Mangelernährung in deutschen Krankenhäusern – Tausende hungern und sterben daran

Mangelernährung in Krankenhäusern kostet jedes Jahr 200.000 Menschen das Leben – mehr als 55.000 Todesfälle wären durch Ernährung vermeidbar.

Mangelernährung in Krankenhäusern – Patienten verhungern still

Mangelernährung in Krankenhäusern: Was auf dem Teller liegt, reicht oft nicht – und kostet jedes Jahr Zehntausenden das Leben. © DALL-E

Jedes Jahr sterben in deutschen Krankenhäusern rund 200.000 Menschen, die zusätzlich unter Mangelernährung leiden – das meldet die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Mehr als 55.000 dieser Todesfälle wären vermeidbar, wenn Kliniken frühzeitig handeln würden. Doch oft bleibt unbemerkt, dass schwer kranke Menschen buchstäblich aushungern – nicht zu Hause, sondern mitten in der medizinischen Versorgung.

Was viele nicht wissen: Mangelernährung erhöht das Sterberisiko deutlich. Gleichzeitig verzögert sie die Genesung und erschwert jede Therapie. „Mangelernährung ist kein Randproblem. Sie führt vielfach zu Komplikationen in der Behandlung und mindert die Lebensqualität der Betroffenen erheblich“, warnt DGEM-Vizepräsident Matthias Pirlich. Studien zeigen: Die stationäre Verweildauer steigt bei Betroffenen im Schnitt um über 40 Prozent – mit erheblichen Folgekosten für das gesamte System.

Zumal die Kosten für die Verpflegung oft minimal ausfallen: Gerade einmal 5 bis 6 Euro pro Tag und Patient stehen laut DGEM im Schnitt zur Verfügung – für alle Mahlzeiten, Getränke und oft auch das beteiligte Personal.

Mangelernährung in Krankenhäusern wird unterschätzt

Die Gründe für die Mangelernährung in den deutschen Krankenhäusern sind vielfältig: Kein Appetit, schlechtsitzende Zahnprothesen, chronische Entzündungen oder schlicht Einsamkeit. Wer dann im Krankenhaus weiter zu wenig isst, verliert rasch an Gewicht und Muskelmasse.

Der Körper gerät in eine Abwärtsspirale: Die Immunabwehr schwächelt, Wunden heilen schlechter, Komplikationen nehmen zu. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin warnt deshalb: Mangelernährte Patienten sterben bis zu dreimal häufiger als gut versorgte.

Teller bleiben stehen – und keiner fragt nach

Viele Betroffene essen tagelang kaum etwas. Trotzdem fällt es oft nicht auf. Im hektischen Stationsalltag bleibt keine Zeit, um genau hinzuschauen. „Im Stationsbetrieb merkt häufig gar keiner, dass Patienten ein oder zwei Wochen kaum etwas essen“, sagt Matthias Pirlich, Vizepräsident der DGEM laut der WELT.

Besonders ältere oder geschwächte Personen sind gefährdet. Sie essen aus Müdigkeit, Schmerz oder Verzweiflung kaum noch. Doch statt gezielter Unterstützung wird oft einfach der Teller abgeräumt. Was fehlt, ist ein System, das Ernährung als festen Teil der Therapie begreift.

Ein einfaches Konzept rettet Leben

Dass es besser geht, zeigt ein Modell aus der Schweiz, wie die WELT berichtet. Am Kantonsspital Aarau entwickelte ein Team um Philipp Schütz eine individuelle Ernährungstherapie für Risikopatienten: Mehr Kalorien, mehr Eiweiß, gezielte Unterstützung – vom Trinknahrungs-Shake bis zum Proteinpüree.

Das Ergebnis war eindeutig: In einer großen Studie sank die Sterblichkeit um ein Drittel. Schon ein zehntägiger Aufenthalt mit gezielter Ernährung hatte messbare Effekte. Der Unterschied war nicht das Essen – sondern der Blick darauf.

Leipzig macht vor, was möglich ist

Auch in Deutschland gibt es Vorreiter. Das Universitätsklinikum Leipzig prüft bei jeder Aufnahme, ob ein Risiko für Mangelernährung besteht. Rund 6.000 Patienten erhalten dort gezielte Unterstützung – durch ein spezialisiertes Ernährungsteam.

„In rund 10.000 Fällen schauen wir genauer hin“, berichtet Lars Selig, der das Ernährungsteam leitet. Trinknahrung, flexible Essensausgabe, Betreuung am Bett – hier gehört Ernährung zur medizinischen Versorgung. Die Klinik hat sogar einen Vertrag mit der Techniker Krankenkasse abgeschlossen, um die Mehrkosten zu decken.

Ernährungstherapie spart Geld

Wer denkt, dass eine bessere Ernährung teuer ist, liegt falsch. Laut Schütz lagen die Mehrkosten im Schweizer Modell bei etwa 15 Franken pro Tag und Patient – inklusive Zusatznahrung und Fachpersonal. Gleichzeitig sanken die Komplikationen und die Dauer auf der Intensivstation.

Trotzdem wird Ernährungstherapie in Deutschland kaum vergütet. Die Kliniken erhalten pro Patient eine Fallpauschale, die auch das Essen abdeckt – unabhängig davon, wie aufwendig oder individuell die Versorgung ist. Gute Ernährung wird also nicht belohnt, obwohl sie wirkt.

Ein Problem, das sich lösen ließe – wenn man es wollte

Dass in das Thema langsam Bewegung kommt, zeigt eine Studie aus Baden-Württemberg: Dort hat sich die Zahl der Ernährungsteams zuletzt deutlich erhöht. Doch flächendeckend angekommen ist das Konzept noch nicht.

„Viele Kliniken scheuen sich, das Thema anzugehen“, sagt Selig laut WELT. Manche halten Ernährung noch immer für ein Nebenthema. Oder sie verlassen sich auf den Satz: „Wenn jemand Hunger hat, wird er sich schon melden.“ Für viele Patienten kommt diese Einsicht zu spät.

Essen ist Teil der Therapie – nicht Beilage

Mangelernährung im Krankenhaus ist kein Einzelfall, sondern ein massives Problem mit vermeidbaren Todesfällen. Die nötigen Strukturen, um Betroffene frühzeitig zu erkennen und zu versorgen, existieren längst – doch sie müssen umgesetzt werden.

Was es braucht, ist ein Umdenken: Essen ist kein Komfort – sondern Medizin. Oder wie es Hippokrates sagte: „Lass Nahrung deine Medizin sein.“ Diese alte Weisheit gilt heute mehr denn je.

Kurz zusammengefasst:

  • In deutschen Krankenhäusern bleibt Mangelernährung oft unbemerkt – dabei sind jährlich bis zu 200.000 Patienten betroffen, über 55.000 Todesfälle wären vermeidbar.
  • Wer im Krankenhaus zu wenig isst, wird langsamer gesund, verliert Kraft – und hat ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen, längere Liegezeiten und Pflegebedürftigkeit.
  • Oft fehlt es an Aufmerksamkeit, Standards und Geld für gutes Essen – dabei kann gezielte Ernährungstherapie Leben retten, die Lebensqualität verbessern und das Gesundheitssystem entlasten.

Bild: © DALL-E

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert