Krebsgefahr zum Mitnehmen – Wiener Forscher warnen vor Mikroplastik aus Joghurt- und Coffee-to-go-Bechern
Mikroplastik aus Joghurtbechern und Coffee-to-go-Deckeln gelangt beim Trinken in die Lunge. Wiener Forscher warnen vor Krebsrisiko.

Coffee-to-go-Becher gehören für viele zum Alltag – doch ihr Verschlusslack kann Mikroplastik freisetzen, das über das Getränk in die Lunge gelangen kann. © Unsplash
Mit jedem Atemzug strömt nicht nur Sauerstoff in den Körper. Auch winzige Kunststoffpartikel aus der Luft – zwischen Pollen, Staub und Abgasen – gelangen unbemerkt tief in die Atemwege. Besonders betroffen ist die Lunge, die rund 20.000 Mal täglich Luft filtert und dabei zur Eintrittspforte für Mikroplastik wird. Eine neue Studie der Medizinischen Universität Wien zeigt nun, wie diese unsichtbaren Teilchen das Lungengewebe verändern können.
Im Mittelpunkt der Untersuchung stand sogenanntes Polystyrol-Mikroplastik. Dieser Kunststoff ist in vielen Alltagsprodukten enthalten – etwa in Lebensmittelverpackungen, Einweggeschirr, Coffee-to-go-Bechern oder Joghurtdeckeln. Die Partikel, die untersucht wurden, messen nur 0,25 Mikrometer – sie sind damit etwa hundertmal dünner als ein menschliches Haar. Aufgrund ihrer geringen Größe gelangen sie besonders tief in das empfindliche Lungengewebe.
Gesunde Lungenzellen nehmen besonders viel Mikroplastik auf
Die Forscher fanden heraus, dass vor allem gesunde Lungenzellen die Partikel stark aufnehmen. Bereits bösartig veränderte Zellen nehmen sie dagegen kaum noch auf. Das bedeutet: Intaktes Lungengewebe ist am meisten gefährdet.
Einmal eingedrungen, verändern die Partikel das Verhalten der Zellen. Sie bewegen sich häufiger, produzieren schädliche Moleküle und vermehrt sogenannte freie Radikale. Diese greifen das Zellinnere an und verursachen Schäden.
Zellen wehren sich – verlieren aber ihre Schutzkraft
Die Studie zeigt, dass gesunde Lungenzellen auf Mikroplastikpartikel mit auffälligen Veränderungen reagieren. Diese biologischen Prozesse deuten auf eine mögliche frühe Schädigung hin:
- Die Zellen bewegen sich stärker als üblich (verstärkte Zellmigration).
- Es treten Schäden im Erbgut auf (DNA-Schäden).
- Es entsteht oxidativer Stress durch vermehrte freie Radikale.
- Signalwege, die Zellwachstum fördern, werden aktiviert.
- Die Reparaturfähigkeit der Zellen nimmt messbar ab.
Genau solche Veränderungen gelten als Frühzeichen für eine mögliche Krebsentstehung. Die Zellen wachsen schneller, reparieren sich schlechter und reagieren empfindlicher auf Stress. Damit entsteht eine gefährliche Mischung. Noch gesunde Zellen könnten durch diese Einflüsse langfristig krank werden.
„Wir konnten eine Aktivierung von antioxidativen Schutzsystemen beobachten. Das deutet darauf hin, dass sich die Zellen aktiv gegen den Stress durch Plastikpartikel zur Wehr setzen“, sagt Studienautorin Büsra Ernhofer. Doch diese Schutzmechanismen reichen offenbar nicht aus.
Die Lunge ist besonders anfällig für Mikroplastik
Die Lunge gehört zu den wichtigsten Eintrittspforten für Mikroplastik. Niemand kann sich der Belastung vollständig entziehen – weder draußen noch in geschlossenen Räumen. Besonders in Städten oder schlecht gelüfteten Innenräumen sammeln sich winzige Plastikfasern aus Kleidung, Reifenabrieb oder Verpackungen. Sie gelangen direkt in die Atemwege.
Je kleiner die Teilchen, desto tiefer dringen sie ein. Nanoplastik erreicht sogar feinste Lungenbläschen. Dort können die Partikel länger verbleiben – und so ihre Wirkung entfalten.
Mikroplastik im echten Lungengewebe gefunden
Die Sorge ist nicht unbegründet. In einer ergänzenden Untersuchung wurden bei 11 von 13 Gewebeproben lebender Menschen Mikroplastikpartikel in der Lunge nachgewiesen. Die Gefahr ist also nicht nur theoretisch – sie ist real.
Die Erkenntnisse werfen neue Fragen zur Verbindung zwischen Plastikbelastung, Lungenerkrankungen und Krebs auf.
Balazs Döme
Aus Sicht der Forscher braucht es dringend mehr Forschung an dieser Schnittstelle von Umweltmedizin und Onkologie. Auch strengere Umweltauflagen, bessere Filtertechnologien und eine spürbare Reduktion des weltweiten Plastikverbrauchs sind erforderlich. Andernfalls steigt die Belastung für die Lunge – und mit ihr das Gesundheitsrisiko für viele Menschen.
Kurz zusammengefasst:
- Mikroplastik gelangt über die Luft in die Lunge, lagert sich dort ab und kann gesunde Zellen so stark verändern, dass Krebs entstehen könnte.
- Besonders betroffen ist gesundes Lungengewebe, das die winzigen Partikel besonders stark aufnimmt – unter anderem solche, die aus Alltagsgegenständen wie Joghurtbechern oder Coffee-to-go-Deckeln stammen.
- Die Wissenschaftler fanden Mikroplastik auch in echtem Lungengewebe und fordern deshalb mehr Forschung und strengere Regeln zum Schutz der Gesundheit.
Übrigens: Wer beim Einkauf zur Glasflasche greift, um Plastik zu vermeiden, könnte genau das Gegenteil erreichen. Neue Daten zeigen: In vielen Getränken aus Glas steckt mehr Mikroplastik als in Plastikflaschen – doch worin liegt der Grund? Die Antwort liefert unser Artikel.
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