Gegen Lärm und Emissionen: Deutsche Umwelthilfe fordert Tempo 30 in deutschen Innenstädten

Auf einem Abschnitt des Mittleren Rings in München soll bald Tempo 30 gelten. Was bedeutet das für die Autofahrer in München?

Tempo 30

Auf einem Teil des Münchner Mittleren Rings könnte bald Tempo 30 gelten. © Wikimedia

Die Stadt München plant, auf einem Teil des Mittleren Rings, zwischen der Dachauer Straße und der Arnulfstraße, eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h einzuführen. Diese Maßnahme folgt auf eine Anweisung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die Luftqualität in der Stadt zu verbessern. Der Oberbürgermeister Dieter Reiter hat im Stadtrat angekündigt, dass das Tempolimit möglichst bald, eventuell schon bis zum Sommer, umgesetzt werden könnte.

Deutsche Umwelthilfe fordert Tempo 30 in allen Städten

Nicht nur in München, sondern bundesweit drängt die Deutsche Umwelthilfe darauf, Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften als neue Regelgeschwindigkeit zu etablieren. Anlässlich des Internationalen Tages gegen Lärm (24. April) argumentiert die Deutsche Umwelthilfe, dass eine solche Änderung zu weniger Lärm, besserer Luft, mehr Aufenthaltsqualität und insbesondere mehr Sicherheit im Straßenverkehr führen würde. Laut der Umwelthilfe würden bereits einige europäische Länder positive Erfahrungen mit dieser Regelung machen. Seit der Einführung von Tempo 30 in Spanien im Jahr 2021 und ähnlichen Maßnahmen in Brüssel und 200 französischen Städten sei die Zahl der tödlichen Verkehrsunfälle um 70 Prozent gesunken. Zudem seien die Schwerverletzten in Brüssel um 22 Prozent und die Verkehrstoten um 55 Prozent zurückgegangen, während gleichzeitig die Zahl der Radfahrer um 20 Prozent zunahm.

Positive Effekte auf Lärm und Luftqualität bestätigt

Ein weiteres Argument für die Geschwindigkeitsreduktion sind die messbaren positiven Effekte auf Lärm und Luftqualität. Die Weltgesundheitsorganisation unterstützt die Forderung nach Tempo 30, „als zentrale Maßnahme zum Schutz von Menschenleben“. In Berlin konnte beispielsweise eine Reduktion der Stickstoffdioxidwerte um bis zu 8 Prozent festgestellt werden, nachdem die Höchstgeschwindigkeit auf fünf Hauptstraßen von 50 auf 30 km/h gesenkt wurde. Laut Daten aus Brüssel, so die Deutsche Umwelthilfe, wurde sogar eine Lärmminderung von bis zu 4,8 dB(A) erreicht, was auf das menschliche Ohr wie eine Halbierung des Verkehrsaufkommens wirke.

Rechtslage und Forderungen der Kommunen

Die Kommunen sehen sich jedoch durch das deutsche Straßenverkehrsrecht in ihrem Handlungsspielraum beschränkt. Über 140 Kommunen haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen und fordern von Verkehrsminister Wissing mehr Gestaltungsspielraum in Bezug auf das Thema Tempo 30 auf Hauptstraßen. Ein Rechtsgutachten habe nun die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt, insbesondere zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm könnten Städte weitreichende Tempo-30-Anordnungen rechtssicher umsetzen. Doch wie schnell die Bundesregierung auf diese Forderungen reagieren wird, bleibt ungewiss.

Was bedeutet die geplante Regelung konkret?

Für die Autofahrer in München bedeutet die geplante Regelung auf dem Mittleren Ring, dass sie sich auf niedrigere Geschwindigkeitslimits und potenziell strengere Kontrollen einstellen müssen. Diese Maßnahmen könnten kurzfristig zu Anpassungsschwierigkeiten führen, versprechen aber langfristig eine sicherere und umweltfreundlichere Fahrumgebung.

Experte kritisch: Tempo 30 ohne Effekt in Stoßzeiten

Klaus Bogenberger, Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität München, sagte im Gespräch mit BR24, dass grundsätzlich ein Auto bei 30 km/h weniger verbrauche als bei 50 km/h. Dennoch sei der Mittlere Ring zu den Hauptverkehrszeiten bereits so überlastet, dass Autos häufig nicht schneller als 30 km/h fahren könnten. „Dann ist es wurscht, dann kann man theoretisch auch Tempo 200 anordnen“, bemerkte Bogenberger. Er erwarte daher keine Veränderungen während der Rush Hour durch das neue Tempolimit. In den weniger stark befahrenen Zeiten könne allerdings eine leichte Reduktion der Schadstoffemissionen eintreten, ob diese jedoch ausreiche, um die Grenzwerte einzuhalten, sei unsicher.

Verursacht Tempo 30 mehr Staus?

Entgegen der verbreiteten Meinung, dass eine niedrigere Geschwindigkeitsbegrenzung die Verkehrskapazität einer Straße reduziert, zeigt eine Untersuchung des Umweltbundesamts, dass dies meist nicht der Fall ist. Die Studie stellt fest, dass nicht die Höchstgeschwindigkeit, sondern die Länge der Grünphasen an Ampeln ausschlaggebend für die Leistungsfähigkeit einer Straße ist. Einhalten des vorgeschriebenen Mindestabstands führt dazu, dass der zeitliche Abstand zwischen den Fahrzeugen konstant bei 1,8 Sekunden bleibt, unabhängig davon, ob sie mit 30 km/h oder 50 km/h unterwegs sind. Daher können pro Stunde und Fahrstreifen etwa 2.000 Fahrzeuge passieren, unabhängig von der festgelegten Höchstgeschwindigkeit.

Was du dir merken solltest:

  • Die Stadt München plant, auf einem Abschnitt des Mittleren Rings zwischen der Dachauer Straße und der Arnulfstraße Tempo 30 einzuführen, um die Luftqualität zu verbessern, wobei Oberbürgermeister Dieter Reiter eine baldige Umsetzung, eventuell schon bis zum Sommer, anstrebt.
  • Die Deutsche Umwelthilfe drängt auf eine bundesweite Einführung von Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften, um Lärm zu reduzieren und die Sicherheit zu erhöhen, mit dem Hinweis auf erfolgreiche Beispiele aus Spanien, Brüssel und Frankreich.
  • Trotz messbarer positiver Effekte auf Lärm und Luftqualität durch Tempo 30, wie von der Weltgesundheitsorganisation unterstützt, äußert Klaus Bogenberger, Verkehrswissenschaftler an der Technischen Universität München, Zweifel an der Effektivität dieser Maßnahme.

Bild: © Renardo la vulpo via Wikimedia unter CC1-Lizenz

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