Bevor er gefährlich wird – KI erkennt beginnenden Bluthochdruck im EKG

Ein KI-System erkennt beginnenden Bluthochdruck im EKG – noch bevor klinische Symptome auftreten oder die Erkrankung diagnostiziert wird.

KI erkennt beginnenden Bluthochdruck im EKG

Selbst ein scheinbar normales EKG kann Warnzeichen für Bluthochdruck enthalten – eine KI macht diese Muster erstmals sichtbar. © Pexels

Manche Krankheiten kündigen sich lautlos an – Bluthochdruck gehört dazu. Viele Betroffene wissen lange nichts von ihrem steigenden Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenversagen. Doch eine neue Studie zeigt: Selbst ein scheinbar unauffälliges EKG enthält Hinweise auf eine beginnende Hypertonie. Eine speziell entwickelte KI kann diese Signale erkennen – lange bevor erste Symptome auftreten.

Das KI-Modell heißt AIRE-HTN. Es analysiert Routinedaten aus dem EKG und berechnet daraus das persönliche Risiko, in den kommenden Jahren an Bluthochdruck zu erkranken. Auch Folgeerkrankungen wie Herzinsuffizienz oder chronische Nierenschäden kann die Software erstaunlich treffsicher vorhersagen.

KI erkennt Bluthochdruck im EKG schon vor der Diagnose

Entwickelt wurde AIRE-HTN von einem Team um Dr. Arunashis Sau am National Heart and Lung Institute des Imperial College London. Es nutzte dafür Daten von mehr als 1,1 Millionen EKGs aus dem Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston – aufgenommen zwischen 2014 und 2023. Insgesamt flossen Gesundheitsdaten von rund 189.000 Patienten in die Entwicklung ein. Das Durchschnittsalter: knapp 58 Jahre.

In einem zweiten Schritt prüften die Forscher ihre Software anhand britischer Daten aus der UK Biobank – einem groß angelegten Gesundheitsregister. Dort standen 65.610 EKGs zur Verfügung. Die Patienten dieser Gruppe waren im Schnitt etwas älter und insgesamt gesünder – ein harter Test für das Modell. Doch auch hier blieb die KI zuverlässig: In beiden Gruppen sagte AIRE-HTN das Auftreten von Hypertonie mit einem C-Index von 0,70 voraus – ein guter Wert für medizinische Prognosen.

Herzinfarkte und Schlaganfälle früher vermeiden

„Wenn wir Patienten mit erhöhtem Risiko frühzeitig erkennen, können wir ihnen helfen, rechtzeitig gegenzusteuern“, sagt Studienleiter Sau. In vielen Fällen reichten einfache Änderungen im Alltag: mehr Bewegung, weniger Salz, ausgewogene Ernährung. „Die KI könnte uns helfen, die richtigen Menschen zur richtigen Zeit zu erreichen – bevor ernsthafte Schäden entstehen.“

Besonders deutlich war das Potenzial der KI bei der Vorhersage schwerer Komplikationen. Wer laut AIRE-HTN zur Hochrisikogruppe gehörte, hatte ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt. Auch das Risiko für Herzschwäche, Schlaganfälle und Nierenerkrankungen war deutlich erhöht – selbst bei Patienten, deren EKGs für Ärzte völlig normal aussahen.

KI erkennt Muster im EKG, die Ärzte nicht sehen

„Die Software entdeckt elektrische Muster, die für das menschliche Auge zu komplex oder zu subtil sind“, erklärt Dr. Joseph Barker, Mitautor der Studie. Der KI gelingt es damit, Risiken sichtbar zu machen, die in klassischen Untersuchungen übersehen würden. Für die Medizin könnte das einen Paradigmenwechsel bedeuten.

Denn bislang gilt: Ein EKG liefert vor allem Momentaufnahmen – etwa bei Verdacht auf Herzrhythmusstörungen oder Herzinfarkt. Künftig aber könnten diese Daten helfen, Krankheiten vorauszuberechnen, bevor sie entstehen. Und damit Therapien viel früher ansetzen lassen.

Erste Tests mit Patienten starten noch 2025

Noch ist AIRE-HTN nicht Teil der klinischen Routine. Doch das soll sich ändern. Klinische Studien mit echten Patientinnen und Patienten sollen im Lauf des Jahres 2025 starten – zunächst in mehreren Londoner Krankenhäusern. „Wir wollen verstehen, wie stark Patienten von der frühzeitigen Warnung profitieren – und ob wir dadurch tatsächlich Herzinfarkte und Schlaganfälle verhindern können“, sagt Kardiologe Dr. Fu Siong Ng.

Bluthochdruck zählt laut WHO zu den größten Gesundheitsrisiken weltweit. Allein in Europa sind etwa 25 Prozent aller Todesfälle auf Hypertonie zurückzuführen. Trotzdem bleibt die Krankheit oft unbemerkt – weil sie lange Zeit keine Beschwerden verursacht. Viele Menschen erfahren erst nach einem Notfall, dass sie gefährdet sind. Genau das könnte sich dank KI in Zukunft ändern – indem sie früh erkennt, was viele Ärzte erst zu spät bemerken.

Kurz zusammengefasst:

  • Bluthochdruck lässt sich mithilfe von KI schon im EKG erkennen – lange bevor erste Symptome auftreten.
  • Eine Studie belegt: Die Software AIRE-HTN kann künftige Hypertonie und Folgekrankheiten zuverlässig vorhersagen.
  • So könnten Risikopatienten frühzeitig behandelt und schwere Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall besser verhindert werden.

Übrigens: Während KI im EKG bereits beginnenden Bluthochdruck erkennt, entwickeln Forscher an der Penn State winzige Mikroroboter, die gezielt Tumore ansteuern könnten – nur mithilfe chemischer Signale. Wie diese Partikel die Medizin revolutionieren könnten, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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