nachlesen.

Bild: © Pexels

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