Ozempic macht schlank – und bis zu 5 Jahre jünger: Studie zeigt verblüffenden Anti-Aging-Effekt
Eine Studie deutet darauf hin, dass Ozempic nicht nur beim Abnehmen hilft, sondern auch die Alterung um mehrere Jahre verlangsamen kann.

Bluttests zeigen: Der Wirkstoff Semaglutid bremst bei bestimmten Patienten nicht nur den Fettaufbau, sondern auch das Tempo des Alterns. © Wikimedia
Dass die Spritze Ozempic mit dem Wirkstoff Semaglutid beim Abnehmen hilft, ist längst bekannt. Jetzt deuten neue Forschungsergebnisse darauf hin, dass sie noch mehr kann: die Alterung im Körper verlangsamen – und den Prozess in manchen Fällen sogar umkehren.
Semaglutid ahmt ein körpereigenes Hormon nach, das den Blutzuckerspiegel reguliert und das Sättigungsgefühl verstärkt. In einer aktuellen Untersuchung zeigte sich: Bei Menschen mit HIV-assoziierter Fettverteilungsstörung wirkte das Medikament nicht nur auf Gewicht und Fettpolster, sondern auch auf molekularer Ebene – gemessen an Biomarkern der biologischen Alterung.
Die Studie ist ein Preprint auf dem Fachserver medRxiv. Das bedeutet: Die Ergebnisse wurden noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet und sind vorläufig. Dennoch sehen Forscher darin einen wichtigen Schritt, um zu verstehen, wie Medikamente wie Ozempic die Alterung beeinflussen können.
Ozempic kehrt Alterung um – bis zu fünf Jahre biologisch jünger
An der Studie nahmen 108 Erwachsene teil. Bei 84 von ihnen lagen vollständige Blutproben vor, um das biologische Alter zu bestimmen. Die Teilnehmer waren im Schnitt 49 Jahre alt und hatten im Mittel einen Body-Mass-Index von 32,9 – das entspricht starkem Übergewicht.
Alle lebten seit längerer Zeit mit einer gut eingestellten HIV-Infektion, bei der die Viruslast unter der Therapie stabil niedrig blieb. Außerdem hatte niemand zusätzlich eine Erkrankung wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Leiden, die die Ergebnisse hätten verfälschen können.
Gemessen wurde das biologische Alter mit sogenannten epigenetischen Uhren. Diese messen die DNA-Methylierung – chemische Marker, die Gene an- oder abschalten. Mit zunehmendem Alter verändern sich diese Muster vorhersehbar. Lebensstil, Krankheiten oder Medikamente können diesen Prozess beschleunigen oder bremsen. In der Studie zeigte sich:
- Die Teilnehmer mit Semaglutid wurden im Schnitt 3,1 Jahre biologisch jünger.
- Die Alterungsgeschwindigkeit sank um rund 9 Prozent.
- In einzelnen Organ- und Funktionssystemen lag die „Verjüngung“ sogar bei knapp 5 Jahren – vor allem im Gehirn, bei Herz und Entzündungsprozessen.
„Semaglutid führte zu einer Verringerung der epigenetischen Alterung um etwa drei Jahre anhand des PCGrimAge-Messers“, heißt es im Studienbericht.
Der Vorteil: Solche Marker reagieren oft schneller auf Therapien als klinische Symptome. In dieser Studie ließ sich der Effekt bereits nach acht Monaten nachweisen.
Welche Organe besonders profitieren
Die Forscher nutzten elf spezielle „Systemuhren“, um zu prüfen, wie sich die Alterung in einzelnen Organsystemen verändert. Das Ergebnis:
- Entzündungssystem: -5,01 Jahre
- Gehirn: -4,99 Jahre
- Herz: -4,34 Jahre
- Blut: -4,37 Jahre
- Nieren: -4,20 Jahre
- Leber: -4,19 Jahre
- Stoffwechsel: -4,72 Jahre
Eine Uhr, die die körperliche und geistige Belastbarkeit misst, zeigte keine Veränderung. Das legt nahe, dass nicht alle Alterungsprozesse gleichermaßen reagieren.
