Stress durch Geräusche verschlimmert Schmerzen und schwächt die Wirkung von Medikamenten

Laute Geräusche im Krankenhaus können bei Patienten Stress auslösen: Dieser verstärkt Schmerzen und bremst Schmerzmittel aus.

Stress durch Geräusche verschlimmert Schmerzen

Laute Geräusche in Kliniken – sei es durch Geräte, Stimmen oder Umgebungslärm – könnten den Schmerz von Patienten beeinflussen. Darauf weist zumindest eine neue Studie hin. © Pexels

Ein Patient liegt frisch operiert auf der Station. Im Flur nebenan quietscht der Reinigungswagen und ein Monitor piept – was für viele höchstens als störend wahrgenommen wird, bedeutet für Menschen mit Schmerzen weitaus mehr. Japanische Wissenschaftler haben jetzt in einem Experiment an Mäusen gezeigt: Akustischer Stress wie das Hören von Schmerzenslauten reicht aus, um Schmerzen zu verstärken. Auch gesunde Mäuse litten stärker, obwohl sie gar nicht verletzt waren.

Schmerz ohne Verletzung: Der Bystander-Effekt im Tiermodell

Ein zentrales Konzept in der Studie ist die sogenannte Bystander-Hyperalgesie. Darunter verstehen Forscher eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei Tieren, die selbst gar keine Verletzung erlitten haben – sondern lediglich mit schmerzgeplagten Artgenossen in Kontakt kommen. Das Gehirn reagiert auf das Leiden anderer, als wäre der eigene Körper betroffen. In der aktuellen Untersuchung reichte sogar das bloße Hören von Schmerzenslauten, um diesen Effekt auszulösen.

Mäuse hören Leid – und reagieren empfindlicher auf Schmerz

Das Forschungsteam unter Leitung von Satoka Kasai, Assistenzprofessorin an der Tokyo University of Science untersuchte sogenannte Ultraschall-Laute. Diese für Menschen unhörbaren Töne stoßen Mäuse aus, wenn sie Schmerzen empfinden. „Wir zeigen erstmals, dass solche Laute bei anderen Mäusen Schmerzen auslösen – rein durch das Hören“, sagt sie.

Die Studie erschien in der Fachzeitschrift PLOS One. Das Team nahm Schmerzlaute auf und spielte sie anderen Mäusen in schalldichten Boxen vor. Die Tiere waren dabei allein. Es gab keinen Kontakt zu Artgenossen, keine Gerüche, keine Bewegung – nur Ton.

Danach testeten die Forscher, wie empfindlich die Tiere auf Berührung reagierten. Mit dünnen Kunststofffasern – sogenannten Von-Frey-Filamenten – reizten sie die Pfoten der Mäuse. Die Tiere zogen sie deutlich früher zurück als üblich. Der Schmerz war stärker, obwohl kein körperlicher Reiz vorausgegangen war.

Eine schematische Darstellung des Experiments: Eine Maus wurde fixiert und ihr Schwanz mit einer Arterienklemme geklemmt, um ihre Lautäußerungen im Schmerz aufzuzeichnen. Andere Mäuse waren diesen Klängen vier Stunden lang in einer schalldichten Box ausgesetzt. Quelle: Studie
Eine schematische Darstellung des Experiments: Eine Maus wurde fixiert und ihr Schwanz mit einer Arterienklemme geklemmt, um ihre Lautäußerungen im Schmerz aufzuzeichnen. Andere Mäuse waren diesen Klängen vier Stunden lang in einer schalldichten Box ausgesetzt. Quelle: Studie

Geräusche beeinflussen Genaktivität im Gehirn

Die Forscher gingen noch einen Schritt weiter. Sie untersuchten das Gehirn der Tiere. Dabei fanden sie auffällige Veränderungen: 444 Gene waren stärker aktiv als gewöhnlich. Gleichzeitig wurden 231 Gene heruntergefahren.

Auffällig war die Aktivierung bestimmter Signalwege. Sie stehen in Verbindung mit Immunreaktionen, etwa der Lipopolysaccharid-Antwort und dem Tumornekrosefaktor. Solche Prozesse gelten als klassische Entzündungstreiber im Körper.

Medikamente dämpfen Schmerz nur zum Teil

In einem weiteren Versuch gaben die Forscher den Mäusen entzündungshemmende Medikamente und sie wirkten: Der akustisch verstärkte Schmerz ließ nach. Bei Mäusen mit bestehenden Entzündungen zeigte sich jedoch ein anderes Bild. Wenn diese zusätzlich Schmerzlaute hörten, blieb der Effekt der Medikamente schwächer.

„Schallstress verschärft nicht nur entzündliche Schmerzen“, so Kasai, „er kann auch die Wirkung von Schmerzmitteln abschwächen.“

Lärm im Krankenzimmer – eine unterschätzte Gefahr

Die Professoren Satoru Miyazaki und Akiyoshi Saitoh, beide Mitautoren der Studie von der Tokyo University of Science, weisen auf die Anwendung im medizinischen Alltag hin. Laute Geräusche in Kliniken – sei es durch Geräte, Stimmen oder Umgebungslärm – könnten den Schmerz von Patienten beeinflussen. Gerade in sensiblen Phasen, etwa nach einer Operation, könne das Folgen haben.

Geräusche treffen nicht nur das Ohr: Sie aktivieren Hirnregionen, die für Schmerzverarbeitung und Emotion zuständig sind. Das könnte erklären, warum manche Patienten über unerklärliche Schmerzen klagen, obwohl medizinisch keine Ursache vorliegt. Wenn akustischer Stress im Gehirn Entzündungen auslöst, verändert das die Wahrnehmung. Eine laute Umgebung kann den Verlauf von Schmerzen verschlimmern – besonders bei Menschen mit bestehenden Beschwerden.

Neue Ansätze für Schmerztherapie

Das Expertenteam will nun weiterforschen. Es geht um die Frage, wie Emotionen über Ton übertragen werden. Was passiert im Gehirn, wenn man Angst hört? Wie reagieren Nervenzellen auf Laute, die Einsamkeit oder Panik spiegeln?

„Wir hoffen, mit diesen Erkenntnissen neue Ansätze für die Schmerztherapie zu entwickeln“, sagt Kasai. Ziel sei eine Behandlung, die nicht nur die körperliche, sondern auch die emotionale Dimension berücksichtigt.

Kurz zusammengefasst:

  • Schon das Hören von Geräuschen, die Stress verursachen, kann bei Mäusen Schmerzen auslösen – ganz ohne Berührung oder Verletzung.
  • Der Geräuschstress verändert die Genaktivität im Gehirn und aktiviert Entzündungsprozesse.
  • Schallstress kann die Wirkung von Schmerzmitteln abschwächen und den Heilungsverlauf negativ beeinflussen.

Übrigens: Eine groß angelegte Studie zeigt, dass chronische Schmerzen oft Folge eines Nährstoffmangels sind. Mehr zum Thema gibt es in diesem Artikel.

Bild: © Pexels

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