Mediation mit Strom – Sanfte Stimulation am Ohr verdoppelt Wirkung
Ein kleines Gerät am Ohr sendet beim Meditieren schmerzfreie Stromimpulse an den Vagusnerv – und macht sie so messbar wirkungsvoller.

Meditation hilft, den Kopf zu klären und den Körper zu beruhigen – besonders, wenn beides im hektischen Alltag aus dem Gleichgewicht geraten ist. © Pexels
Meditation gilt als sinnvolle Methode, um zur Ruhe zu kommen, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und besser mit sich selbst umzugehen. Doch nicht jedem fällt es leicht, sich darauf wirklich einzulassen oder im Moment zu bleiben. Eine etwas überraschende Maßnahme könnte dabei helfen: Forscher des University College London haben in einer Studie herausgefunden, dass sanfte Stromstöße am Ohr das Meditieren spürbar wirksamer machen.
Konkret nutzten sie elektrische Impulse, die gezielt auf einen Punkt an der Ohrmuschel gerichtet wurden. Ziel war es, den sogenannten Vagusnerv zu stimulieren. Dieser Nerv wirkt wie eine biologische Schaltzentrale für Entspannung und emotionale Ausgeglichenheit. Er verbindet das Gehirn mit wichtigen Organen wie Herz und Magen.
Stromstöße und Meditieren wirken gemeinsam – nicht einzeln
Die Wirkung zeigte sich erst in Kombination. Nur wer gleichzeitig meditierte und dabei den Vagusnerv stimulierte, entwickelte ein spürbar stärkeres Selbstmitgefühl. Nur Meditation half weniger. Und auch die Stromstöße allein wirkten kaum.
„Ein kleiner Impuls am Ohr kann die Wirkung von Meditation deutlich verstärken – besonders beim Thema Selbstmitgefühl“, sagte Studienleiter Professor Sunjeev Kamboj.
Innerlich ruhiger werden – schon nach der ersten Sitzung
Die Veränderung trat schnell ein. Schon nach einer Sitzung fühlten sich viele Teilnehmer gelassener und näher bei sich selbst. Manche beschrieben, dass sie weniger Druck verspürten und geduldiger mit ihren Gedanken wurden.
In den folgenden Tagen nahm vor allem ihre Achtsamkeit zu – also die Fähigkeit, im Moment zu bleiben und die eigenen Gefühle klar wahrzunehmen. Auch hier zeigte sich: Meditation allein brachte nicht denselben Effekt wie in Kombination mit der Stimulation.
Von wegen schmerzhaft
Die elektrischen Impulse sind kaum spürbar und schmerzfrei. Sie werden über eine Elektrode direkt an der Außenseite des Ohrs verabreicht – dort, wo Nervenbahnen dicht unter der Haut liegen. Das Verfahren ist nicht invasiv und gut verträglich.

Ziel ist es, den Parasympathikus zu aktivieren, das System im Körper, das für Entspannung, Heilung und Regeneration zuständig ist. Im Alltag überwiegt oft der Gegenspieler: der Sympathikus, der für Alarm, Stress und Fluchtbereitschaft sorgt.
Selbstkritik bleibt, Gelassenheit wächst
Nicht alle Effekte traten gleichermaßen ein. Zwar stieg das Selbstmitgefühl, doch die innere Kritik blieb oft bestehen. Auch körperliche Messwerte wie die Herzfrequenzveränderung reagierten kaum auf die Stromstöße.
Dennoch veränderte sich die Haltung gegenüber eigenen Fehlern. Die Teilnehmer wurden nicht unbedingt nachsichtiger in der Bewertung mit sich selbst, aber sie gingen gelassener damit um. Diese Fähigkeit zählt zu den wichtigsten Ressourcen für psychische Gesundheit – besonders in belastenden Lebensphasen.
Methode richtet sich bisher nur an Gesunde – weitere Studien geplant
Getestet wurde die Methode bislang nur an gesunden Erwachsenen. Ob sie auch Menschen mit Depressionen, Angststörungen oder traumatischen Erfahrungen helfen kann, blieb zunächst offen.
Das Forschungsteam plant jedoch weitere Studien. Gerade für Therapieansätze in Kliniken oder Praxen könnte die Methode interessant werden, als Verstärker für bestehende Programme wie Achtsamkeitstraining oder Mitgefühlsmeditation.
Kurz zusammengefasst:
- Sanfte Stromstöße am Ohr machen Meditieren messbar wirkungsvoller, wenn sie gezielt den Vagusnerv aktivieren.
- In Kombination mit Mitgefühlsmeditation verbesserten sich Achtsamkeit und Selbstmitgefühl spürbar – schneller und stärker als ohne Stimulation.
- Die Methode ist schmerzfrei, gut verträglich und könnte künftig helfen, psychotherapeutische Meditationstrainings wirksamer zu gestalten.
Übrigens: Wer mit Meditation zur Ruhe kommt, schläft oft auch besser. Und wer abends trotzdem grübelt, kann den Kopf mit einer einfachen Denkübung austricksen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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