Fettabbau als möglicher Schlüssel
In der Untersuchung zeigte sich, dass Semaglutid nicht nur das Gewicht senkte, sondern vor allem das gefährliche Fett im Bauchraum deutlich reduzierte. Dieses sogenannte viszerale Fett gilt als besonders problematisch, weil es Botenstoffe freisetzt, die Alterungsprozesse beschleunigen können. Die Studienteilnehmer verloren im Schnitt:
- Rückgang des viszeralen Fetts um 30,6 Prozent
- Abnahme des subkutanen Fetts um 11,2 Prozent
Diese Veränderungen gelten als möglicher Schlüssel dafür, warum die biologische Alterung in der Studie messbar gebremst wurde.
Übergewicht hinterlässt oft ein „epigenetisches Gedächtnis“ im Gewebe – dauerhafte Veränderungen in der Genregulation, die auch nach Gewichtsverlust bestehen bleiben können. Semaglutid könnte helfen, diese Signaturen teilweise zu löschen.
Erster klinischer Beweis für Anti-Aging-Effekt
Bisher gab es nur Tierexperimente und Beobachtungsstudien, die andeuteten, dass GLP-1-Agonisten wie Semaglutid den Alterungsprozess beeinflussen könnten. Diese Studie liefert erstmals Daten aus einer kontrollierten, randomisierten klinischen Untersuchung.
„Diese Befunde liefern, soweit wir wissen, die erste klinische Evidenz, dass Semaglutid validierte epigenetische Biomarker des Alterns moduliert“, sagt Studienleiter Varun Dwaraka laut NewScientist.
Nebenwirkungen und Einschränkungen
Gravierende Nebenwirkungen traten nicht häufiger auf als in der Placebo-Gruppe. Vereinzelt kam es zu Gallensteinen oder erhöhten Lipasewerten.
Allerdings: Die Ergebnisse gelten bisher nur für Menschen mit HIV-assoziierter Fettverteilungsstörung. Ob gesunde Personen oder andere Patientengruppen ähnlich profitieren, ist unklar. Auch die Langzeitwirkung muss erst noch in Studien belegt werden.
„Es ist verfrüht, es als allgemeine Anti-Aging-Therapie zu verschreiben“, warnt Dwaraka.
Potenzial über die HIV-Gruppe hinaus?
Viele der biologischen Veränderungen betreffen grundlegende Stoffwechsel- und Alterungsmechanismen, die nicht auf HIV beschränkt sind. Der US-Forscher Randy Seeley erklärt laut NewScientist: „Es ist nicht überraschend, dass diese Medikamente die Alterung verlangsamen, da sie die metabolische Belastung vieler Zelltypen verringern und Entzündungen senken.“
Das macht Hoffnung, dass ähnliche Effekte auch in anderen Bevölkerungsgruppen möglich sind – dies muss aber noch wissenschaftlich bestätigt werden.
Kurz zusammengefasst:
- Semaglutid, bekannt als Ozempic, kann bei Menschen mit HIV-assoziierter Fettverteilungsstörung nicht nur das Gewicht reduzieren, sondern auch die biologische Alterung im Blut um mehrere Jahre verlangsamen oder teilweise umkehren.
- Die stärksten Effekte zeigten sich in Organ- und Funktionssystemen wie Gehirn, Herz und Entzündung – mit messbaren Verbesserungen von bis zu knapp fünf Jahren.
- Die Ergebnisse stammen aus einem Preprint und sind vorläufig; sie wurden noch nicht von unabhängigen Experten geprüft und gelten bisher nur für die untersuchte Patientengruppe.
Übrigens: Forscher in Kalifornien haben ein winziges Protein entdeckt, das wie ein Schalter steuert, wie viel Fett der Körper speichert. Dieses Mikroprotein könnte der Schlüssel zu neuen, gezielteren und verträglicheren Therapien gegen Übergewicht sein – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Chemist4U via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0